Markus (Oliver Wnuk) steckt in einem Dilemma. Der konfliktscheue Anwalt bekommt seine Herzdame nur im Doppelpack. Urlaubsliebe Lena (Birte Hanusrichter), wegen der er – wie sein wenig mitfühlender Vater (Wolfgang Michael) es ausdrückt – wochenlang in die Kissen geheult hat, weil sie nichts von sich hat hören lassen, macht ihm unmissverständlich klar: „Kein Papa, keine Lena!“ Dieser Hartmut (Henning Baum) aber ist ein ganz harter Brocken – und er mag den neuen Freund seines Augensterns nicht. Schon der Start ist alles andere als perfekt. „Dieser Osterhase“, höhnt der eine, „dieser Parkverbotsnazi“, echauffiert sich der andere. Dass sich das Kennenlernen von Markus und seinem Schwiegervater in spe auch noch auf dem familieneigenen Campingplatz abspielen muss, erschwert das Ganze doppelt. Denn Hartmut ist in der Camper-Community der King, alle nennen ihn hier nur Captain, und er hat auch noch Geburtstag. Da hat das unpraktische Bürschchen aus der Stadt schlechte Karten. Allein Lenas alleinerziehende Schwester Carmen (Sina Ebell) findet Markus knuffig, und mit ihrem Sohn Bejay (Nilo Thomas) freundet er sich sogar an. So lässt sich der Spießrutenlauf ertragen. Schlimmer als die Fettnäpfchen, die ihm Hartmut und seine Kumpels in den Weg legen, findet Markus aber ohnehin das ständige Lügenmüssen. So darf Lenas Familie nicht wissen, dass sie schwanger und dass er Anwalt ist – denn „Anwälte sind in dieser Familie nicht willkommen“. Aber auch Hartmut ist gar nicht der Held, als der er sich so gern feiern lässt. Und nach außen proklamiert er „Familie lügt nicht“ – dabei hat er ein dickes Geheimnis.
Obwohl deftige Filmtitel wie „Mein Schwiegervater, der Stinkstiefel“ oder „Mein Freund, das Ekel“ öffentlich-rechtlichen Komödien immer überragende Einschaltquoten beschert haben, hat sich die ARD bei dieser Läuterungskomödie mit Familienanschluss für den vergleichsweise harmlosen Titel „Mein Schwiegervater, der Camper“ entschieden. Das ist gut so; denn weder wird der Gegensatz zwischen dem Anwalt und seinem Schwiegervater in spe ständig situationskomisch hochgetunt wie beispielsweise in den thematisch ähnlich gelagerten Ben-Stiller-Robert-de-Niro-Hollywood-Komödien, noch ist dieser Macho-Patriarch so eindeutig typisiert, dass man ihn auf einen knackigen Begriff oder eine knallige Eigenschaft reduzieren könnte. Dieser Fernsehfilm ist vielmehr eine klassische Charakter-Komödie, in der konträre Wesensarten und markante Eigenschaften aufeinanderprallen. Es geht um Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, Integrität, Sensibilität. Für diese inneren Werte steht Markus, der für seine fast 40 Jahre zunächst eine verklärte, naiv romantische Sicht auf die Welt zu haben scheint („Wir werden ja jetzt eh‘ ein Leben lang verbunden sein“). Dank Hartmut – nomen est omen – schlägt er quasi auf dem harten Boden der Realität auf, doch der Anwalt ist clever und kriegt so einiges mit, was seinen Schwiegervater in arge Verlegenheit bringen könnte. Nach 50 Filmminuten kehren sich die Machtverhältnisse um. Dabei fällt angenehm auf, dass die Autoren Andi Rogenhagen („Ein Tick anders“) und Frederik Hunschede („Thing Big“) Markus nicht verraten, indem sie ihm eine Wie-du-mir-so-ich-dir-Retourkutschenpolitik ins Drehbuch geschrieben haben, sondern ihn auf seine Weise die Probleme lösen lassen. So verrät er weder Hartmut noch Lena, nimmt Psychotherapie und Folsäure auf seine Kappe, findet aber passende Worte für die verlogene Campingplatz-Mischpoke und auch für seine Freundin („Wenn du mir nicht glaubst, dann will ich auch nicht Teil deiner Familie sein.“)
Soundtrack: Young Chinese Dogs („You Can’t Find Love In The Summertime“ / „It’s The Morning Light That Is Taking You From Me“ / „Sweet Little Lies“), Bill Justis („A Swing Safari“), Valente & Alexander („Eventuell“), Loona („Bailando“), Jesper Gilbert Jespersen („Nar vi har fri“), Rolling Stones („Jumping Jack Flash“), Middle of the Road („Chirpy Chirpy Sheep Sheep“)
„Mein Schwiegervater, der Camper“ spielt wie die meisten guten Komödien auch mit dem Gegensatz zwischen Gesellschaft und Individuum, der sich in der Sehnsucht spiegelt einerseits nach Gemeinschaft und andererseits nach Zweisamkeit. Das Paar, das eher durch einen Zufall in eine „Beziehung“ schlittert, haben die Autoren in dieses Spannungsfeld gerückt. Da ist die noch nicht abgenabelte Lena, für die Papa der Größte und der Campingplatz ein wichtiger Teil ihres Lebens ist. Und da ist der völlig anders sozialisierte Markus: Seine Mutter hat die Familie früh verlassen; sein Vater, ein egozentrischer (Lebens-)Künstler, hat für ihn zwar gesorgt, dabei aber nicht die Nestwärme entwickelt, die der sensible Junge gebraucht hätte. Der will jetzt selber alles besser machen. Bereits im Frühstadium der Schwangerschaft gibt er den verantwortungsvollen Helikoptervater. Und so unterscheidet sich der Anwalt in seiner Genauigkeit und Pedanterie gar nicht so sehr von seinem Gegenspieler. Der eine hält sich allerdings an Paragraphen, der andere an persönliche Regeln – denn: „Regeln schaffen Ordnung, und Ordnung schafft Sicherheit.“ Und auch wenn Markus‘ Vater ein Chaot ist, so ist er in seinem groben Machismo Lenas Vater nicht unähnlich. Die Basis für das Verstehen der beiden männlichen Hauptfiguren ist also bereits in der Tiefenstruktur der Narration angelegt.
Trotz des großen Verantwortungsbewusstseins des werdenden Vaters spielt sich dieser aber nicht als Moralapostel auf. Gleiches gilt für den Film, der konsequent aus der Perspektive des künftigen Schwiegersohns erzählt ist. So durchdacht auch die Erzählmotive miteinander verwoben sind und so klar der moralische Subtext der Geschichte auch ist (miteinander reden; ehrliche Taten statt verlogener Regeln; stark ist, wer Schwäche zugeben kann) – der Zuschauer muss nicht befürchten, dass diese Komödie zu sehr Werte-Polizei spielt. Dafür ist die Handlung zu abwechslungsreich, sind die Details zu amüsant, die Dialoge zu pointiert („Bei so einem Vater möchte man gleich die ganze Welt auf Schadensersatz verklagen“) und die Schauspieler zu sehr in ihrem Element. Oliver Wnuk („Nord Nord Mord“) gibt Markus mit seinen Übersprunghandlungen als eine durch und durch ehrliche Haut, entsprechend mimisch und gestisch sehr transparent. Ähnliches gilt für Birte Hanusrichter („Jenny – echt gerecht!“). Dagegen legt Henning Baum seinen Patriarchen trotz seiner Bodenständigkeit unergründlicher an. Hinter Muskeln, Sonnenbrille und rauer Schale versteckt er seinen weichen Kern.
„Hartmut will für seine Tochter einen Mann nach seinen Vorstellungen. Das ist etwas aus der Zeit gefallen – aber außerhalb von Westeuropa fast überall noch üblich auf der Welt. Insofern unterscheidet sich Hartmut nicht wirklich von einem traditionellen Paschtunen aus dem Hindu-kusch.“ (Henning Baum)
Nicht weniger gut miteinander harmonieren Dramaturgie und Inszenierung. „Mein Schwiegervater, der Camper“ entwickelt unter der Regie von Holger Haase („Echte Bauern singen besser“ / „Die Ungehorsame“) von der intelligenten, dichten Exposition an ein gutes Timing und ein flottes Tempo. Früh zu zeigen, wessen Vaters Kind dieser Markus ist und wer von dem Paar sich mehr nach Liebe und einer harmonischen Beziehung sehnt, ist zielführend. Wie jener Schrottkünstler Jack Silverwater dann später in die Geschichte zurückgeholt wird oder die ernsthafte Parallelmontage zwischen Vater/Tochter und Sohn/Vater nach 70 Filmminuten sind weitere Beispiele dafür, wie durchdacht die narrative Konstruktion ist: So locker das Ganze auch wirkt, nichts bleibt dem Zufall überlassen. Eine perfekte Drehbuchidee ist es, die Auflösung aller Lügen in eine einzige Szene am Rande des Nervenzusammenbruchs zu packen. In wenigen Sekunden platzt nun jeder mit der Wahrheit heraus. So bekommt diese Komödie mit moralischer Erdung auf der Zielgeraden wieder eine angenehm spielerische Note – und hebt noch einmal schön schräg ab vor der läuternden Landung mit kleinlauter Beichte und einem Happy End in zarten Anführungszeichen. (Text-Stand: 22.10.2019)