Opa, ledig, jung

Steffen Groth, Julia Hartmann, Nike Fuhrmann. Familienaufstellung & kleine Lügen

Foto: Degeto / Stephan Rabold
Foto Rainer Tittelbach

In der ARD-Komödie „Opa, ledig, jung“ denkt ein 45jähriger Berufsjugendlicher langsam ans Erwachsenwerden. Gleich in drei Rollen muss er sich verantwortungsvoll beweisen: als Vater, als Großvater, als Lebenspartner. Daraus ergibt sich – mag der Verlauf der Läuterung auch noch so erwartbar sein – ein vielschichtiges Beziehungsnetz, das allerlei Wahrhaftiges zum Mutter/Vater/Kind-Thema zu erzählen weiß. Außerdem gefällt der Film darin, die Dinge immer wieder zu zeigen, als sie mit allzu vielen Worten zu erklären. Steffen Groth, Experte für grimassierendes Sat-1-Geblödel, ist mit dieser Rolle endgültig erwachsen geworden.

Werner lebt in Berlin, ist überzeugter Single und macht mit seinen 45 Jahren noch immer auf Berufsjugendlichen. Ansonsten jobbt er in einem Hostel und er liebt die Frauen – zumindest für eine Nacht. Er scheint sich das alles so ausgesucht zu haben. Erst als seine Tochter, die vor Kurzem nach Berlin gezogen ist, seine Hilfe als Großvater braucht, erkennt Werner, dass es da noch andere Dinge im Leben gibt – beispielsweise Familie. Mit 18 Jahren Vater geworden, war er damals überfordert mit Frau und Kind und seilte sich rasch ab. Seitdem herrscht Funkstille zwischen ihm und Julia, seiner mittlerweile 27jährigen Tochter. Die hat selbst schon Familie, ist als Projektmanagerin mächtig eingespannt und sucht deshalb händeringend nach einer Tagesbetreuung für ihre fünfjährige Tochter Zora. Zumindest vorübergehend springt der Opa ein, der im Übrigen lieber Werner genannt werden möchte – was einen banalen Grund hat: der Womanizer nutzt seinen Babysitterjob nebenbei als Anbaggerspielfeld. Dieser Werner scheint noch immer ganz der Alte zu sein. Doch dann lernt er die alleinerziehende Kathie kennen, eine Frau, die irgendwie anders ist als die anderen. Den Opa zu geben findet er gar nicht sexy; also spielt er ihr die Rolle des sorgenden Vaters vor.

Opa, ledig, jungFoto: Degeto / Stephan Rabold
Werner (Steffen Groth) versteht langsam, was Familie außer Stress & Streit auch noch bedeuten kann. Seine Tochter Julia (Julia Hartmann) lebt es ihm vor.

Alles kommt, wie es kommen muss in der Alltagskomödie „Opa, ledig, jung“. So scheint es jedenfalls. Und so möchte man zumindest bei der zehnminütigen Exposition schieben. In der Folge erweist sich der Rabenvater dann auch als ein Rabengroßvater, der sein Enkel-Töchterchen schon mal vergessen kann, wenn ihm eine interessante Frau über den Weg läuft. Spätestens in dem Moment aber, als dem Held, der die schluffige, weniger hedonistische Ausgabe des Londoner Lebenskünstlers ist, die Hugh Grant in „About A Boy“ verkörpert, beim zweiten Spielplatzbesuch Leere entgegengähnt, spürt man, dass dieser sympathisch verpeilte Kindskopf einsam und gar nicht so zufrieden ist mit seinem Leben; er braucht die Frauen um sich lebendig zu fühlen, doch eigentlich braucht er mehr. Das, was jener Werner am Ende reumütig beschreibt, der verpasste Zeitpunkt, die Lüge aufzuklären, die Angst, diese neue Option aufs Glück zu verspielen, das kann man genau so als Zuschauer auch erkennen – und so wirkt dieses viel strapazierte dramaturgische (Lügen-)Muster in dem Film von Markus Herling nach dem Drehbuch von Florian Schumacher dann gar nicht mehr so abgestanden.

Soundtrack: Camille („Gospel With No Lord“), The Poppy Family feat. Susan Jacks („That’s Were I Went Wrong“), Sixto Diaz Rodriguez („Sugar Man“ / „Like Janis“), Carly Simon („You’re So Vain“), Micah P. Hinson („When We Embaraced“ / „Me and You“ / „Drift Off To Sleep“ / „Dying Alone“), Foo Fighters („Everlong“), Joan As Policewoman („Holy City“), Jun Tukamachi („Sara Smile“), Deftones („Simple Man“), Richard Buckner („Six Years“), James Newton Howard („25 Dollars Worth“), Led Zeppelin („Going To California“), Bon Iver („Flume“)

Opa, ledig, jungFoto: Degeto / Stephan Rabold
Ganz der alte Charmeur. Da kann man schon mal seine Enkeltochter vergessen… Opa Werner (Steffen Groth) und seine Spielplatzbekanntschaft Kathie (Nike Fuhrmann)

Auch der Übergang vom narzisstischen Egoisten zum liebenden Melancholiker verläuft fließend – ganz im Einklang mit dem vorzüglichen Soundtrack voller sehnsuchtsvoller Independent-Songs. Die Dramaturgie verfährt entsprechend nicht nach dem simplen, aber beliebten Läuterungsmuster „ein Kind bringt einen moralisch zweifelhaften Erwachsenen auf den rechten Weg“. Der Held muss hier nicht in „kleiner Prinz“-Manier mit dem Herzen sehen, als sich vielmehr in drei Rollen verantwortungsvoll beweisen – als Vater, als Großvater, als Lebenspartner. „Opa, ledig, jung“ ist zumindest also eine Komödie, die sich abarbeitet an geschlechtsspezifischen Rollen und gängigen Beziehungsmustern. Da gibt es eine verunsicherte Tochter, die einmal mehr hin und hergerissen ist zwischen ihrer dominanten Mutter und ihrem jahrelang abwesenden Vater, der anscheinend nie Verantwortung übernehmen wollte. Schön, wie das Mutter/Vater/Kind-Muster von vor über 20 Jahren – hier die falschen Versprechungen, da die permanenten Vorwürfe – in zwei, drei markanten Szenen als eine Art Familienaufstellung mit realen Personen aktualisiert wird. Überhaupt gefällt der Film darin, die Dinge immer wieder zu zeigen, als sie mit allzu vielen Worten zu erklären.

Dafür bleiben die Szenen häufig einen Moment länger als üblich stehen, damit man als Zuschauer sehen kann, wie es in den Figuren arbeitet. Bei Menschen, denen nicht selten die Worte fehlen, weil ihre Gefühle das Argumentieren ausbremsen, liegt das geradezu auf der Hand. Steffen Groth, Experte für grimassierendes Geblödel aus der Sat-1-Ecke und ein Gesicht, dem die Nutzlosigkeit, erwachsen zu werden, geradezu eingeschrieben ist, scheint mit dieser Hauptrolle endgültig erwachsen geworden zu sein. Sein Werner ist alles andere als ein souveräner Zeitgenosse. Der Mann, der mit Mitte 20 trotzig seine Karriere als bildender Künstler gegen die Wand fuhr, muss am Ende die Scherben zusammenkehren. Dass die Chancen auf ein Happy End mit seiner Traumfrau, die ja selber in Kunstmanagement macht, dennoch nicht schlecht stehen, versteht sich von selbst. Darüber hinaus wird jene Kathie (hübsch authentisch: Nike Fuhrmann) gezeigt als eine, die nicht nur das Trennungsding anders zu machen scheint. Dieser hätte der Held schon früher reinen Wein einschenken können. Dann wäre dem Zuschauer aber diese kleine, feine Beziehungskomödie mit ihrer urbanesken filmästhetischen Stahlkraft vorenthalten geblieben (wäre schade gewesen). Und so reizt der Film die Wandlung des „Helden“ bis zum (bitter)süßen Ende aus, sodass sich die Zuschauer(innen) schon mal Taschentücher parat legen sollten. (Text-Stand: 13.2.2015)

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Fernsehfilm

ARD Degeto, BR

Mit Steffen Groth, Julia Hartmann, Nike Fuhrmann, Tamara Graser, Laura Graser, Winnie Böwe, Golo Euler, Alexander Hörbe

Kamera: Patrick Kaethner

Szenenbild: Wolfgang Baark

Schnitt: Nils Landmark

Produktionsfirma: Magic Flight Film

Drehbuch: Florian Schumacher

Regie: Markus Herling

Quote: 3,78 Mio. Zuschauer (12% MA)

EA: 13.03.2015 20:15 Uhr | ARD

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