Mord geht immer – Der Koch ist tot

Haberlandt, Kowalski, Rogall, Sehr. Die seltsamen Methoden der Maxxie Schweiger

Foto: ZDF / Martin Valentin Menke
Foto Rainer Tittelbach

Nach „Der Chef ist tot“ (2017) bekommt die von Fritzi Haberlandt gespielte Maxxie Schweiger ihren zweiten Fall. „Der Koch ist tot“ (Zieglerfilm Köln) firmiert nun unter dem Obertitel „Mord geht immer“; das ist nicht unironisch und verweist darauf, dass das ZDF sich eine Reihe mit dem erfrischenden Plappermaul vorstellen könnte. Ein spielerisches Mörder-Raten mit Augenzwinkern – kammerspielhaft, figurenorientiert und unkompliziert. Für die größte Verwirrung sorgt da mitunter die Ermittlerin selbst – denn man weiß nie so recht, ob ihre Methoden Columbo-likes Kalkül sind oder ob sie beim Lösen ihrer Fälle mehr Glück als Verstand hat. Dramaturgisch & filmästhetisch ist dieser zweite Whodunit-Streich ausgereifter & ausgefeilter, die Besetzung gleichermaßen gut und es lohnt sich, dass Kowalski, dem man die Loriot-Schule anmerkt, diesmal mehr zu tun bekommt. Ein nicht weltbewegender, aber sehr kurzweiliger Filmspaß unter dem Motto „Das ganze Leben ist ein Krimiquiz…“

In der Küche von Chefkoch Grünweg (Dirk Borchardt) ist die Hölle los. Ein namhafter Gourmetkritiker hat sich angesagt. Das kann existenzentscheidend sein für das Restaurant „Waldesruh“, das den Sprung vom Ausflugs- zum Sternelokal schaffen möchte. Mit dem Betriebsklima steht es allerdings nicht zum Besten, jeder kocht sein eigenes Süppchen, und nach einem Streit mit dem Chef liegt der testosterongeschwängerte Saucier (Peter Miklusz) tot im Müllcontainer. Sieben mögliche Täter hat die Kommissarin Maxxie Schweiger (Fritzi Haberlandt) bald auf ihrem Zettel: die Besitzerin des Lokals, Ines Fechner (Elisabeth Baulitz), das mundfaule Schönchen (Cornelia Gröschel), dem schon mal eine heiße Pfanne aus der Hand rutscht, oder ein südländischer Kollege (Serkam Kaya); beide hatten gemeinsam mit dem Toten einen Aufstand gegen den cholerischen Grünweg geplant, der ebenso zu den Hauptverdächtigen zählt wie ein reichlich unmotivierter Kellner (Jacob Matschenz). Als Mörder weniger in Frage kommen Küchenhilfe Olga (Zeljka Preksavec), die offenbar mehr weiß, als sie der Kommissarin sagt, und jener halbseidene Restaurantkritiker (Matthias Redlhammer), der sich gern mal bestechen lässt. Die unermüdlich ermittelnde Schweiger, die dummerweise neben dem Fall auch noch das Dienstjubiläum ihres Chefs (Rudolf Kowalski) ausrichten soll, hat eine Idee, wie sie ihre beiden Aufgaben effektiv verbinden kann: Sie arrangiert ein festliches Dinner in der „Waldesruh“, bei dem sie dem verschnupften Jubilar, der von ihr genervten Kollegin (Oona von Maydell) und dem schüchternen Rechtsmediziner (Fabian Busch), auf den Maxxie ein Auge geworfen hat, den Täter präsentieren will.

Mord geht immer – Der Koch ist totFoto: ZDF / Martin Valentin Menke
Noch sind alle lebendig. Am Ende müssen zwei von ihnen ins Gras beißen: Jan Remus (Peter Miklusz), Julia Kindt (Cornelia Gröschel), Peter Grünweg (Dirk Borchardt), Thomas Ross (Serkan Kaya) und Olga Porizkova (Zeljka Preksavec)

Nach „Der Chef ist tot“ (2017) bekommt die von Fritzi Haberlandt gespielte Maxxie Schweiger – jetzt mit zwei x, um offensichtlich der extraordinären Schrägheit dieser Kommissarin Ausdruck zu verleihen – ihren zweiten Fall. „Der Koch ist tot“ firmiert nun unter dem Obertitel „Mord geht immer“; das ist nicht unironisch und verweist darauf, dass sich das ZDF bei ähnlichem Erfolg (4,43 Millionen im Mai ergaben einen Marktanteil von 15,5 Prozent) möglicherweise eine Reihe vorstellen könnte. Ein spielerisches Mörderraten mit Augenzwinkern – kammerspielhaft, figurenorientiert und unkompliziert. Für die größte Verwirrung sorgt da die Ermittlerin selbst. Diese Frau redet unentwegt, womit auch ihr Nachname einer gewissen Ironie nicht entbehrt. Ob ihre seltsamen Methoden der Ermittlungen, ihr jovialer Umgangston, ihre unverblümte Direktheit, ihr fehlendes Benehmen („Ich geh‘ erst mal zur Getränkerückgabe – Pullern“) oder ihre Übergriffigkeit, System haben oder ob diese Frau von ihrer infantilen Phase ihrer Entwicklung sich einfach nicht verabschieden will oder kann, das bleibt weiterhin eine offene Frage. Manche werden in ihr eine Art Columbo-Wiedergängerin erkennen, andere werden sie sehen als die naiv plappernde Mehr-Glück-als-Verstand-Ausgabe von Nora Tschirners „Tatort“-Ermittlerin, der Schnelldenkerin Kira Dorn. So oder so, diese Kommissarin ist eine Herausforderung – für die Tatverdächtigen, für die eigene Zunft (ihr Chef leidet sichtlich unter ihr), und für den Zuschauer. Auch der muss sich gewöhnen an diese Quasselstrippe. Aber spätestens wenn ihr Mitteilungsdrang absurde Züge annimmt, ihr Wortschwall etwas Verqueres bekommt und sich die ersten ironischen Seitenhiebe einschleichen, hat Maxxie und mit ihr die Komödie gewonnen. Selbst der fehlende Takt und das wenig ausgeprägte Mitgefühl sind im Rahmen dieses Genres eher sympathische Eigenheiten. Und dann ist da ja noch Fritzi Haberlandt („Das späte Mädchen“), diese eigenwillige Type und erfahrene Theaterschauspielerin, die – selbst noch im Drama – immer etwas neben ihren Figuren steht. Als Maxxie Schweiger darf sie (endlich auch mal wieder in einer Fernsehhauptrolle) ganz besonders aufdrehen.

Mord geht immer – Der Koch ist totFoto: ZDF / Martin Valentin Menke
Chefkoch Grünweg (Dirk Borchardt) und die Besitzerin des Lokals, Ines Fechner (Elisabeth Baulitz), haben das „Waldesruh“ gemeinsam aufgebaut, sie waren sogar mehrere Jahre verheiratet. Heute denkt jeder der beiden offenbar nur noch an sich.

Musste sich Regisseur Markus Sehr in „Der Chef ist tot“, was die ästhetischen Ambitionen seiner Inszenierung angeht, auffallend zurückhalten, kann er im sinnlichen Gastro-Ambiente von „Der Koch ist tot“ filmisch attraktiver erzählen. Nach dem peppigen Vorspann im Splitscreen-Look interpretiert er in der Exposition die Gourmetküche als einen zwischenmenschlichen Kriegsschauplatz. Die Szene ist rasant geschnitten, die Küchenaccessoires, vom Knochenbeil zum Kochmesser, sind telegen und die Lebensmittel appetitlich ins Bild gerückt. Ein Trommelwirbel deutet an, dass hier noch mit einer Pointe gerechnet werden kann. Es steht etwas auf des Messers Schneide. Und so schnappt sich denn auch der Saucier ein eben solches. Das aber ist nur eine Drohgebäre. Denn er ist wenige Filmsekunden später das Opfer: „Und was wird das jetzt?“, fragt er in Richtung Kamera, hinter dessen Blick sich der Täter verbirgt. Ein starker, kompakter Einstieg. Vor dem Stich in die Weichteile des Küchen-Casanovas kommt der Schnitt – und statt der Blutszene am Tatort sehen wir Maxxie Schweigers Büromixer in Großaufnahme, einen blutroten Smoothie pürieren. Dann klingelt das Telefon. Die vom Chefjubiläum genervte Kommissarin hebt ab: „Es ist gerade ungünstig. Es sei denn, Sie haben einen hübschen, fiesen Mord für mich.“ Damit kann der Anrufer dienen. Und strahlend mit einem Queen-Song im Ohr macht sich Schweiger auf den Weg. Angekommen in der „Waldesruh“ steigt sie in freudiger Erwartung aus dem Wagen, dass dieser in ihrem Rücken davonrollt, entgeht ihrem unbestechlichen Ermittlerblick. Also wohl doch weniger Columbo und mehr Inspektor Clouseau, wobei die Fettnäpfchen, in die sie vorzugsweise tritt, sprachlicher Natur sind, was sich sogleich im Gespräch mit der Restaurant-Besitzerin andeutet. „Ich dachte Sie wären ein Gast.“ Daraufhin Maxxie: „Naja, bisschen Kohldampf hätt‘ ich schon.“ Nicht nur diese ersten sieben Minuten sind äußerst flüssig und abwechslungsreich inszeniert. Auch später werden die Situationen immer wieder klug mit Blicken choreographiert – wodurch der Zuschauer in die Handlung aktiv hineingezogen wird. Ähnlich wie die erzählten, oftmals nur hypothetischen Rückblenden sind solche Momente ein angenehmer Kontrast zum Redeschwall der Kommissarin.

Sehr viel sexier als die Büroräume des Logistikbüros in „Der Chef ist tot“ ist nun das Ausflugslokal als Hauptschauplatz. Das ist vor allem auch eine kluge Drehbuchentscheidung. Ein solcher Ort passt gut zu diesem Agatha-Christie-liken Krimi-Typus. Die Abgeschiedenheit von der Stadt trägt zur Konzentration der Handlung bei, sie passt aber auch zur dramaturgisch-komödiantischen Überhöhung der Geschichte. Die Nähe zur Natur macht sich ebenso gut – da gibt es Ausflüge zum See, mal mit mal ohne Leiche. Eines Nachts schleppt der Mörder, aufgescheucht von der Kommissarin, einen weiteren Toten durchs Unterholz; der wurde diesmal mit dem Fleischklopfer erlegt. Auch dramaturgisch wirkt einiges ausgereifter und ausgefeilter als im ersten Film; auch das Komödien-Spiel der Schauspieler ist einheitlicher als in „Der Chef ist tot“, in dem die einen Dramödie und die anderen Comedy spielten. In „Der Koch ist tot“ besitzt allein Haberlandt Narrenfreiheit. Ein Gewinn ist Fabian Busch als Rechtsmediziner und verunsichertes Objekt von Maxxies Begehren, schön auch, dass Rudolf Kowalski, dem man die Loriot-Schule hier deutlich anmerkt, diesmal mehr zu tun bekommt. Und weil die Geschichte allein als Whodunit ihre Daseinsberechtigung hat und sie so ganz & gar nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat, stört es auch nicht, dass sie null Psychologie besitzt. Für die aufgekratzte Heldin ist das Ermitteln eine große Gaudi. „Wer ist es denn?“, will die Kollegin wissen. „Das ist ‘ne Überraschung, also, heute Abend.“ Das ganze Leben ist ein Krimiquiz – und die Zuschauer sind die Kandidaten in diesem keineswegs weltbewegenden, aber 90 Minuten lang doch äußerst kurzweiligen Rate-Spiel. (Text-Stand: 17.12.2018)

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Reihe

ZDF

Mit Fritzi Haberlandt, Rudolf Kowalski, Dirk Borchardt, Elisabeth Baulitz, Cornelia Gröschel, Fabian Busch, Oona von Maydell. Jacob Matschenz, Matthias Redlhammer, Zeljka Preksavec, Serkan Kaya, Peter Miklusz

Kamera: Andreas Köhler

Szenenbild: Stefen Schmitt

Kostüm: Ulrike Scharfschwerdt

Schnitt: Stefen Schmitt

Soundtrack: Queen („Don’t Stop Me Now“ / „Another One Bites The Dust“ / „Radio Gaga“ / „Somebody To Love“)

Redaktion: Martin R. Neumann

Produktionsfirma: Zieglerfilm Köln

Produktion: Thorsten Flassnöcker

Drehbuch: Stefan Rogall

Regie: Markus Sehr

Quote: 4,52 Mio. Zuschauer (13,5% MA)

EA: 23.01.2019 20:15 Uhr | ZDF

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