Romeo und Jutta

Gut aufgelegte Katja Riemann rettet staubig-satirisches Wolfgang-Stumph-Vehikel

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Vom Heiratsschwindler zum „besten Hengst“ im Stall des Sozialismus’, vom Knastbruder zum schelmischen Rächer. „Romeo und Jutta“ ist der Versuch, der deutsch-deutschen Geschichte und ihren lächerlichsten Widersprüche mit einer Komödie beizukommen.

Vom Heiratsschwindler zum „besten Hengst“ im Stall des Sozialismus’, vom Knastbruder zum schelmischen Rächer – Jürgen Stoll ist ein Lebenskünstler, der dummerweise einige Male in seinem Leben zur falschen Zeit am falschen Ort ist. Der Klavierstimmer mit dem absoluten Gehör hat seinen Stimmhammer auch und gerade als Romeo im obersten Stasi-Auftrage immer mit dabei. Die friedensbewegte Jutta, Sekretärin im Landwirtschaftsministerium, ist hin und weg von diesem Mann, der über die Tasten streicht wie kein Zweiter. „Ob ich illegal blockiere oder illegal kopiere – was ist da der Unterschied?“, sagt sie, vervielfältigt jeden Quatsch und Stolls Führungsoffizier reibt sich die Hände: „Unsere Aufgabe ist es, alles Beschaffbare zu beschaffen.“ Natürlich hat sich der Ossi längst in die fesche Möchtegern-Aktivistin aus Bonn verliebt. Er enttarnt sich selbst, beide flüchten, werden aber gestellt. Für Jürgen und Jutta gibt es zunächst kein Happy End. Beide wandern einige Jahre in den Bau.

„Romeo und Jutta“ ist der Versuch, der deutsch-deutschen Geschichte und einigen ihrer lächerlichsten Widersprüche mit einer Komödie beizukommen. „Es gibt noch immer genügend Filme, die unsere jüngste deutsche Geschichte dämonisierend, aus nicht selbst gelebter oder erlebter Erfahrung gestalten“, sagt Hauptdarsteller und Initiator des Films, Wolfgang Stumph. „Es tut gut, das Vergangene auch mal lachend zu bewältigen.“ Im Grunde ist das richtig. Nur leider wurde die interessante Story dramaturgisch schwach aufbereitet. Der Rhythmus aus satirischer Und-dann-und-dann-Erzählung aus der Schlemihl-Perspektive, wie man sie aus den Klassikern des Genres von Günter Neumann oder Wolfgang Neuss kennt, und einigen hübschen Kabarettstückchen will sich nicht recht zu einer stringenten Filmerzählung fügen.

Die Liebe macht das Ganze auch nicht einfacher. Die Romantik legt sich zwar als eine Art emotionales Band über die konfuse Chronologie der Ereignisse und hält den Zuschauer bei der Stange, sie verschenkt aber auch das spielerische Potenzial, das dem Helden innewohnt. Ein an der Liebe leidender Lebenskünstler ist genretechnisch gedacht ein Widerspruch in sich. Dass der Film, wie es für eine Satire nun mal üblich ist, behauptet, statt zu zeigen, wie sich etwas entwickelt, hätte der Liebesgeschichte schaden können, tut es aber nicht. Das liegt allein an Katja Riemann, die den in Machart und Komik etwas deutsch bieder anmutenden Film mit ihrer enormen Präsenz ungemein belebt. Dass sich Jürgen in diese Jutta verlieben muss, glaubt man sofort. Dass in „Romeo und Jutta“ fast alle spielen, was sie lustig sind, könnte man kritisieren, muss man aber nicht. Bernd Stegemann und Maria Simon chargieren, André M. Hennicke und Bernhard Schütz spielen Tragikomödie, Wolfgang Stumph macht auf Verkleidungsposse und verfällt immer wieder ins Kabarettistische, allein Katja Riemann streift souverän alle Tonlagen und erweist sich als eine wahre Komödiantin.

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Fernsehfilm

MDR

Mit Wolfgang Stumpf, Katja Riemann, André M. Hennicke, Bernd Stegemann, Maria Simon, Bernhard Schütz, Anne Kasprik

Kamera: Daniel Koppelkamm

Szenenbild: Kay Anthony

Schnitt: Kai Schröter

Produktionsfirma: Polyphon

Drehbuch: Wolfgang Limmer

Regie: Jörg Grünler

Quote: 4,93 Mio. Zuschauer (17,1% MA)

EA: 02.09.2009 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

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