“Ich kann dich ja verstehen – aber versuch’, das Ganze mal nicht so emotional zu sehen”, rät ihr die Tochter. Keine große Hilfe für Juliane Willbrand. Vor nicht langer Zeit ist ihr Mann gestorben. Und so sitzt sie in einem viel zu großen Haus, in dem sie alles an die Vergangenheit erinnert. Sie würde gerne wieder arbeiten. Aber wer nimmt schon eine Bibliothekarin, die 20 Jahre in ihrem Beruf nicht mehr tätig war?! Juliane Willbrand sieht es emotional, weil sie es nur emotional sehen kann. “Sie hat das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden”, sagt Thekla Carola Wied, die jene gutsituierte Witwe spielt. Doch die Heldin bleibt hartnäckig. Bald hat sie einen Job als Leiterin einer Gefängnisbibliothek. Sie will etwas Kultur hinter die Knastmauern bringen. Dafür erntet sie den Spott der Gefangenen. Und wieder bleibt sie hartnäckig.
“Liebe auf Bewährung” ist eines jener Eine-Frau-geht-ihren-Weg-Dramen. Ein Mutmachfilm in doppelter Hinsicht. Gelangweilte Damen aus gutem Hause, denen die Decke auf den Kopf fällt und die plötzlich ihre soziale Ader entdecken, bekommen im Film von Bernd Böhlich vorgemacht, wie sie sich aus der Isolation befreien können. “Man muss bereit sein, die Grenzen der eigenen Möglichkeiten zu erfahren”, so Wied. Ihre Juliane wagt es, die Grenzen zu sprengen. Auch denen auf der anderen Seite wird Mut zugesprochen. Die sozial Ausgestoßenen spüren, dass doch alles halb so schlimm ist, wenn sich nur eine Mutter Teresa ihrer erbarmt. Im Film ist es die heilige Juliane der Knast-Bibliothek. Doch da im Gefängnis nicht nur wenig gelesen wird und Filme wie “Liebe auf Bewährung” nicht unbedingt die Renner sind, dürfte die Wirkung dieses gutmenschelnden Degeto-Stücks auf die sich gesellschaftskonform verhaltenden Zuschauer beschränkt bleiben.
Glücklicherweise hat Grimme-Preisträger Bernd Böhlich Regie geführt. Der kann als Autor aus diesem gut gemeinten Stoff für die aufgeklärte Konsensgesellschaft zwar keine echte Sozialkritik zaubern – aber Böhlich kann Gefühle so inszenieren, dass sie glaubhaft sind. Und er hat ein Gespür für Schauspieler. Mal wieder Helmut Griem (in seiner letzten Rolle!) zu sehen ist ein Genuss. Und die Wied ist sehr viel besser als ihr Ruf. So ist “Liebe auf Bewährung” ein ebenso überraschungsarmes, aber dafür unangestrengtes TV-Spiel darüber, wie zwei Menschen den Glauben an sich selbst wiederfinden. (Text-Stand: 8.12.2004)