Häufig ging der Blick in jüngster Zeit gen USA, um die dortige Produktion serieller Erzählungen zu studieren. Ein Aspekt aber kam dabei, soweit bekannt, noch nicht zur Sprache. Auch in Hollywood werden ausländische Erzählserien adaptiert. Und wenn dann beispielsweise die US-Fassung der britischen Produktion „The Office“ für einen Fernsehpreis nominiert wurde, ist es selbstverständlich, dass der Urheber des Originals, Ricky Gervais, zu den Geladenen zählt. Die deutsche Adaption von „The Office“ heißt „Stromberg“, der Name Ricky Gervais aber fällt in diesem Zusammenhang nur selten. Geschweige denn, dass er im Falle einer Auszeichnung auf die Bühne gebeten wird. Keine Frage, dass „Stromberg“ gegenüber dem Original eine eigene Entwicklung genommen hat. Das gilt aber genauso und weitaus extremer für US-Serien wie beispielsweise „Homeland“, „The Bridge“ (als Vorbild diente die ZDF-Koproduktion „Die Brücke – Transit in den Tod“), „The Mysteries of Laura“ (Sat.1-Titel „Detective Laura Diamond“). Und dennoch finden sich dort die Namen der ausländischen Originalurheber im Vor- oder Nachspann jeder Episode.
Hierzulande verhalten sich Sender und Produzenten diesbezüglich eher freizügig. Bei der ARD-Vorabendserie „Rentnercops“ wird man vergeblich nach den Namen Nigel McCrery und Roy Mitchell Ausschau halten. Die beiden Briten sind die Schöpfer der BBC-Serie „New Tricks“, die 2003 startete und bis heute im Programm ist – ein grandioser Publikumserfolg. „New Tricks“ erzählt zu Beginn von der aufstrebenden Kriminalbeamtin Sandra Pullman (Amanda Redman), die nach einem verpatzten Einsatz kaltgestellt wird. Und mit drei eigentlich bereits im Ruhestand befindlichen älteren Kollegen fortan abgelegte Fälle bearbeiten soll. Die Unterschiede zwischen den Figuren sorgen für den Humor; es wird gefrotzelt und gelästert, wobei immer auch Raum für eine gewisse psychologische Tiefe bleibt.
Foto: WDR / Kai Schulz
In der deutschen Serie „Rentnercops“ trägt Edwin Bremer (Tilo Prückner) ähnliche Wesenszüge. Sein gegensätzlicher Partner ist der viel beschäftigte Familienmensch Günter Hoffmann (Wolfgang Winkler). Beide werden aus dem Ruhestand zurückgeholt, als die Dezernatsleiterin Victoria „Vicky“ Adam (Katja Danowski) durch skurrile Umstände ihre beiden Mitarbeiter verliert. Für die Reaktivierung der pensionierten Kollegen spricht zudem, dass sie in ihrer aktiven Zeit schon mit dem gerade aktuellen Fall zu tun hatten.
Das Personal wurde um einen Ermittler verkleinert, ansonsten sind die Übereinstimmungen mit „New Tricks“ offensichtlich, bis hin zur verbindenden Figur eines jungen Beamten mit ausländischen Wurzeln, in der britischen Serie gespielt von dem schwarzen Schauspieler Chiké Okonkwo, in der deutschen Version vom Deutsch-Vietnamesen Aaron Le in der Rolle des Kommissarsanwärters Hui Ko. Die Einführung dieses Charakters ins Geschehen ist in beiden Serien bis hin zum Wortlaut beinahe identisch.
Auf dieser Basis entwickeln Hauptautorin Sonja Schönemann (fünf von acht Folgen) und ihre Kollegen Peter Güde (eine Folge gemeinsam mit Schönemann + eine weitere) und Christoph Benkelmann (eine Folge) recht eigenständige Geschichten. Vicky Adam beispielsweise ist bekennende Homosexuelle und erfährt deshalb keinerlei Diskriminierung – sie ist genauso Zielscheibe des Spotts wie die altersbedingten Zipperlein der beiden älteren Kollegen, die immer auch Probleme mit der modernen Technik haben. Was aber, bemerkenswerter Unterschied, hier nicht als alters-, sondern wesensbedingte Schwäche gezeigt wird.
Der Humor der Serie äußert sich vor allem in den Dialogen, und die sind gekonnt geschrieben. Nicht zwanghaft gedrechselte Humorversuche, vielmehr dem Volksmund abgelauschter Mutterwitz. Das bedeutet gleiche Schonungslosigkeit für alle, Minderheiten eingeschlossen. Daneben bleibt Raum für erzählerisch eingekleidete nachdenklichere Töne, die sich – auf dem 18.50-Uhr-Sendeplatz – flüchtigen Zuschauern aber vermutlich kaum erschließen werden.
Foto: WDR / Kai Schulz
Jede Episode ist – am Vorabend ein angemessenes Verfahren – jeweils einem Kriminalfall gewidmet. Dennoch gibt es übergreifende Elemente, die Beziehungen der Figuren im dienstlichen wie im privaten Leben. Speziell der Charakter Edwin Bremers (Tilo Prückner) wird erst nach und nach kenntlich. Anfangs erscheint er als rundum grantelnder, allseits ungeliebter, einzelgängerischer Widerborst. Doch das ändert sich, vielleicht ein bisschen zu schnell. Schwer zu beurteilen – leider lagen nur zwei Episoden zur Sichtung vor, zudem enthält die Pressemappe seltsamerweise keine Angaben zu den einzelnen Folgen, die offenbar alle nach deutschen Poptiteln benannt wurden. Folge eins trägt den Titel „Verdamp lang her“ (BAP), Folge zwei heißt „Solang‘ man Träume noch leben kann“ (Münchner Freiheit); beide nehmen mit Themen wie Karneval und Klüngel deutlich Bezug auf den Schauplatz Köln. „Rentnercops“ fällt somit auch unter das Subgenre Regionalkrimi.
„Fun Fact“ für Besserwisser: Auch das belgische Fernsehen produzierte 2014 eine eigene Version von „New Tricks“. Sie trägt den Titel „Vossenstreken“ und ist selbstverständlich regulär als Adaption des britischen Formats ausgewiesen.
Inszenatorisch bleiben die ersten beiden Serienfolgen trotz der für den Vorabend namhaften Regisseure Lars Jessen („Fraktus“) und Thorsten Näter („Tatort“) ohne nennenswerte Finesse. Die Besetzungsstrategie folgt wiederum dem Vorbild „New Tricks“. Dort sah man in den Hauptrollen teils Veteranen des britischen Krimigenres wie Dennis Waterman, bekannt aus dem seinerzeit innovativen, weil krass realistischen Krimiklassiker „The Sweeney“ (ZDF-Titel: „Die Füchse“). Auch die Hauptdarsteller der deutschen Adaption sind einschlägig vorbelastet: Tilo Prückner war unter anderem als Eduard Holicek im Hamburger „Tatort“ neben Robert Atzorn zu sehen und spielt aktuell in der ZDF-Reihe „Kommissarin Lucas“. Wolfgang Winkler dürfte im Publikumsgedächtnis noch präsent sein als Hauptkommissar Herbert Schneider aus den MDR-Beiträgen zur Krimi-Reihe „Polizeiruf 110“. (Text-Stand: 28.2.2015)