Lisa Hirth ist eine Berliner Streetworkerin aus Leidenschaft. Als eine ihrer Schutzbefohlenen vermisst und ihr Handy wenig später im Ostseebad Darß geortet wird, steckt die Frau mit dem ausgeprägten Helfersyndrom bald mittendrin in einem Serienmörderfall. Lisa war schon einmal auf der Halbinsel, als wilder Teenager, kurz nach der Wende. „Tea Culpa“ steht eingeschnitzt in die Bank, auf der sie einst mit ihrem Urlaubsflirt Enno geknutscht hatte. Ein Meer voller Zeichen beunruhigt die Streetworkerin. Insgesamt sieben „Problemmädchen“ sind ihr in den letzten Jahren abhanden gekommen. „Der Fall hat was mit Ihnen zu tun“, ist sich der Polizeipsychologe sicher, der das LKA und die Polizei vor Ort unterstützen soll. Die Zusammenarbeit klappt nur mäßig – bis jener Dominik Hofer Lisas Urlaubsliebe Enno als möglichen Täter ins Spiel bringt. Was ist geschehen vor 22 Jahren hier in einer Ostseenacht?
„Mord in den Dünen“ ist ein (etwas zu) straight erzähltes Krimi-Drama mit leisen Thriller-Momenten. „Das ist ein großer Fall, etwas Außergewöhnliches. Sie stecken mittendrin, Frau Hirth“, prophezeit bereits in der ersten Szene der etwas skurrile Polizeipsychologe sehr gewichtig, zielführend und mit bedeutsamem Blick aufs Meer. Danach geht es zwei Wochen zurück. Eine einfallslose Köder-Exposition mit Rückblende, wie sie das ZDF für sich gepachtet zu haben scheint. Schon in Berlin passierten merkwürdige Dinge. Ein Dobermann bedroht die Heldin, jemand scheint in ihren Wagen eingebrochen zu sein – und eine verschlüsselte Nachricht vom Handy des verschwundenen Mädchens entpuppt sich als ein alter Jackson-5-Song: „I’ll be there“ – Ich werde da sein. In Darß ist der Jugendfreund sofort hilfreich zur Stelle, der Psychologe orakelt im Serienmörder-Sprech: „Das ist ein Spiel und wir werden die Spielregeln brechen – und nicht suchen…“ Und auch für die angespannte Frau aus Berlin hat er – am Rande der Unverschämtheit – die richtige Diagnose parat: „Sie helfen anderen, weil es die Leerstellen in Ihrem eigenen Leben ausfüllt.“ Jeder weiß (deshalb bald auch der Zuschauer), wie jene Lisa tickt und was sie braucht. Auch die Freundin bei der Polizei: „Du brauchst Urlaub und du brauchst ’nen Kerl.“ Beides wird Lisa vorläufig (!) nicht bekommen. Ganz so plump macht das Johannes Betz („Der Tunnel“) dann doch nicht.
Dieser ZDF-Montagsfilm von Tim Trageser setzt auf Altbekanntes. Es sind die immergleichen Versatzstücke dieser frauenbewegten Krimidramen im ZDF. Eine patente, bodenständige Frau, die zwar nicht leicht zu erschüttern, aber psychisch angeschlagen ist, steht im Mittelpunkt. Immer häufiger wird dafür Anna Loos genommen – insbesondere dann, wenn die viel beschworenen „Schatten der Vergangenheit“ auf die Geschichte fallen. So gut auch ihr Film „Die Lehrerin“ ist, in dem sie mit Axel Prahl und vor allem Meret Becker starke Gegenpole bekam, so sehr bedient sie doch dieses deutsche Krimidrama-Gesicht: ernst, nachdenklich, betroffen, dazu etwas Aggressivität, die sich in der Looschen Patzigkeit äußert. Das passt durchaus zum Rollenprofil, aber nach dem dritten Mal wird’s langweilig. Wie die Filme selbst.
Handwerklich und atmosphärisch ist „Mord in den Dünen“ alles andere als schlechtes Fernsehen. Vor allem Karl Markovics ist eine Klasse für sich. Wenn der Film vor vier Jahren im Programm gewesen wäre, hätte er mindestens 4 Sterne bekommen. Aber so? Versuchen – zumindest unsere besten – Krimireihen von Fall zu Fall, von Film zu Film unterschiedliche Handschriften zu entwickeln, gibt es ein Krimi(drama)-Fernsehfilm im ZDF, das sich mehr als manche Reihe zu einer Art Format-Fernsehen entwickelt: dieselbe Dramaturgie, ähnliche Figurenkonstellationen und immer wiederkehrende Besetzungen. „Mord in den Dünen“ ist ein Paradebeispiel dafür. Wer nur ab und zu am Montag reinschaut und diese Frauen-Krimi-Drama-Farbe mag – der wird sich gut unterhalten. Wer öfters ZDF schaut und vom Fernsehen auch mal mehr erwartet als solides Spannungs-TV – der dürfte enttäuscht sein!