Jan steckt in Schwierigkeiten. Rudger, der Ex seiner Freundin Milene und Vater ihres Kindes, will, dass alles wieder ist wie früher. „Wie würde es dir gehen?“, fragt der Ex-Knacki den freundlichen Heilpraktiker, „zehn Jahre weg und du kommst zurück – und dein Sohn wurde von einem Spastiker großgezogen.“ Diesem Mann ist mit homöopathischen Dosen nicht beizukommen. Also holt Jan sich Rat bei Steve, einem Ex-Kollegen, der auf die schiefe Bahn geraten ist. Der hat „Connections“ und empfiehlt die „Variante“ Einschüchterung, 6000 Euro, „da kannst du nicht viel falsch machen“. Die Aktion läuft aus dem Ruder. Messerstecherei mit Schusswechsel und Verletzten. Heil – sprich: lebend – wieder aus der Sache rauszukommen, das wird teuer: 180.000 Euro, schätzt Fachmann Steve. Also sollte sich Jan das noch einmal überlegen mit seiner Patientin Dorothee. Er hatte eine Behandlung der an Krebs erkrankten Frau abgelehnt – und ihr dringend zur Operation geraten. Doch bei 30.000 Euro pro Woche – da macht sich selbst ein netter Heilpraktiker wie Jan so seine Gedanken. Doch ist Milene das alles überhaupt wert? Weshalb wohnt sie bereits bei Ludger? Hatte sie deshalb gebettelt: „keine Polizei“? Jan weiß nur eines: Er will diese Frau – und er kann nicht mehr zurück!
„Riskante Patienten“ ist eine rabenschwarze Komödie. Das Dreamteam Daniel Nocke (Buch) und Stefan Krohmer (Regie) treiben ihr ebenso hintersinniges wie kurzweiliges Spiel mit den TV-Genres Thriller, Krebsdrama und Wohlfühlfilm und den dazugehörigen Konventionen. Ein von Hause aus freundlicher Mensch, bestens mit den kultivierten Umgangsformen des gehobenen Mittelstandes vertraut und stets ein Lächeln zur rechten Zeit auf den fast kindlich unschuldig wirkenden Wangen, ein solcher Mann gerät in eine ihm fremde, sehr bedrohliche Welt, in der man über „finale Lösungen“, also Mord, spricht wie andere übers Wetter oder ein gutes Abendessen. Die Ausgangsidee verfängt wunderbar, weil Autor Nocke die Bedrohung nicht komisch unterspielt, sondern sie – ganz im Gegenteil – sehr real und physisch spürbar werden lässt und weil er und Jan-Darsteller Devid Striesow den Heilpraktiker zwischenzeitlich leiden lassen. Die besondere Spannung, die daraus für den (geneigten) Zuschauer entsteht, resultiert aus dem ständigen Wechsel zwischen Mit-Empfinden und komisch-absurder Entlastung. Da es im deutschen Film auf diesem Feld des Schwarzhumorigen kaum Vergleichbares gibt, müssen natürlich mal wieder als Vergleich die geliebten Coen-Brüder herhalten. „Riskante Patienten“ ist „harmloser“, weniger direkt, weniger brutal, weniger zynisch, was um 20.15 Uhr im Fernsehen auch so sein muss, dramaturgisch aber, gerade was die wirkungsvolle Austarierung von Nähe und Distanz, Identifikation und Spiel, TV-Realismus und Genre-Parodie angeht, ist diese WDR-Produktion nahezu perfekt.
Martin Feifel und die Ernsthaftigkeit der Herangehensweise:
„Ich habe bei der Lektüre die Komödie gar nicht als solche erkannt, ich habe die Geschichte 1:1 genommen – was aber ganz gut war, denn das Komische entsteht ja genau dadurch: dass die Darsteller ihre Rollen ernst nehmen. Dann hat die Komik nicht so etwas Gewolltes.“
Dieser Film, der die Präzision eines Schweizer Uhrwerks besitzt, ist ein wahres Einzelstück, ein Unikat in jeder Hinsicht, eine TV-Rarität. „Riskante Patienten“ hebt sich heraus aus der Programmmasse und betont damit indirekt auch die Nichtigkeit des langweiligen Thriller-Krimi-Formatfernsehens. Aus einem Mordauftrag aus Verzweiflung wird ein Mord, für den es gute Gründe gibt. Und doch bleibt ein Mord ein Mord, wird die Brutalität des Um-die-Ecke-Bringens deutlich, erträglich gemacht allein durch den schwarzen Humor (und nicht wie im seriellen Krimi durch die Penetrierung mit Mord und Todschlag und die Gewöhnung an diese konventionellen Fernsehmorde). Dieser schwarze Humor spiegelt sich in der Erzählung und in ihren Motiven: Man sieht sich immer zweimal. Was gemeinhin für Menschen gilt, das trifft bei Nocke und Krohmer auch für Gegenstände zu: das Mühlrad, die Pistole, die Harpune. Und bei den beiden tötet manchmal sogar der Klügere besser! (Text-Stand: 11.7.2012)