Schon der Titel lässt erahnen, dass „Kleine Eheverbrechen“ möglicherweise nicht dem üblichen „Herzkino“-Standard entspricht. Tatsächlich geht es in der Adaption des gleichnamigen Theaterstücks von Éric-Emmanuel Schmitt (2003) sogar um Mord, wie die Vorbemerkung ankündigt. Gilles und Lisa Sobiri (Philipp Hochmair, Emily Cox) sind seit 15 Jahren verheiratet. Dass die Beziehung nicht mehr so prickelnd ist wie zu Beginn, kommt in den besten Familien vor, aber der Pianistin und dem erfolgreichen Krimiautor ist im Ehe-Alltag mehr abhanden gekommen als die anfängliche Verliebtheit. Immerhin bietet das Schicksal dem Paar eine unverhoffte zweite Chance: Nach einem Unfall hat Gilles sein Gedächtnis verloren. Nun könnten sie noch mal von vorn anfangen; vorausgesetzt, sie sind beide bereit dazu. Fortan tut er alles, um ihr Herz ein zweites Mal zu erobern. Sie scheint zumindest nicht abgeneigt, doch so leicht macht es die Geschichte ihm nicht: „Liebe heißt, niemals um Verzeihung zu bitten“, hieß es einst in „Love Story“. Tatsächlich bedeutet Beziehung jeden Tag stillschweigende Vergebung, aber er hat sich eines Vergehens schuldig gemacht, das im Grunde unentschuldbar ist; und das bezieht sich keineswegs auf die mutmaßliche Affäre mit seiner Agentin (Zsá Zsá Inci Bürkle).
Foto: ZDF / Conny Klein
Es ist bedauerlich, dass Drehbuchautor Klaus Johannes Pieber die Katze viel zu früh aus dem Sack lässt: Er spiele ein gefährliches Spiel, gesteht Gilles noch in der ersten Filmhälfte einem Hund, der Lisa zugelaufen ist, während er im Krankenhaus war; es gehe um „alles oder nichts“. Zum Glück gelingt es Regisseur Christian Werner trotzdem, den Reiz des Doppel-Spiels aufrecht zu erhalten, denn natürlich bleibt immer noch offen, ob Lisa sich erweichen lässt. Letztlich geht es ohnehin in erster Linie um die Frage, ob sich ein Mensch wirklich ändern kann. Die Verletzung, die Gilles ihr zugefügt hat, ist zu tief, zumal er einen neuerlichen unmissverständlichen Hinweis nicht zu deuten weiß. Schon damals hat er im Rausch des eigenen Erfolgs nicht wahrgenommen, wie sich Lisa von einem Tag auf den anderen verändert hat; umso schmerzlicher hat sie seinen Verrat empfunden. „Kleine Eheverbrechen“ ist der Titel eines Romans von Gilles, aus dem die Vorbemerkung des Films stammt: „Sieht man ein Paar vor dem Standesbeamten stehen, sollte man sich fragen, wer den Mord begehen wird. Den Mord an ihrer Liebe.“ Lisa empfindet das Buch als „Verhöhnung unserer Liebe“.
Foto: ZDF / Conny Klein
Piebers Adaption kann den Bühnenhintergrund allerdings nicht immer verleugnen. Einige Dialoge lesen sich prima und mögen auch im Kunstraum Theater gut klingen, aber Fernsehfilme wollen die Illusion erzeugen, sie schauten und hörten echten Menschen zu. Zumindest der „Pilcher“-gewohnte Teil des ZDF-Publikums wird sich ohnehin fragen, ob womöglich schon Montag sei. Andererseits ist natürlich der Mut des Senders zu loben. Die Redaktion ist sich durchaus im Klaren darüber, dass „Kleine Eheverbrechen“ auf diesem Sendeplatz als Exot wahrgenommen wird: Vordergründig mag der Film wie eine Liebesgeschichte wirken, doch es handelt sich selbstverständlich um ein veritables Ehedrama. Durchaus amüsant und zudem sehr ansprechend umgesetzt ist dagegen der ständige Wechsel aus Nähe und Distanz: Lisa ahnt oder schließt zumindest nicht aus, dass Gilles seine Amnesie nur vortäuscht, zumal er sich auch mal verplappert, spielt sein Spiel vorerst jedoch mit. Für ihn gilt das nicht minder: Seine Frau folgt dem Rat ihrer Freundin (Dennenesch Zoudé), die Gelegenheit zu nutzen und sich „den idealen Mann zu backen“. Den Hundefreund mimt Gilles bereitwillig, aber das vegane Steak kriegt er nicht runter.
Werners von der ZDF-Redaktion Das kleine Fernsehspiel finanziertes Langfilmdebüt war die heitere Tragikomödie „Irgendwann ist auch mal gut“ (2020) mit Fabian Hinrichs als Sohn eines Bestatterpaars, das gemeinsam aus dem Leben scheiden will. Bei seiner zweiten Arbeit fürs „Zweite“ ist der Witz deutlich subtiler. Sympathisch selbstironisch ist zum Beispiel ein Auftritt von Thorsten Merten als Kommissar, der rausfinden will, ob bei Gilles’ Missgeschick womöglich nachgeholfen wurde. Der Beamte entpuppt sich als Fan des Autors, weshalb es reichlich unglaubwürdig ist, dass er die Namensähnlichkeit zunächst für Zufall hält. Etwas irritierend sind auch die in ein verklärendes Romanzenlicht getauchten Rückblenden etwa über die erste Begegnung des späteren Ehepaars: Die Szenen sind zwar amüsant, doch Emily Cox und Philipp Hochmair sehen nicht mal annähernd 15 Jahre jünger aus.