Paul Raab ist ein Mann, der ein Leben lang vor Verbindlichkeiten weggelaufen ist. Erfolg, Spaß, Sex – alles, nur keine Verpflichtungen! Dann schlägt das Schicksal zu – und auf einmal sucht der großspurige Architekt nach einem Sinn in seinem Leben. Uwe Bohm brilliert in Nikolai Müllerschöns „Paul & Clara – Liebe vergeht nie“, einem sensibel erzählten, erwachsenen Sat-1-Melodram, produziert vom ehemaligen RTL-Movie-Chef Sam Davis.
Dieser Raab treibt es gern auf die Spitze. Und er glaubt, dass er sich das erlauben kann. Doch dann steht Raab auf einmal im Regen: seine Freundin hat ihn verlassen. Allein, in einem seiner Rohbau-Prachtbauten, bei einer Flasche Schnaps, wird ihm klar: sie ist weg! Noch ein Schluck, er torkelt, taumelt, fällt vom Gerüst. Diagnose: dissoziative Amnesie. Nach ein paar Tagen soll der Spuk vorbei sein, doch Paul will nicht so lange warten. Fast ohne jegliche Erinnerung macht er sich auf die Suche nach seiner Identität. Er trifft drei wichtige Frauen in seinem Leben, bevor er SIE, seine grosse Liebe, endlich wiederfindet.
Vom smarten Sprücheklopfer zum introvertierten Sinnsucher, der nicht länger vor wahrhaftigen Gefühlen zurückschreckt – ein gewaltiger Sprung. „Wir hatten zunächst Schwierigkeiten diesen Unterschied zwischen der Hauptfigur vor und nach seinem Unfall rauszukitzeln“, so Bohm. Der Zuschauer bekommt nichts davon mit. Der Adoptivsohn von Regisseur Hark Bohm agiert sehr überzeugend. Er reißt den konventionell beginnenden Film herum und bringt ihn sicher in tieferes Fahrwasser. Ein Mann merkt, dass er 37 Jahre falsch gelebt hat. Jetzt müssen die Frauen ran, damit aus ihm noch etwas wird. Mit demselben Motiv, indes einer leichteren Gangart, wartet in zwei Wochen der gleichfalls in Köln produzierte ZDF-Fernsehfilm „Verliebt in eine Unbekannte“ auf. Zufall? Da muß es im kölschen Produktionsdschungel irgendwo eine undichte Stelle gegeben haben!
Dass Bohm die Erinnerungsarbeit nicht zum Klischee gerät, liegt am strengen Aufbau der Geschichte, an den klaren, reduzierten Schauplätzen und an vier Schauspielerinnen, die in starken Szenen dem verunsicherten Mann Paroli bieten. Da ist Inka Friedrich als leukämiekranke Paula, Katharina Müller-Elmau als überdrehte Karrierefrau, der in nur fünf Minuten die schöne Fassade vom Gesicht bröckelt, oder Susanna Simon, der es gelingt, einiges der früheren Beziehung anzudeuten. Doch zum Weinen schön wird der Seelen-Striptease erst, wenn Katharina Böhm sich zu Bohm auf den Barhocker setzt und sie fast 10 Minuten fein akzentuiert und frontal in die Kamera spielen. (Text-Stand: 23.11.1999)