Während Hauke Jacobs (Hinnerk Schönemann) und Hannah Wagner (Jana Wagner) entspannt einem vermeintlich ereignislosen Tag entgegensehen, lauert in einem anderen Haus in Schwanitz das Verbrechen. Simon Rost (Rainer Furch), Chef des Hamburger Zeugenschutzes, ist beunruhigt. Was macht dieses Pärchen (Nadine Quittner, Matti Krause) mit Baby da in der Einfahrt? Sekunden später liegt eine Frau mit Kopfschuss auf dem Asphalt. Danach stürmen die beiden das Haus, es entbrennt ein wilder Schusswechsel, dessen Augenzeugin ein Waisenkind wird, das sich zufällig in dem Haus befindet. Jene Paula (Alissa Lazar) kann zwar mithilfe von Mehmet Ösker (Cem Ali Gültekin) flüchten, doch das Profikiller-Duo heftet sich an ihre Fersen. Bisher hat es ganze Arbeit geleistet: vier Tote, darunter auch Rost. Jacobs geht der Tod jenes Mannes, der ihm einst das Leben gerettet hat, sichtlich nahe, und er hat Zeit, seiner Trauer nachzugeben, da eine Kollegin vom LKA, Eva Wendt-Dietrichshagen (Stephanie Kämmer), den Fall übernimmt. Derweil haben die Auftragsmörder im Hotel von Bine Pufal (Victoria Fleer) eingecheckt, um sich später in Ruhe im Waisenheim „umsehen“ zu können. Und auch in der Tierarztpraxis von Jule Christiansen (Marleen Lohse) schauen die beiden später vorbei. Doch sie sind nicht die Einzigen, von denen Gefahr ausgeht.
Foto: NDR / Gordon Timpen
Auch in der 21. Episode erlaubt sich die erfolgreiche ARD-Reihe „Nord bei Nordwest“ keine Durchhänger. Leicht ironisierte Genre-Gewalt bricht in den geruhsamen norddeutschen (Beziehungs-)Alltag ein. Dieses Grundprinzip der von Grimme-Preisträger Holger Karsten Schmidt erfundenen Reihe wird in „Kobold Nr. vier“ besonders tonlagenreich variiert. Gleich in der ersten Szene liegt Hannah Wagner – allerdings ohne Absicht – in den Armen von Hauke Jacobs. Diesem launig-lockeren Einstand und einem stimmungsvollen Strand-Ritt der Dritten im Bunde, Tierärztin Jule, gerät das Todeshaus in den Blick. Hier herrscht eine leicht angespannte Ruhe, bevor der besagte bleierne Baller-Sturm über alle hereinbricht. Ein Kind, zwei Killer, vier Tote, eine selbstbewusst-robuste, auffällig gendernde Kollegin aus Hamburg und ein Zettelchen mit der Aufschrift „Kobold Nr. vier“: Das sind die Krimi-Ingredienzien, mit denen Schmidt einen durchweg spannenden Fall gebaut hat, der auf der Zielgeraden noch an Wucht und Rasanz gewinnt. Eine Verfolgungsjagd mit zwei Motorrädern und ein Todeskampf in der Tierarztpraxis werden so geschickt miteinander verschnitten, dass es den Eindruck hat, als ob „Nord bei Nordwest“ unter die Action-Krimis gegangen wäre. Action allerdings mit großer psychologischer Dramatik: Denn die lebensbedrohliche Situation mehrerer lieb gewonnener Charaktere ist das Herzstück dieser bewegten Parallelmontage.
Die Schmidt-typisch mit kleinen, feinen Brechungen und hübschen Kleinigkeiten versehene „Handlung“ ist von Serien-Regisseurin Steffi Doehlemann („Der Staatsanwalt“) mit einer klaren Handschrift filmisch umgesetzt worden. Das Kamerakonzept lautete offensichtlich: Zwielichtige Charaktere benötigen ein zwielichtiges Ambiente. Und weil die vielen Toten, der nachdenklich bis tief betrübt gestimmte Hauke Jacobs, ein mit dem Tod bedrohtes Kind oder ein Waisenheimleiter, der über den katastrophalen Zustand der Welt jammert, kein Stoff für sonnige Wohlfühlbilder sind, wird „Kobold Nr. vier“ in teilweise auffallend düsteren Bildern (Kamera: Oliver-Maximilian Kraus) erzählt. Diese Ausleuchtung passt auch zu den unterschätzten „Streifenhörnchen“, die gewohnt lange den Fall betreffend im Halbdunkel tappen und dem Zuschauer deutlich hinterherhinken. Diese relaxte Art von Suspense bleibt im Übrigen ein dramaturgisches Markenzeichen der NDR/Degeto-Reihe: Bei „Nord bei Nordwest“ begibt sich der Zuschauer in der Regel nicht gemeinsam mit den Ermittlern auf Tätersuche, sondern er kann sich selbst seinen Reim machen auf die mörderischen Ereignisse und sich mitunter – besonders wie in dieser Geschichte – um eine bedrohte Figur ängstigen.
Foto: NDR / Sandra Hoever
Trotz dieser dunklen Momente werden jede Menge komischer Kostbarkeiten aus der Episode in Erinnerung bleiben. So hat das Bestatter-Duo wieder ein paar wunderbare Szenen. „Wir haben einen Leichenfund“, dieser Satz aus dem abgehörten Polizeifunk zaubert sogleich ein Lächeln auf das Gesicht von Frau Bleckmann (Regine Hentschel). Später malen sie und Herr Töteberg sich bei „Spiel mir das Lied vom Tod“ aus, welche Karriere sie wohl im Wilden Westen gemacht hätten. „Vielleicht sollten wir weg aus Schwanitz. Irgendwohin, wo mehr gestorben wird“, schlägt der Kollege vor. „Die Leute sind hier ja so langlebig.“ Obwohl, wirft Bleckmann ein: Sturmfluten, die vielen Hospize und die Landstraßen mit Alleen. Auch wieder wahr. Also doch weiterhin Schwanitz. Dann stört der trauernde Jacobs den Plausch bei Sekt & Video. Und die Bestatterin strahlt: „Herr Jacobs, vielen Dank für die vielen Neuzugänge heute.“ Doch der strahlt nicht zurück, denn er will sich verabschieden von seinem Freund Rost. Die beiden schalten um auf pietätvoll. Der Polizist im Totenraum. Auch danach bleibt seine bittere, finstere Miene; entsprechend beantwortet er den routinierten Bestatter-Trost ungewohnt barsch. Diese Sequenz ist ein Musterbeispiel für die sehr gelungenen, nahtlosen Übergänge zwischen den Tonlagen, von hintersinnig komisch zu todernst. Und wer hätte gedacht, dass es Mehmet Ösker (Cem Ali Gültekin), den lustigen Sidekick, mal in eine Situation verschlägt, in der er in Todesgefahr gerät – und diese Szene richtig gut funktioniert!
1 Antwort
Bitte NICHT gendern!!!
Es passt einfach nicht zu dieser genialen Fernsehreihe!!!
Bis jetzt war es jedesmal ein Highlight eine neue Folge zu sehen, frei von der ganzen Genderei!
Es verfälscht einfach nur den Charakter!