Nord Nord Mord – Clüver und der König von Sylt

Atzorn, Wnuk, Brendler, Thieme, Cantz/Hinter, Jauch. Eine leichte, runde Sache

Foto: ZDF / Simon Vogler
Foto Tilmann P. Gangloff

Die ZDF-Krimireihe „Nord Nord Mord“ könnte genauso gut „Clüver und die Frauen“ heißen: Nach Annette Frier und Carolina Vera ist es in „Clüver und der König von Sylt“ Katharina Müller-Elmau, die dem Hauptkommissar (Robert Atzorn) kein Glück bringt. Das Drehbuch stammt erneut von Stefan Cantz und Jan Hinter, den Vätern des „Tatort“ aus Münster, die die kriminalistische Ebene auch diesmal wieder um amüsante, aber gut integrierte komische Momente bereichern. Thomas Jauch ist bei seinem Sylt-Debüt ohnehin ein angenehmer Erzählfluss gelungen, in den sich die stimmungsvollen Inselbilder harmonisch fügen.

Originell ist das Titelwortspiel vielleicht nicht, aber vermutlich konnten Stefan Cantz und Jan Hinter einfach nicht widerstehen: Wilfried König heißt nicht nur so, er ist es auch, und weil der Mann von Thomas Thieme verkörpert wird, ist er kein besonders netter König. Trotzdem könnte man fast Mitleid mit ihm haben, denn als der „König von Sylt“ eines Abends nach einem anstrengenden Tag heimkommt und sich auf die Champions-League im Fernsehen freut, erlebt er eine böse Überraschung: In seinem Bett liegt ein nackter schwarzer Mann, unter sich eine riesige Blutlache. König kennt ihn besser, als ihm lieb ist: Samy war nicht nur sein Fitnesstrainer, sondern auch sein Geliebter. Wenn das rauskäme, wäre alles ruiniert: sein Ruf, seine Ehe sowie seine politische & wirtschaftliche Karriere. Zum Glück steht schon sein Freund Gunnar (Klaus J. Behrendt) vor der Tür; die beiden waren zum Fußball verabredet. Gunnar ist Arzt, erkennt auf den ersten Blick einen zwar stümperhaft durchgeführten, aber effizienten Suizid und lässt sich von König überreden, die Leiche auf dem Meer zu entsorgen.

Cantz und Hinter sind die Väter des „Tatort“-Ermittlerduos aus Münster. Die beiden stehen also für eine in der Regel sehenswerte Kombination aus Krimi und Komödie. Beim „Tatort“ ist das Verhältnis der in dieser Tradition entstandenen Drehbücher nicht immer ausgewogen, aber bei „Nord Nord Mord“ stimmt die Mischung, und in „Clüver und der König von Sylt“ ist sie gelungen: Die Krimihandlung steht eindeutig im Vordergrund, weil auch die komischen Momente Teil der Geschichte sind. Diese Ebene wurde von Anfang von Oliver Wnuk verkörpert. Robert Atzorn mag der Titelheld sein, doch es ist Wnuk, der als Clüvers streberhafter Mitarbeiter Hinnerk Feldmann den Unterschied zu anderen Reihen ausmacht.

Cantz und Hinter bedienen sich zwar des Zufalls, um Feldmann ins Spiel zu bringen, aber das lässt sich verschmerzen: Feldmann und seine Mitbewohnerin und Kollegin Behrendsen (Julia Brendler) schauen sich in einem Elektromarkt nach einer neuen Waschmaschine um. Auf dem Parkplatz findet Feldmann eine teure Schweizer Uhr. Weil auf ganz Sylt nur ein Geschäft diese Uhren verkauft, ist die Besitzerin rasch ausfindig gemacht: Die nicht mehr ganz junge Ulla Schöne (Hedi Kriegeskotte) hatte ebenfalls ein Verhältnis mit Samy und ihm die Uhr geschenkt. Kurz zuvor haben zwei Jugendliche Clüver erzählt, sie hätten in der Nacht auf dem Parkplatz beobachtet, wie zwei Männer eine Leiche von einem Auto ins nächste verfrachten. Weil die Jungs bekifft und betrunken waren, hat Clüver ihnen nicht geglaubt. Nach dem Fund der Uhr sieht er das anders; es gibt zwar keine Leiche, aber das Trio ermittelt trotzdem. Derweil bekommt König Post, die ihm gar nicht gefällt: Jemand hat ihn und Gunnar mit dem toten Samy fotografiert und erpresst ihn nun. Als das Fahrrad des Fitnesstrainers in der Nähe seines Hauses gefunden wird und die Kriminaltechniker Rückstände der Blutlache entdecken, steht König endgültig mit dem Rücken zur Wand. Abgesehen von der Frage, wer König erpresst, ist der Fall klar; bis Feldmann und Behrendsen im Elektromarkt einen Geist treffen.

Nord Nord Mord – Clüver und der König von SyltFoto: ZDF / Simon Vogler
Hat der Unternehmer, Kunstsammler und Bürgervorsteher Wilfried König (Thomas Thieme) seinen Fitnesstrainer ermordet?

Die Geschichte hat einige Überraschungen wie diese zu bieten, und weil die Reihe spätestens seit der Scheidung des Hauptkommissars auch „Clüver und die Frauen“ heißen könnte, gibt es auch diesmal wieder eine romantische Ebene mit großer emotionaler Fallhöhe: Königs Frau Brigitta (Katharina Müller-Elmau) war einst zwischen ihrem zukünftigen Gatten und Clüver hin und hergerissen, hat sich dann aber fürs Geld entschieden. Seither verbindet die beiden Männer, die sich schon seit der Schulzeit kennen, eine herzliche Abneigung, und selbstredend betrachtet König die Ermittlungen gegen ihn als Clüvers späte Rache. Der wiederum macht sich immer noch was aus seiner einstigen Tennispartnerin, was zu einer schönen besinnlichen Szene führt, als der Kommissar einsam im Tennisclub in einem alten Fotoalbum blättert.

Es gehört zur besonderen Qualität dieses Films wie auch der gesamten Reihe, dass solche Momente nicht wie vorgegebene Elemente wirken, die irgendwie in die Handlung integriert werden müssen. Clüvers vergebliche Liebesmühen mögen zwar ebenso wie die Auftritte Wnuks zum Markenkern von „Nord Nord Mord“ gehören, aber sie sind Teil der Geschichte, was sicher auch das Verdienst von Regisseur Thomas Jauch ist. Gerade bei den kleinen Comedy-Einlagen ist das eine besondere Herausforderung, weil so etwas leicht zum Fremdkörper werden kann. Es gibt vermutlich nicht viele Schauspieler, die selbst aus dem Verzehr eines harmlosen Plätzchens eine beinahe clowneske Nummer machen können; Wnuk spielt das ebenso beiläufig wie Feldmanns Verblüffung, als ihm die Uhrbesitzerin als Finderlohn für die 16.000 Euro teure Uhr eine Tafel Schokolade in die Hand drückt. Auch Atzorn hat so einen Augenblick, als er einen Ex-Kollegen und heutigen Privatdetektiv (Marek Erhardt) besucht. Der Mann reicht ihm am helllichten Tag ein Bier, das Clüver genauso selbstverständlich entgegen nimmt. Als die Flasche schon auf dem Weg zum Mund ist, deutet Atzorn mit einem kaum merklichen Zögern an, wie Clüver durch den Kopf geht, dass er eigentlich im Dienst ist. Ein winziger Moment; aber wahre Schauspielkunst.

Jauch sorgt zudem für einen sehr harmonischen Erzählfluss, in den auch die schmuckvollen Zwischenschnitte gut integriert sind, seien es die abendliche Atmosphäre gleich zu Beginn, die imposanten Nordseewellen mit Regenbogen oder der herbstlich-melancholische Strand im Nebel (Kamera: Moritz Anton). Aber nicht nur die Landschaft sorgt für schön gefilmte Augenblicke. Die nächtliche Parkplatzaufnahme, als sich die beiden Autos mit langsam aufschwingenden Heckklappen einander wie zwei Liebende nähern, erinnert an Szenen aus Weltraumfilmen, wenn eine Kapsel an einer Raumstation andockt. Ähnlich stimmungsvoll wie das Bild von Clüver im Tennisclub ist eine Einstellung, die Behrendsen und Feldmann, die sich sonst dauernd kabbeln, friedlich im Waschsalon zeigt. Als Kontrast dient Thomas Thieme, dessen Gesicht Jauch und Anton immer wieder in bildschirmfüllender Nahaufnahme zeigen, als wollten sie die Bedrohlichkeit dieses Mannes eigens betonen; auch wenn das bei einem Typ wie Thieme eigentlich nicht nötig ist. Sehr schön sind auch die Dialoge, die alltagsnah klingen, aber dennoch mit Sorgfalt formuliert worden sind. Die gute Musik (Dominik Giesriegl), ohnehin ein Markenzeichen der ZDF-Filme, unterstreicht die verschiedenen Stimmungen, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. (Text-Stand: 24.8.2017)

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Reihe

ZDF

Mit Robert Atzorn, Oliver Wnuk, Julia Brendler, Thomas Thieme, Klaus J. Behrendt, Katharina Müller-Elmau, Waldemar Kobus, Tyron Ricketts, Hedi Kriegeskotte, Marek Erhardt

Kamera: Moritz Anton

Szenenbild: Thorsten Lau

Schnitt: Dirk Grau

Musik: Dominik Giesriegl

Kostüm: Helmut Ignaz Meyer

Produktionsfirma: Network Movie

Drehbuch: Stefan Cantz, Jan Hinter

Regie: Thomas Jauch

Quote: 6,52 Mio. Zuschauer (22,3% MA)

EA: 20.09.2017 20:15 Uhr | ZDF

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach