1984 im Thüringer Wald. Mit sexy Kleidern, viel Schminke und einer unbändigen Lebenslust trotzt die 19-jährige Melanie ihrem trostlosen Klinikaufenthalt. Seit sie in der Augenklinik Masserberg ist, hat sich ihr Gesundheitszustand verschlechtert: sie könnte blind werden. Sichtlich besser geht es ihr, als der Kubaner Carlo Sanchez ihr behandelnder Arzt wird. Sie verliebt sich in ihn, und auch er kann Mels kessem Werben nicht widerstehen. Doch Sanchez ist verheiratet. Außerdem wacht auf dem DDR-Gast das erpresserische Auge der Stasi. Sanchez soll seine „renitente“ Patientin, die mit Freunden die Republikflucht plant, bespitzeln.
„Masserberg“ entstand nach dem gleichnamigen Roman von Else Buschheuer. Die Journalistin, Ex-Wetterfee und Hompage-Aktivistin verarbeitete in dem 2001 erschienen Bestseller ein wichtiges Kapitel ihrer jungen Jahre. Sie selbst litt an einer heimtückischen Augenkrankheit und war einen Sommer lang Patientin in der Augenheilstätte Masserberg. Grimme-Preisträgerin Anna Fischer („Teufelsbraten“) spielt ihr alter ego Melanie Tauber. Sie führt den Zuschauer in die Gemütslage einer 19-Jährigen ein, deren hoch fliegende Träume von Flucht und Glück, durch Krankheit, Klinik-Alltag, DDR-Repressalien und vom Schicksal jäh zerstört werden. Wie eine junge Nina Hagen tänzelt sie trotzig durch die Klinik. Es ist eine der vielen Überlebensstrategien der Heldin. Wie’s drinnen aussieht, geht nur den Liebsten was an. Die Stimmungslage zwischen Hoffen und Sterben, das Klima des Todes, lastet auf der jungen, sensiblen Frau. Aber Mel hat die Freude im Herzen & sie teilt die Freude mit anderen.
Foto: MDR / Roloff
Krankheit, Liebe, Tod, Verrat, zwei Schwangerschaften, Stasi-Spitzeleien, Republik-Flucht – der Film müsste unter der Last der Themen zusammenbrechen. Doch die Geschichte hält stand. „Masserberg“ ist ein Melodram. Aus dem Genre und der charismatischen Hauptfigur heraus entwickelt der Film seine innere Logik. Bei Anna Fischer hört sich das so an: „Die Geschichte ist emotional sehr voll. Das mag den Film melodramatisch machen, aber blöd ist er deshalb noch lange nicht.“ Bei aller Themenfülle bleibt der Film ästhetisch hoch konzentriert. Ein Schauplatz, ein klares Zeitfenster, ein szenisches Dramaturgiekonzept mit einem getragenen Erzähltempo. Das alles und die augenscheinliche Präsenz der Hauptdarstellerin, die den äußeren Liebreiz mit tiefer Innerlichkeit verbindet, ist der Nährboden für einen Film, der in seiner kleinen Form eine große emotionale Kraft gewinnt.
„Masserberg“ erzählt eine Geschichte aus der DDR, ohne dabei nur eine Geschichte der DDR zu erzählen. Der subjektive, nicht vornehmlich politische Zugriff der Vorlage ist das Pfund dieses Stoffs, der einen Beitrag leistet zur Normalisierung deutscher Geschichte und deutscher Geschichten. „Masserberg“ geht nicht unkritisch mit der DDR-Vergangenheit um (die Klinik lässt sich als Parabel auf die DDR verstehen), aber auf die Politik ist nicht der Hauptfokus von Buschheuer, Drehbuchautor Jürgen Werner und Regisseur Martin Enlen gerichtet. Zeitgeschichte, biographische Erfahrung und die Freiheit künstlerischen Erzählens kommen im Film wie im Roman gleichermaßen zu ihrem Recht. 20 Jahre nach der Wiedervereinigung scheint die Zeit reif zu sein, die DDR-Historie auch im Fernsehfilm zu öffnen für den subjektiv erfahrenen Alltag und für universal wahre Geschichten, die so vielschichtig, so verrückt und phantasievoll sind wie Mel Tauber. Noch einmal Anna Fischer: „Ich finde es unheimlich spannend, dass du in der Story hängst und mitgenommen wirst – aber immer wieder vergessen kannst, dass das Ganze in der DDR spielt.“