Henriette Dietrichstein ist eine knallharte Geschäftsfrau. Nichts anderes als ihre Firma scheint sie zu interessieren. Die „Eiserne Lady“ lebt allein in einem schlossähnlichen Anwesen. Sie thront über der Stadt, und sie schiebt ihre Arbeit wie ein Schutzschild vor sich her. Ihr Firmenanwalt und ihre treu sorgende Haushälterin sind die einzigen Menschen, die näher an sie herankommen. Das soll sich ändern, als ihre Enkelin, die braunhäutige Evita, plötzlich in ihr wohlgeordnetes Leben wirbelt. Zunächst brechen alte Wunden bei Henriette auf: Ihre gegen die strengen Sitten des Hauses Dietrichstein rebellierende Tochter hatte einst mit ihrem Geliebten Österreich in Richtung Brasilien verlassen. Daraufhin hat die Mutter sie aus ihrem Leben gestrichen. Jetzt ist die Tochter gestorben – und ihr „Erbe“ steht strahlend vor der griesgrämigen Großmutter. Alle liegen diesem Wildfang zu Füßen – nur Oma braucht etwas länger. Gerade als ihr Herz sich zu öffnen beginnt, steht die Frau vom Jugendamt in der Tür.
„Oma wider Willen“ ist ein altmodischer Pulswärmer, ein gediegenes Läuterungsmärchen, das kein (Erzähl-)Klischee auslässt auf dem langen Weg zum glücklichen Ende. Da ist die Intrige der Vorzimmerdame der Chefin, ihres Zeichens auch Ehefrau von Henriettes Neffen, die um ihr beider Erbe fürchtet. Da ist die Devise der Hauptfigur ohne soziales Gewissen: „Fressen und Gefressenwerden“. Da sind die Bediensteten, die alle ihre angestammten Rollen erfüllen. Und da ist der kindliche Sonnenschein, der der vermeintlich kaltherzigen Managerin die Leere ihres Lebens spiegelt und der Großmama nun die zweite Chance gibt: Bei Evita könnte es die alte Frau heute besser machen als bei ihrer Tochter. Dass die von Christiane Hörbiger routiniert gespielte, gestrenge Grande Dame sich diese Chance nicht nehmen lässt, weiß jeder Zuschauer – spätestens als er Luna Baptiste Schallers Evita sieht, gegen deren Gutgläubigkeit und kindliche Naivität Marke „Kindermund tut Wahrheit kund“ es kein Gegenmittel zu geben scheint. Wohlfühlfilmiger wird das Ganze, nachdem sich die Heldin erweichen lässt. Jetzt geht es gemeinsam gegen die beiden Intriganten. Psychologisch und dramaturgisch ist „Oma wider Willen“ nicht komplexer als ein Kasperl-Theaterstück. Was zählt, ist die Wirkung, das Gefühl der Erwachsenen, etwas von der Faszination des Kindseins zu spüren. (Text-Stand: 6.2.2012)