Raus aus der Hektik der Großstadt, um mal wieder die Stille wahrzunehmen. Therapeutin Hannah (Birge Schade) ist überzeugt davon, dass dies das Richtige ist für ihre fünf Patienten, bei denen sich mit der wöchentlichen Therapiestunde ein sich anbahnender Burnout kaum wird aufhalten lassen. Da ist Gudrun (Jutta Speidel), Anfang 60, die vor lauter negativer Gedanken und Todesphobien nicht mehr aus ihrem Wohnzimmer herauskommt. An ihrer Seite der frisch pensionierte Herbert (Walter Kreye), 40 Jahre Hospizangestellter, der endlich etwas Schöneres von der Welt sehen möchte als den Tod. Da ist Silvia (Stefanie Stappenbeck), die Lehrerin mit Hang zur Kaufsucht, mit zwei Kindern, ohne Mann, dafür mit einem Tinitus. Sie muss sich das Zimmer teilen mit dem windschnittigen „Unternehmensoptimierer“ Johann (Max von Pufendorf), der seinen Stress als größte Lust empfindet und nur durch einen Trick seiner Assistentin in dem Waldhotel in der Märkischen Schweiz gelandet ist. Ebenfalls auf der Suche nach dem seelischen Gleichgewicht sind die ewige Praktikantin Rosa (Paula Kalenberg) und die arbeitslose Frohnatur Alfred (Martin Brambach). Sie leidet vor allem unter der multioptionalen Welt und hat Entscheidungsprobleme, er hat einfach nur eine tiefe Trauer und Riesenwut in sich. In vier Tagen und drei Nächten glaubt Hannah, diesen grundverschiedenen Menschen entscheidende neue Perspektiven für ihr verfahrenes Leben geben zu können.
Foto: Degeto / Reiner Bajo
Wer vieles bringt, wird manchem (oder vielleicht sogar jedem?) etwas bringen. Was schon Goethe recht war, ist der Degeto billig. „Mit Burnout durch den Wald“ ist ein vorbildlicher Ensemblefilm, der in Hinsicht auf den ARD-Freitagstermin alles richtig macht. Der Film von Michael Rowitz nach Markus B. Altmeyers Drehbuch ist zielgruppenintelligent – sprich: quer durch mehrere Altersklassen – und vor allem wunderbar besetzt, was ihm den Spagat am Freitagabend zwischen Herz-Schmerz-Liebhabern und Zuschauern, die an modernen Themen und abwechslungsreichen Dramaturgien interessiert sind, erleichtern dürfte. Mit Jutta Speidel und Stefanie Stappenbeck als „Zugpferden“ ihrer Generation, kombiniert mit dem Zeitthema Burnout, das bei dieser Besetzung nicht allzu Schwergewichtiges erwarten lässt, dürfte man auch gegen die ZDF-typische Krimi-Konditionierung des Zuschauers am Freitag – was die Quote angeht – etwas ausrichten können. Aber auch in der beliebten Fernsehfilm-Kategorie „Selbstfindungsfilm“ überrascht „Mit Burnout durch den Wald“ überaus angenehm.
Schauen andere Filme dieser frauenaffinen Film-Gattung in der Regel nicht über den Tellerrand der Puppenhauswelt ihrer Heldinnen, holt Autor Altmeyer hier einen Querschnitt der Gesellschaft ins Boot. Selbstredend zielt das Ganze auf Konsens und Komödie, die Gegenpositionen („Schuld ist doch die Gesellschaft“ – „Ja, immer schön die Schuld auf andere schieben“) sitzen stets mit im Kreis der Ruhesuchenden. Verharrten früher die Wohlfühlmärchen der Degeto allein im Schoß der Familie, etablierte sich zuletzt ein an vor allem weiblicher Freundschaft orientiertes Subgenre („Die Dienstagsfrauen“), das nun mit diesem Burnout-Lebenshilfe-Dramolett vor allem dramaturgisch noch einen Schritt weiter geht. Diese flüchtige Gemeinschaft entpuppt sich erwartungsgemäß als Glücksbringer, jeder Zimmernachbar fungiert als ein Mensch, der dem anderen die Augen öffnet. So entdeckt jeder neue Seiten an sich und manch ein Teilnehmer bald auch am anderen – dabei ist immer genügend Selbstreflexion und -ironie bei den teilweise recht selbstanalytischen Figuren im Spiel, um das Ganze nicht zum filmischen Ratgeberseminar zu machen. Ohnehin hat der Drehbuchautor klugerweise den Therapiekritiker im Zuschauer gleich mit mehreren Stellvertretern in die Filmhandlung eingebaut. Zahlreiche Happy Ends werden in Aussicht gestellt, größtenteils auch erfüllt, aber in einigen Fällen ganz anders als erwartet. Die Figuren verkommen nicht zu Ideenträgern (was sicher auch an der Top-Besetzung liegt); dementsprechend ist Identifikation möglich (ganz im Sinne Goethes). Auch die erfolgreiche Therapeutin ist vor so manchem psychischen Problem selbst nicht gefeit. Hat sie sich vielleicht auch übernommen? „Sich realistische Ziele setzen“, lautet einer ihrer wichtigsten Grundsätze, um so die Erwartungen runterzuschrauben. Aber sechs Burnouts in vier Tagen?!
Foto: Degeto / Reiner Bajo
Fazit: „Mit Burnout durch den Wald“ ist ein Film, der Brücken baut nicht nur in seinen Geschichten von stressgeplagten Großstädtern, die auf der Suche nach mehr Lebensqualität sind, sondern auch Brücken zwischen dem alten und dem neuen ARD-Sendeprofil am Freitag, zwischen den Generationen, ja vielleicht sogar auch zwischen den Geschlechtern.