Laconia

Franka Potente, Ken Duken, Andrew Buchan. Freund und Feind im selben Boot

Foto: Degeto / SWR / Boris Guderjahn
Foto Rainer Tittelbach

12.9.1942. Der Torpedierung der britischen Laconia durch ein deutsches U-Boot folgt eine außergewöhnliche Rettungsaktion. Der deutsche Kommandant nahm – ungeachtet der Nationalität – Überlebende an Bord des U-Boots und rettete über 1100 Menschen das Leben. „Laconia“ ist ein Old-School-Drama für empathiebereite Zuschauer. Tagebuchartige Zwischentexte entsprechen dem angenehm altmodischen Stil des Films, der deutlich vom britischen Drehbuchautor geprägt ist. Die Regie ist in deutscher Hand: Uwe Janson setzt auf eine Bildsprache der Wechsel zwischen Totalen und Großeinstellungen, sucht immer wieder das episch Breite, so wie die Geschichte das Universale sucht. Die Ereignisse um die Laconia werden zum Sinnbild für Mitgefühl, Menschlichkeit, für die Freundschaft der Nationen.

Das englische Truppenschiff Laconia wurde am 12. September 1942 von einem deutschen U-Boot vor der westafrikanischen Küste torpediert und sank. An Bord waren über 2700 Menschen, darunter 1800 italienische Kriegsgefangene, von den Angreifern vermutet wurde lediglich eine rund 200 Mann starke Besatzung. Nach dem Auftauchen bot sich dem deutschen Kapitän und seiner Mannschaft ein Bild des Grauens. Das U-Boot sollte den Tod bringen, der Kommandant machte aus der Aktion eine der wenigen humanitären Fußnoten des Zweiten Weltkriegs. Er nahm – ungeachtet der Nationalität – Überlebende an Bord, gab einen Hilferuf an Freund und Feind ab und rettete letztlich über 1100 Menschen vor dem Ertrinken.

LaconiaFoto: Degeto / SWR / Boris Guderjahn
„We’ll meet again…“ Schon für „Lola rennt“ durfte Franka Potente einst singen.

Die Torpedierung mit anschließender Rettungsaktion ist das Zentrum des deutsch-britischen Kriegsdramas „Laconia“. Da solch eine Filmunternehmung nur als Zweiteiler finanzierbar ist, wurde dem Ganzen eine Rahmengeschichte mit drei Hauptfiguren gegeben: U-Boot-Kapitän Hartenstein, der britische Offizier Mortimer und die deutsche Regimegegnerin Hildegard Schmidt, die sich auf der Laconia als Engländerin Hilda Smith ausgeben muss. Diese Rahmengeschichte ist aber auch für das Drama auf See dramaturgische Voraussetzung. Ohne Charaktere kein emotionales Ereignis. „Laconia“ ist kein Kriegsspektakel, auch keine auf einen finalen Schau-Effekt hin inszenierte Materialschlacht wie „Hindenburg“. In der filmischen Anmutung besitzt der Film – trotz des völlig konträren Stoffs – eine gewisse Ähnlichkeit mit der zweiten „Seewolf“-Neuverfilmung – was eine Agentur titeln ließ: „Und still ruht die See“.

„Hier ist alles einfach und klar, die Sonne, die Luft, das Meer. In Friedenszeiten war jeder Seemann, der dir hier begegnete, dein Kamerad. Aber jetzt entscheidet der Krieg, wer dein Kamerad ist“ (U-Boot-Kommandant Werner Hartenstein)

„Was soll ich ihm wünschen? Ihm, der mich hätte ausliefern können, müssen – und stattdessen jetzt gehen lässt. Ihm, der so viele Leben gerettet hat, aber auch Soldat des Dritten Reichs ist. Wird er in diesem Zwiespalt irgendwann in Frieden leben können?“ (Regimegegnerin Hildegard Schmidt)

LaconiaFoto: Degeto / SWR / Boris Guderjahn
Die fröhliche Hatz der „Jagdgesellen“ ist vorerst vorbei. Jetzt heißt es, Leben retten! Ken Duken, Jacob Matschenz, Frederick Lau

Erzählerisch funktioniert der Film. Ob er aber auch sein Publikum finden wird? Die 13-Mil-lionen-Euro-Produktion entspricht sicher nicht den Sehgewohnheiten jüngerer Zuschauer, die mit „historisch“ TV-Sagas wie „Rom“ oder „Spartacus“ und genrehafter Blut-und-Boden-Action verbinden. „Laconia“ dagegen ist Old-School-Dramaturgie für empathiebereite Zuschauer. Der renommierte britische Autor Alan Bleasdale begeht eine Todsünde des modernen Erzählens – und doch ist die Entscheidung, die Hauptfiguren mit ihren Gedanken die Handlung kommentieren zu lassen, die richtige. Wie anders hätte es gehen sollen? Zunächst braucht man als Zuschauer die historischen und persönlichen Rahmeninformationen. Später braucht man die Klarheit der inneren Stimme der weiblichen Hauptfigur, die sich niemandem offenbaren darf. Diese tagebuchartigen Zwischentexte vermitteln nicht nur Hintergrundwissen und Standpunkte, sondern sie blenden auch in die Seele der Figuren – ein Reflex auf eine Zeit, in der Schweigen gold und Verstellung notwendig war. Der Film gewinnt so eine semantische Ebene hinzu. Die gedanklichen Einwürfe passen gut zum altmodischen Stil des Films, der deutlich vom britischen Drehbuchautor geprägt ist.

Die Regie dagegen ist mit Uwe Janson in deutscher Hand. Die Bildsprache mit dem extremen Wechsel zwischen Totalen und Großeinstellungen wirkt modern, die Montage aber verliert sich nicht in Hektik, gesucht wird immer wieder das Epische, das Stimmungsvolle – passend zur Suche des Universalen in diesem Stoff, der „verrücktesten Seenot-Rettung“ der Kriegsge-schichte. Universal auch die Charaktere: der Mann als Jäger, die Frau als hegende Kraft und der couragierte U-Boot-Kapitän, der beide Kräfte in sich trägt. Die Ereignisse um die Laconia werden zum Sinnbild für Mitgefühl, Menschlichkeit, für die Freundschaft der Nationen. Der Film steckt voller großer Momente, je näher dabei die Kamera an die Menschen rückt, umso größer die Wirkung: da ist die Aussprache zwischen Mortimer und Hildegard, da sind die Zwiegespräche zwischen ihr und Hartenstein, aber auch das Sterben auf hoher See in intensiven Bildern, die aus dem „Schlachtfeld“ kleine, ganz intime Szene herausschneiden. Auch der gesamte Erzählrhythmus des Films stimmt. Der erste Teil lässt sich Zeit. Das ist gut so. Die Helden kommen einem (langsam) näher. Die Ernte wird dann im zweiten Teil eingefahren. Handlungstechnisch passiert nicht mehr allzu viel – die Dramaturgie des (Ab-)Wartens ist immer eine Gratwanderung. Dieses Warten besitzt hier, was Emotionen wie Botschaft betrifft, eine große Dimension: Freund und Feind im selben Boot – diese etwas abgegriffene Metapher wird filmisch mit schmerzlichen Wohlfühlelementen und einem physisch starken Ensemble, allen voran Franka Potente, Ken Duken und in der zweiten Reihe Matthias Koeberlin als hessisch babbelnder Bordingenieur, hoch sinnlich belebt.

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ARD Degeto, BBC, SWR

Mit Franka Potente, Ken Duken, Andrew Buchan, Matthias Koeberlin, Thomas Kretschmann, Jacob Matschenz, Frederick Lau, Brian Cox, Lindsay Duncan, Ludovico Fremont, Nikolai Kinski, Simon Verhoeven

Kamera: Michael Schreitel

Produktionsfirma: UFA Fiction, Talkback Thames

Drehbuch: Alan Bleasdale

Regie: Uwe Janson

Quote: 1. Teil: 5,3 Mio. Zuschauer (15,9% MA); 2. Teil: 5,02 Mio. (15,1% MA)

EA: 02.03.2011 20:15 Uhr | ARD

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