Eine Tochter kehrt aus der Sonne Miamis heim in die bayerische Provinz. Vor sieben Jahren verließ sie Hals über Kopf das Elternhaus, flüchtete nach Florida. Kaum ist sie zurück, wird sie schon von der Vergangenheit eingeholt. Die nicht gerade selbstbewusste junge Frau, die mit 17 schwanger wurde und die ihr Töchterchen in die Obhut ihrer Eltern gab, will sich endlich der Verantwortung stellen: sie möchte das Sorgerecht für ihr Kind. Doch mit dieser Forderung stößt sie bei ihrem Vater auf Widerstand. Der hält seine Tochter noch immer nicht für reif genug. Ein latent schwelender Vater/Tochter-Konflikt scheint erneut auszubrechen.
Muriel Baumeister spielt in “Meine Tochter darf es nie erfahren” eine merkwürdig verhuschte junge Frau. Wie in ein Schneckenhaus zieht sich ihre Heimkehrerin Jenny zurück, wenn sie dem Vater begegnet. Ein Patriarch alter Schule, ein angesehener Geschäftsmann, ein Macher, der glaubt zu wissen, was für seine Lieben das Beste ist, und dem sie nichts entgegenzusetzen vermag. Walter Kreye verkörpert ihn als einen machtversessenen Menschen ohne Respekt vor der Würde des anderen. Ist Dieter Retzlaff schuld an der Störung seiner Tochter? Was hat es auf sich mit Jennys Tablettenabhängigkeit, ihren Ohnmachtsanfällen, ihren Alpträumen?
Von Anfang an hat der Zuschauer die Vermutung, nach einer halben Stunde von Lutz Konermanns Film schließlich die Gewissheit, dass die Heldin in ihrer Jugend missbraucht worden ist. Ein typisches TV-Movie-Thema. Auf den ersten Blick. Produzent und Autor Hermann Kirchmann wollte den Missbrauch keinesfalls im Film stattfinden lassen. “Wir wollten vielmehr erzählen, wie das Opfer sich mit einer solchen Situation auseinandersetzt, wie es mit ihrem Schicksal fertig wird.” Die junge Hauptfigur hat den Missbrauch völlig verdrängt, erst nach und nach dringt er in ihr Bewusstsein. Kirchmann hat sich von mehreren Psychologen beraten lassen. “Jeder Dialog, jede Wendung, am Ende die Schlussfassung des Buchs sind mit ihnen durchgesprochen worden”, so der Produzent der Fontana TV. Erschütternd, aber kennzeichnend für Missbrauchsopfer: Sie fühlen sich selbst als Schuldige.
Muriel Baumeister, das ewige süße Mädel, hat sich mit dieser Rolle noch sehr viel stärker als unlängst in dem ZDF-Thriller “Die Frau, die einen Mörder liebte” von ihrem Rollen-Image entfernt. Sie spielt zwar wie so oft die Tochter aus besserem Hause, doch sie spielt sich vom Klischee ins Charakterfach. “Ernsthaft und ohne Schnickschnack” wollte sie ihre Figur geben, zurückgeworfen auf ihre Gefühle, ihre Erinnerungen, ihre Ängste. “Vor irgendwas hat Jenny immer Angst. Da ist die Retraumatisierung, das Problem mit ihrer Tochter, dann die Angst, ihren Freund zu verlieren, dann ihre Tablettensucht.” (Text-Stand: 14.11.2000)