„Horrorfreundlich, horrorwitzig, horrorlieb“, so sieht Teenager Natascha ihre Mutter Jenny. Und auch Stiefvater Stefan ist für sie der allerbeste: „immer lustig, immer großzügig, immer gutgelaunt.“ Doch damit ist es jetzt erst mal vorbei. „Wenn Ihr Harzer werdet, bin ich nicht mehr eure Tochter“, kommentiert das verzogene Gör den sozialen Abstieg der schon selbst hinreichend bedienten Eltern. Der erfolgsverwöhnte Bauunternehmer wollte seine Angebetete mit einer eigenen Praxis überraschen, jetzt überrascht er sie mit einer Totalpleite. Gut, dass wenigstens das Wohnmobil Jenny gehört, so haben die drei zumindest ein Dach über dem Kopf. Und bald haben die sozial Gestrandeten mit dem Campingplatz „Paradies“ auch einen Ort gefunden, an dem sie, nachdem die Frauen den Armutsschock verarbeitet und Stefan seine Depressionen einigermaßen überwunden hat, erst einmal wieder durchatmen können. Die Leute, die hier dauerhaft ihre Zelte aufgeschlagen haben, sind gar nicht so unmöglich, wie es auf den ersten Blick den Anschein hatte. Man nähert und freundet sich an – und bald schmiedet man sogar gemeinsam Pläne, wie die einen ihren finanziellen Schlamassel bewältigen und wie die anderen den geliebten Campingplatz am See behalten können.
Soundtrack: u.a. Katie Melua („What a wonderful World“), Roy Orbison („Pretty Woman“), Martina McBride („You ain’t woman enough“), Badly Drawn Boy („A Minor Incident“ & „I love N.Y.E.“), Adele („Don’t you remember“), Keane („Silenced by the Night“), Bruno Mars („Count on me“)
Foto: ZDF / Erika Hauri
„Neue Adresse Paradies“ zeigt, wie’s gehen kann – mit dem materiellen Niedergang, dem Prinzip Gemeinschaft und dem Besinnen auf emotionale Werte. Diese komödiantische Versuchsanordnung ist zwar allzu sehr auf Sommer, Sonne, Seeblick, auf „die da oben“ contra „wir da unten“ und auf Happy End getrimmt, auch wird das Wohlfühlmaschinchen überdeutlich mit „Herzkino“-Momenten angetrieben und ein Film, nach dessen Dramaturgie sich die Uhr stellen lässt, ist in der Regel kein großer Wurf. Doch die psychologische Auslotung, der Umgang mit der sozialen Schmach, die persönliche Scham in all ihren Facetten, ist im Rahmen eines „Nur“-Genrefilms überzeugend gelungen. Vor allem Martin Brambach findet eine Vielzahl an emotionalen Zwischentönen und wenn er auf die Gefühlstube drückt, kriegt auch der coolste Zuschauer feuchte Augen. Wie sein Stefan die Stieftochter mit seiner Offenheit und entwaffnenden Ehrlichkeit zurückgewinnt – das ist klein & fein gespielt und doch ein Beispiel für großes Gefühlsfernsehen ohne peinlichen Beigeschmack.
Auch das skurrile Typen-Kabinett harmoniert in seiner Gesamtheit bestens – und doch behält jeder ein Stück weit seine Individualität und seine Würde sowieso. Das gilt im Übrigen auch für die Handlung: das umfassende „Regelwerk“ der Camper, ein kleiner Seitenhieb in Richtung „typisch deutsch“, stellt sich bald als gar nicht mehr so rigide heraus. Leben und leben lassen ist eigentlich das Motto dieser bunten Truppe aus sogenannten „liebenswerten Losern“ und Gartenzwerg-Fetischisten. Gelungen ist auch die Song-Auswahl des Soundtracks. Und so erweist sich „Neue Adresse Paradies“ – trotz des sich selbst verordneten Komödien-Korsetts – am Ende dann doch als ein Stück gute Unterhaltung mit Wohlfühlgarantie!