Reise in die Nacht – Alptraum eines Sommers

Ulrike Kriener, Julia Brendler, Matti Geschonneck. Alptraumhafter Kulturvergleich

Foto: ZDF
Foto Rainer Tittelbach

Die Berliner Sozialarbeiterin Irene und ihre Tochter Lili reisen als Rucksacktouristen durch Zypern. Was als Annäherungstrip geplant war, entwickelt sich zum Alptraum: Eines Nachts werden sie überfallen, die Tochter wird vergewaltigt und erleidet einen Schock, die Mutter fällt in Ohnmacht. Als beide wieder zu sich kommen, ist der Mann tot. Ein klarer Fall von Notwehr. Die moslemische Bevölkerung sieht es anders! Harter Stoff, schwere Tonlage. Eine Reise in die Psyche. Ein minimalistisch-karges Kammerspieldrama, großartig gespielt!

Zypern ist nicht Berlin. „Hier sind die Frauen zurückhaltender“, sagt Lili (Julia Brendler), eine der beiden Hauptfiguren in Matti Geschonnecks „Reise in die Nacht“. Doch Mutter Irene (Ulrike Kriener) weiß es wieder einmal besser: „Hast Du das an der Uni gelernt!?“ Der Spott wird ihr noch vergehen, denn die beiden Frauen erleben ihren vermeintlichen Traumurlaub als Alptraum in die moslemische Männergesellschaft… Irene Weber will mit einem Urlaub das Verhältnis zu ihrer Tochter Lili aufbessern. Doch die Vorbehalte gegenüber der Mutter, die einst die Familie verließ, sind groß. Auch die offene Art, mit der die selbstbewusste Mittvierzigerin, die zuhause türkischen Kindern Deutsch beibringt, hier den einheimischen Männern begegnet, empfindet Lili als peinlich und aufdringlich. Eines Nachts werden sie von einem jungen Mann überfallen, die Tochter wird vergewaltigt, erleidet einen Schock, die Mutter fällt in Ohnmacht. Als beide wieder zu sich kommen, ist der Mann tot. Für sie ein klarer Fall: Notwehr. Die Bevölkerung und der Richter aber sehen das anders.

Der arte/ZDF-Koproduktion liegt ein realer Fall aus dem Jahre 1989 zugrunde. Zwei Kulturen, zwei Generationen – in diesen Spannungsfeldern bewegt sich die Geschichte dieses eindrucksvollen  Kammerspiels. Die Heldinnen sind zurückgeworfen auf sich selbst, ihre Beziehung erscheint scharf wie in einem Brennglas, sie können nicht fliehen vor ihren Gefühlen. Diese Reise in die Nacht wird aber auch (filmisch) atmosphärisch festgemacht: es ist eine Reise zwischen Tag und Nacht, Hell und Dunkel, zwischen sonnenüberfluteten Landschaften und dem kalten Schwarz der Gefängniszelle. Matti Geschonneck („Angst hat eine kalte Hand“, „Rosenmörder“) und sein ständiger Kameramann Rudolf Blahacek sind das perfekte Gespann für diese filmische Reise ins Innere der Seele. „Mit einer kargen, minimalistischen Erzählweise einen dichten Film machen“ ist Geschonnecks erklärtes Ziel.

Für Ulrike Kriener hat der ZDF-Film nichts zu tun mit den Spekulationsfilmchen der Privat-Sender. „Die Vergewaltigung ist nur der Anlass für eine andere Art und Weise der Betrachtung vom Leben zweier Frauen.“ Durch die Vergewaltigung bekomme die Beziehung aus werbender Mutter und reservierter Tochter eine andere Qualität. Die Geschichte ist hart, die Tonlage schwer. Dennoch, so Kriener, habe man bei den Dreharbeiten durchaus herzhaft lachen können, ja müssen. „Den Druck sollen die Zuschauer haben, nicht die Schauspieler.“

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Fernsehfilm

Arte, ZDF

Mit Ulrike Kriener, Julia Brendler, Anian Zollner, Renan Demirkan, Emine Sevgi Özdamar, Tayfun Bademsoy

Kamera: Rudolf Blahacek

Szenenbild: Detlef Provvedi

Kostüm: Antje Petersen

Schnitt: Heidi Handorf

Musik: Hans Peter Ströer

Produktionsfirma: Eikon Media

Drehbuch: Wolfgang Tumler, Susan Cuscuna

Regie: Matti Geschonneck

EA: 28.08.1998 20:40 Uhr | Arte

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