MaPa

Max Mauff, Lia von Blarer, Alexander Lindh, Jano Ben Chaabane. Trauriger Held

Foto: Joyn
Foto Tilmann P. Gangloff

Das Etikett „Sadcom“ klingt origineller, als es die Serie „MaPa“ (readymade films) tatsächlich ist. Die Anspielung auf Sitcom ist zudem nicht ganz zutreffend, denn die Geschichte ist vor allem traurig. Die erste Koproduktion des RBB mit der ProSiebenSat-1-Plattform Joyn erzählt von der Überforderung eines jungen Vaters: Nach dem unerwarteten Tod seiner Frau fühlt sich Metin Müller schrecklich einsam, aber trotzdem muss er die Kraft finden, seiner Tochter die Mutter zu ersetzen. Max Mauff verkörpert den Mann exakt so, wie sich die meisten Menschen an Metins Stelle fühlen würden: zu Tode betrübt. Sehenswert wird „MaPa“ erst, wenn andere ins Spiel kommen, allen voran Emma, Metins Freundin; die Schweizerin Lia von Blarer ist eine echte Entdeckung fürs deutsche Fernsehen. Dramaturgisch hat die Serie Schwächen.

Das Etikett „Sadcom“ klingt origineller, als es die Serie „MaPa“ tatsächlich ist. Die Anspielung auf Sitcom ist zudem nicht ganz zutreffend, denn die Geschichte ist vor allem traurig. Mag ja sein, dass die Verantwortlichen die sechsteilige Serie, eine Koproduktion des RBB mit der ProSiebenSat-1-Plattform Joyn und dort vorab kostenpflichtig zu sehen, als Tragikomödie (oder neudeutsch „Dramedy“) geplant haben, aber komisch sind die sechs Folgen nur in ganz wenigen Momenten. Sie erzählen von der Überforderung eines dreißigjährigen Berliners: Nach dem unerwarteten Tod seiner Frau fühlt sich Metin Müller schrecklich einsam; trotzdem muss er die Kraft finden, seiner Tochter die Mutter zu ersetzen, also irgendwie gleichzeitig Mama und Papa zu sein. Max Mauff verkörpert den Mann exakt so, wie sich die meisten Menschen an Metins Stelle fühlen würden: zu Tode betrübt. Kein Wunder, dass er sich von seinen Freunden auch Monate später nur höchst unwillig aus einem Einsiedlerdasein locken lässt. „Höhepunkt“ der ersten Folge ist der Abend seines Geburtstags in einer Shisha-Bar, der sich quälend lang hinzieht, weil die Freunde erst mal völlig fruchtlos darüber diskutieren, ob das zusammenpasst: auf dem Klo Koks schnupfen, aber bloß Apfel-Schorle trinken. Trotzdem haben alle Spaß; außer Metin. So ähnlich funktionieren auch die weiteren Folgen: Rund um Metin geht das Leben weiter, aber er verweigert sich konsequent.

MaPaFoto: Joyn
Nach dem Tod seiner Frau ist der Berliner Metin Müller (Max Mauff) zu Tode betrübt.

Selbst wenn Mauff seine Rolle gut und jederzeit überzeugend spielt: Sehenswert wird „MaPa“ erst wenn, andere ins Spiel kommen, allen voran Emma, Metins Freundin; die Schweizerin Lia von Blarer ist eine echte Entdeckung fürs deutsche Fernsehen. Die Rückblenden in die gemeinsame Zeit des Paares entwickeln gerade auch dank der trocken vorgetragenen kleinen Bosheiten Emmas einen ganz eigenen Charme. Sehr schön und innig sind auch die Szenen mit Mauff und der von Zwillingen verkörperten Lene: Das zwölf Monate alte Kind ist ein Baby zum Verlieben. Sein Lieblingsspielzeug ist eine Klobürste, die im Verlauf der ersten Folge verloren geht, weil ein nichtsnutziger Bengel sie ins Wasser wirft. Diese Einführung entpuppt sich in den weiteren Episoden als ziemlich clever, weil die Klobürste auch in den Rückblenden immer wieder auftaucht. In einer der wenigen wirklich witzigen Szenen der Serie ist sie Auslöser einer hitzigen Auseinandersetzung zwischen Emma und einem Sicherheitsmann (Tristan Seith) am Flughafen, der ihr verbieten will, den angeblich gefährlichen Gegenstand mit ins Flugzeug zu nehmen. Tatsächlich zeigt das Schild hinter ihm neben bekannten potenziellen Mordwerkzeugen wie Pistole und Messer auch eine Klobürste.

Soundtrack: Karat („Der blaue Planet“), AnnenMayKantereit („Ozean“), Heintje („Mama“), Marlene Dietrich („Sag mir, wo die Blumen sind“)

Weniger gelungen ist die Begegnung mit einem ehemaligen Geistlichen, der das Paar trauen sollte und stattdessen nun die Trauerrede hält. In der Verkörperung durch Matthias Bundschuh trägt der Mann unübersehbar den Stempel „schräg“ auf der Stirn. Dazu passt zwar das „kleine Missverständnis“ zwischen ihm und den Erzbischof, das zum Ende seines kirchlichen Engagements führte (er hat eine Nonne geschwängert), aber die karikierende Art, wie Bundschuh diese Rolle anlegt, fällt allzu sehr aus dem Rahmen der Serie. Ungleich besser fügt sich Nicki von Tempelhoff als Fahrradmechaniker ein, der Metins Kinderwagen repariert. Zwischen den beiden Männern entwickelt sich eine Art Instant-Freundschaft, weil sich der ältere als Schicksalsgefährte entpuppt: Die Mutter seiner Tochter ist unmittelbar nach der Geburt gestorben. Bei einem gemeinsamen Essen mit der längst erwachsenen jungen Frau (Amelie Kiefer) entlarvt die Wirklichkeit die schöngefärbten Erzählungen des Mannes allerdings ziemlich gnadenlos. Einzige durchgehende Rolle neben Metin ist seine Mutter. Lina Wendel verkörpert die Frau zwar als Nervensäge, die sich nach Emmas Tod ständig ungebeten in sein Leben drängelt, aber seine Aggressivität ihr gegenüber wirkt dennoch überzogen.

MaPaFoto: Joyn
„Als Glück im dargestellten Unglück erweist sich dabei, dass die Traurigkeit nicht an den Bildschirm gekleistert wird; sie kommt vielmehr im Kleid jener Art von Melancholie daher, die man von diesen tollen Lieblingsliedern kennt, die vom Verlassenwerden handeln, die immer wieder die Tränen ziehen, von denen man aber aus irgendeinem Grund nicht lassen mag.“ (Hans Hoff, Süddeutsche Zeitung)

Entscheidendes Manko der Serie sind jedoch die dramaturgischen Schwächen der einzelnen Folgen, denen oft die Spannungsbögen fehlen. Am meisten Spaß macht „MaPa“ daher im Detail: Ein Drucker heißt „Sister“, das Baby im Bauch trägt den Arbeitstitel „Dieter“, und als sich Metin die Seele aus dem Leib kotzt, grinst ihn im Spiegel ein Totenkopf an. „MaPa“ steht in jeder Folge für etwas anderes: Mal ist es der Name eines Umzugsunternehmens, mal ein Reiseziel. Eine Serie in Metins Kindheit hieß „Mapa – die Highschool-Bullen“. Die Soap, an der er irgendwie beteiligt ist, trägt ebenfalls den Titel „Mapa“; sie erzählt von einem verwitweten alleinerziehenden Vater. Ein Brainstorming über die Storyline ist eine ziemlich bissige Satire aufs Geschäft mit täglichen Serien.

Auch die Zeitsprünge machen einen besonderen Reiz aus, erst recht, wenn vergangene Ereignisse mit dem Wissen aus der Gegenwart plötzlich in ganz anderem Licht erscheinen. Eine der Rückblenden zeigt die Familie bei der Rückkehr aus dem Urlaub. Metin geht’s richtig dreckig. Am Schluss gibt’s die gleiche Szene noch mal, diesmal jedoch mit Vorgeschichte und aus der Perspektive Emmas erzählt, weshalb sie nun ein ganz anderes Vorzeichen hat; nun kann von Mitleid mit Metin keine Rede mehr sein, weil das Mitgefühl voll und ganz seiner Freundin gilt. Clever sind auch Murmeltierszenen wie Mutterns alljährlicher Geburtstagsanruf morgens um 6.05 Uhr, dem Moment von Metins Geburt. Wenn im Anschluss eine Szene folgt, in der Emma hochschwanger ist und das Telefon ebenfalls um 6.05 Uhr klingelt, sind weitere Erklärungen nicht mehr nötig. Andere Einfälle funktionieren dagegen überhaupt nicht: Als Metin im Möbelhaus nach einer neuen Klobürste sucht, besteht ein Dialog zwischen einem Kundenpaar und einer Verkäuferin buchstäblich nur aus Blabla.

Regie führte Jano Ben Chaabane, der gemeinsam mit Kameramann Tobias Koppe bereits die beachtliche Priesterkrimiserie „Culpa – Niemand ist ohne Schuld“ (13th Street) gedreht hat. Das Duo hat zuletzt aus den ersten beiden Episoden der Degeto-Reihe „Blind ermittelt“ filmästhetisch ganz besondere Krimis gemacht. Auch in dieser Hinsicht ist „MaPa“ nur eine gewöhnliche Serie. Die Musik von Tim Schwerdter, ein weiterer Weggefährte Chabaanes, ist dafür umso besser. (Text-Stand: 20.4.2020)

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Joyn, rbb

Mit Max Mauff, Lia von Blarer, Lina Wandel, Maryam Zaree, Bastian Reiber, Christin Nichols. Episodendarsteller: Matthias Bundschuh, Nicki von Tempelhoff, Amelie Kiefer, Tristan Seith

Kamera: Tobias Koppe

Szenenbild: Birgit Kniep-Gentis

Kostüm: Sophie Klebba

Schnitt: Felix Rudek

Musik: Tim Schwerdter

Redaktion: Lena Wickert (Joyn), Kerstin Freels (RBB)

Produktionsfirma: readymade films

Produktion: Laura Bull

Headautor*in: Alexander Lindh

Drehbuch: Alexander Lindh, Laura Bull, Jano Ben Chaabane, Luisa Hardenberg, Daniel Hendler, Donna Sharpe

Regie: Jano Ben Chaabane

EA: 16.04.2020 10:00 Uhr | Joyn

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