Nadja ist gerade 16 geworden. Als sie das erste Mal eine Nacht durchmacht, die Eltern belügt und der Vater zufällig mitbekommt, dass sie am liebsten heimlich mit ihrem Freund nach Indien durchbrennen würde, wiegelt der Vater noch ab: „Das ist alles ganz normal, Teenager brauchen Geheimnisse.“ Doch es mehren sich die Anzeichen, dass etwas nicht stimmt mit der Tochter. Und wer ist überhaupt dieser Robi? Nachdem die Eltern den 23-jährigen Freund ihrer Tochter kennen gelernt haben, sind sie nicht unbedingt beruhigter. Dann kommt ein nächtlicher Anruf der Polizei: Robi hat Nadja geschlagen. Dennoch will sie lieber bei ihm sein als bei ihren Eltern. Der Vater prügelt sich mit Robi, die Tochter büxt aus, ist verschwunden, kommt irgendwann wieder völlig fertig nach Hause, wird in der Wohnung eingesperrt, bricht aus, kommt abermals zurück, verspricht, zur Schule zu gehen, schwänzt, taucht unter, lebt auf der Straße. Die Liebe zu Robi und Drogen haben sie fest im Griff. Robi ist Junkie.
Die Dramaturgie der Sucht entspricht nicht unbedingt der Dramaturgie eines guten Films. Das ständige Auf und Ab, das sprunghafte Verhalten, der Hang zur Lüge lassen einen kontinuierlichen Spannungsaufbau nicht zu. Anders verhält es sich mit dem Wechselbad der Gefühle, dem die Eltern eines Süchtigen ausgeliefert sind. Autorin Konstanze Breitebner tat deshalb gut daran, „Meine Tochter nicht!“ aus der Perspektive der leidenden Eltern zu erzählen und den Zuschauer zum Mitleiden zu verleiten. Die Sorge der Eltern um ihre Kinder ist universal. An diesem „Gefühl“ packt einen der Film. Man hat den Eindruck, dass alles rund um die Menschheitsgeisel Drogensucht gut recherchiert wurde: das Wesen der Krankheit, die staatlichen Möglichkeiten der Hilfe, die psychologischen Dispositionen (der Pubertät), das Familiensystem. Man bekommt einiges mit vom Thema, ohne es mit einem explizit aufklärenden Film zu tun zu haben. In Wien träumt längst keiner mehr von Kokain.
„Meine Tochter nicht!“ zeigt ein Jahr aus dem Leben eines Elternpaars zwischen Ohnmacht und Aktionismus, zwischen Hoffen und Bangen. Der Film, der die Eltern – der Fallhöhe wegen – die ersten 20 Minuten ein bisschen zu blauäugig zeichnet (was den Zuschauer, der weiß, um was es geht in diesem Film, verdrießen könnte), streift mit dem Fortgang der Handlung seine dramaturgischen Zwänge zunehmend ab. So entwickelt sich der Film zu einem Psychogramm sich sorgender Eltern. Lisa Martinek und Bernhard Schir legen einen beeindruckenden Realismus an den Tag. Die Sätze, die ihnen die Autorin, die selbst Schauspielerin ist, in den Mund legt, sind stimmig; die Art und Weise, wie die beiden sie sagen, ist perfekt. Aber auch Nikola Rudle überzeugt als trotzig gebeutelte Tochter mit vielen Gesichtern. Ein Film ohne jegliches Spekulieren, dem der Schauplatz Wien, der österreichische Zungenschlag und die Handschrift von Ausnahmeregisseur Wolfgang Murnberger („Der Knochenmann“) gut zu Gesicht stehen. Außergewöhnlich für Sat 1!