Es lässt sich sicher darüber streiten, ob „Wenn nicht, dann jetzt“ ein brauchbarer Titel für einen Freitagsfilm im „Ersten“ ist. Zumindest wäre er origineller als „Papa hat keinen Plan“, wie die Degeto die Verfilmung des Romans von Edgar Rai genannt hat. Die ARD-Tochter setzt bei ihren Komödientiteln ja gern auf familienfreundliche Schlüsselbegriffe wie Mama, Papa, Oma oder Opa, selbst wenn das immer ein bisschen altbacken klingt. Grundsätzlich ist die Abwandlung des Titels in diesem Fall allerdings angebracht, denn mit Rais Vorlage hat die Adaption durch Marek Helsner im Grunde nur noch die Hauptfiguren gemein. Eine kleine Verschiebung genügt, um aus der Romanhandlung eine neue Geschichte zu machen: Bei Rai nimmt Titelfigur Jan sein Schicksal in die Hand; bei Helsner ist er, etwas pathetisch formuliert, Spielball des Schicksals. Allen Zuschauern, die das Buch nicht kennen, kann und wird das völlig egal sein, Hauptsache, die Geschichte funktioniert; und das tut sie in der Tat.
Foto: Degeto / Daniela Incoronato
Helsner hat aus Jan einen Klavierbauer (Lucas Gregorowicz) gemacht, eine schlüssige Idee, weil nun aus dem von Rai geschilderten jährlichen Urlaub mit der vernachlässigten Tochter eine Dienstreise wird. Mia (Bianca Nawrath) ist ohnehin eher unfreiwillig mit von der Partie. Sie ist zu ihrem Vater geflohen, weil sie Probleme mit dem Freund ihrer Mutter hat: Jans Ex-Frau Serafina (Clelia Sarto) will einen trockenen Juristen namens Einar (Tim Bergmann), laut Mia ein Mann mit „eingebauter Spaßbremse“, heiraten. Jan muss einen restaurierten Flügel nach Italien bringen, Mia hat Herbstferien, also machen sie sich gemeinsam auf den Weg; die von Rai angestrebte Versöhnung gilt im Film nicht den Eltern, sondern Vater und Tochter. Für beide ist die Reise auch eine Flucht: Mia hat Liebeskummer, Jan ist von seiner Freundin (Johanna Christine Gehlen) mit einem Kinderwunsch überrumpelt worden. Außerdem ist er pleite; der Gerichtsvollzieher war schon da.
Trotz der abgewandelten Ausrichtung wirkt „Papa hat keinen Plan“ auf dem Papier wie ein typisches Freitagsfilmkonstrukt: die aufmüpfige Tochter, der Trip in den Süden, dazu die nie versiegten Gefühle, die Jan immer noch für seine Ex-Frau hegt. Nach Italien hat die Degeto ihre Protagonisten in letzter Zeit öfter geschickt, allein 2018 gleich dreimal, und jedes Mal ging es darum, im Rahmen einer Reise Streithähne miteinander zu versöhnen: hier zwei Ehepaare, die sich auseinander gelebt haben („Endlich Gardasee!“, „Unzertrennlich nach Verona“), dort eine Frau, die noch eine alte Rechnung mit ihrer Mutter offen hat („Urlaub mit Mama“); und nun eben Vater und Tochter. In dieser Aufzählung klingt das zwar, als habe die Redaktion viermal die gleiche Geschichte erzählen lassen, aber neben dem Handlungsmuster und dem Genre des Road-Movies vereint die Filme auch ihre Qualität: Alle waren und sind sehenswert, weil sie den komödiantischen Ansatz mit einem gewissen Anspruch verbinden. Ein weiterer Punkt ist die Besetzung, und in dieser Hinsicht hat „Papa hat keinen Plan“ mit Bianca Nawrath in ihrer ersten großen Hauptrolle eine echte Entdeckung zu bieten.
Foto: Degeto / Daniela Incoronato
Tatsächlich ist sie sogar der Star des Films, und das nicht nur, weil Mia die besten Dialoge hat: Während sich Jan dem Titel entsprechend treiben lässt, ist die Tochter die deutlich aktivere Figur. Sie hat allen Grund, sauer auf den Vater zu sein, der sich anscheinend nie für ihr Leben interessiert hat. Auch das macht die Konstellation so interessant: hier Nawraths energiegeladene Natürlichkeit, dort die entspannte Ausstrahlung des erfahrenen Lucas Gregorowicz, der seine Rolle in Richtung „liebenswerter Tollpatsch“ anlegt. Dass die Kombination so gut funktioniert, ist auch ein Verdienst von Matthias Steurer. Der Regisseur hat für die Degeto bereits sehenswerte Komödien gedreht, als der Sendeplatz am Freitag noch sein Süßstoff-Image hatte, etwa „Das Glück ist eine Katze“ oder „Zimtstern und Halbmond“ (beide 2010). Zu seinen besten Filmen der letzten Jahre gehören „Kleine Schiffe“ (2013), eine der ersten Degeto-Produktionen mit deutlich anspruchsvollerer Ausrichtung; und vor allem „Vier kriegen ein Kind“ (2015), eine Gesellschaftskomödie über zwei Frauen und zwei Männer, die zu viert Eltern werden. Dieser Film gilt mittlerweile als Beispiel dafür, dass die Degeto-Führung ihrem Stammpublikum womöglich zuviel zugemutet hat, und tatsächlich ist „Papa hat keinen Plan“ im Vergleich dazu ein klassischer Freitagsstoff, zumal sich die Geschichte schließlich zur echten Familienkomödie entwickelt: Aus Sorge um Mia reist Serafina mit Einar im Schlepptau ebenfalls nach Italien.
Foto: Degeto / Daniela Incoronato
In Rais Roman will Jan die bevorstehende Hochzeit des Paars verhindern, aber die spielt im Film zumindest vordergründig kaum eine Rolle. Die Geschichte beginnt und endet zwar mit einer romantisch motivierten Verfolgungsjagd, doch der Plan, den Jan schließlich gefunden hat, gilt nicht Serafina, sondern vor allem dem Leben, das er endlich leben will. Die sonstigen Mitwirkenden haben naturgemäß weitaus weniger zu tun als Nawrath und Gregorowicz, der hier außerdem seiner privaten Leidenschaft als Musiker nachgehen kann, selbst wenn er privat gar kein Klavier, sondern Gitarre spielt. Die Rolle des steifen Juristen ist wahrlich keine Herausforderung für Tim Bergmann, aber es macht Spaß, dem Ensemble zuzuschauen, zumal sich auch die italienischen Schauspieler sehr gut einfügen. Die warmen, freundlichen Urlaubsbilder der Amalfi-Küste – gedreht wurde in und um Santa Maria di Castellabate – tun ein Übriges, um „Papa hat keinen Plan“ zu einer sehenswerten Komödie abzurunden.
Ebenfalls sehr sympathisch sind jene Kleinigkeiten, die meist eine besondere Zuneigung der kreativen Köpfe zu einem Stoff belegen. Hier zeigt sich das unter anderem in der Kombination der beiden Zeitebenen: Als Mia zu Beginn kräftig in eine Trillerpfeife bläst, um den Tumult zwischen ihren Eltern und den Carabinieri zu beenden, geht das Geräusch nahtlos ins Pfeifen eines Wasserkessels über; nun beginnt eine lange Rückblende. Steurer liefert auch ein schönes Beispiel dafür, wie man ohne Schnitt für Tempo sorgt: Jan schließt die Hecktüren des Transporters, geht aus dem Bild, und das Auto fährt los. Anders als so gut wie alle sonstigen heiteren Italien-Filmen kommt die Komödie zudem ohne die Schlager- und Pop-Klassiker von Celentano bis Conte aus; stattdessen hat Alexander Maschke italienische Klänge in seine Musik integriert, die in Anlehnung an Jans Beruf vom Klavier dominiert wird. Und noch etwas unterscheidet diese Komödie von vielen anderen: Endlich darf sich eine junge Frau mal übergeben, ohne gleich schwanger zu sein; Mia hat schlicht zu viel Tiramisu gegessen. Trotz der Liebe zum Detail ist den Machern eine kleine Irritation unterlaufen: Die Wörter des Titels sind horizontal in rot, weiß und grün gehalten, eine Anspielung auf die italienische Flagge, deren Farben aber von links nach rechts angeordnet sind (grünweißrot). Von oben nach unten entspricht die farbliche Konstellation der Flagge Ungarns. (Text-Stand: 22.3.2019)