Oma Dargatz lebt auf einem Bauernhof und ist eine fromme Frau. Gott scheint ihr näher zu sein als ihre eigenen Kinder. Auch ihrem Enkel Paul liegt sie selbst dauernd mit dem Heiligen Vater in den Ohren. Der setzt in solchen Fällen den Walkman auf und lässt die Alte erzählen. Als er eines Tages die beiden Hofgänse, Omas Lieblinge, die in ihrer Gunst gleich nach dem Herrgott kommen, mit Lack orange einfärbt, trifft die alte Frau der Schlag. Der Dorfpfarrer entdeckt sie wenig später tot hinterm Sofa in der guten Stube. Der Herr Doktor wird gerufen, um den Totenschein auszustellen. Auf dem Weg zum Hof fliegt er aus der Kurve und bricht sich das Genick, derweil sich im Hof nach und nach die Hinterbliebenen einfinden. Einige haben sich lange nicht gesehen, sich nichts zu sagen, allein die Erbschaft lockt.
Was als Familientreffen mit kleinen Spitzen beginnt, endet im Chaos; für die Verstorbene wäre es das reinste Sodom und Gomorra gewesen. Alles stürzt ausgerechnet auf den Dorfpfarrer ein – so ein Mann, der an sich und seinem Glauben zweifelt. Er muss den Letzten Willen der Großmutter verlesen, den sich die Familie ganz anders erhofft hat. Aus seiner Perspektive ist der Fernsehfilm von Vivian Naefe erzählt und er trägt dessen Namen: „Leo“ ist für den Zuschauer eine rabenschwarze Komödie aus dem Hinterland der bayerischen Urbevölkerung. Für die Protagonisten ist das alles gar nicht komisch. Für sie steigert sich diese Familienzusammenkunft mit Todesfall zu einem Drama um versteckte Leidenschaft, Gier und Mordlust. Kaplan Leo versteht die Welt nicht mehr und schon gar nicht diese Familie.
Foto: BR
Da ist die älteste Tochter Gisela, ein falsches, liebloses Frauenzimmer, das ihren Ehemann, ein glückloser Kfz-Mechaniker, zum Fußabtreter degradiert. Die beiden Sorgenkinder sind seit jeher die beiden jüngsten, Benno und Clara. Er hat mit seiner Tauchschule am Chiemsee Schiffbruch erlitten und sie hat – was kaum einer in der Familie weiß – nicht mehr lange zu leben. Wer der Vater ihres Gänse besprayenden Paul ist, diese Frage lässt die Wogen weiter hochschlagen. Es ist nicht Benno, der seit Kindes Beinen an die Geschwisterliebe etwas zu wörtlich nahm, was offenbar keinen mehr stört. Der Vierte ist Martin. Mit seinem Porsche, dem Traumjob als Chefarzt und seiner zweiten Frau, die er offenbar vom Nachtclub direkt vor den Traualtar gezerrt hat, ist er ein echter Gewinner. Scheinbar. Alle haben nur eine Hoffnung: dass der Flughafen hinter dem Hof tatsächlich gebaut wird – was den vermeintlich vererbten Grund zu einer Goldgrube machen würde.
„Leo“ ist ein Ensemblefilm, bei dem Matthias Brandt und Gisela Schneeberger aus einem starken Team herausragen. Es ist ein komödiantisches Edelschmankerl, das einmal mehr die Ausnahmestellung unterstreicht, die sich die BR-Fernsehfilmredaktion erarbeitet hat: Allein im letzten Jahr hagelte es für den „Polizeiruf“, „Hierankl“ und „Marias letzte Reise“ zahlreiche Preise. Ähnlich wie diese Filme ist auch „Leo“ ein Gesamtkunstwerk. Dem Film liegt ein wunderbar hintersinniges Drehbuch zugrunde, bei dem Gerlinde Wolf so richtig schön sarkastisch-gallig in die Vollen ging. Und Regisseurin Vivian Naefe zeigt sich auch bei diesem Erbenkampf als Meisterin locker-leichten Erzählens. (Text-Stand: 31.5.2006)