Ihren Wiedereinstieg ins Berufsleben hat sich Marlene (Julia-Maria Köhler) anders vorgestellt. So glücklich die verheiratete Mutter auch darüber ist, dass sie an ihrem neuen Wohnort Dachau in eine Physiotherapiepraxis hat einsteigen können – es bleibt ihr wenig Zeit zur Freude: Denn der sicher geglaubte Kita-Platz ist wegen Asbest in weite Ferne gerückt, und ihr Mann Thorsten (Sebastian Ströbel), der bis zu seinem Antritt an der Münchner Uni sich um Tochter Kiki (Leslie Seidenberg) hätte kümmern können, wird dringend in seiner alten Firma in Hamburg gebraucht. Da es mit Tagesmüttern in der Gegend schlecht aussieht, kommt Marlene auf die Idee, einen eigenen Kindergarten aufzuziehen. Gleich nebenan findet sie die passenden Räumlichkeiten. Die Miete des ehemaligen Pfandleihhauses ist zwar niedrig, aber dafür stehen grundlegende Renovierungsarbeiten und etliche Schönheitsreparaturen an. Mit Lehrerin Renate (Valerie Niehaus), der Mittzwanzigerin Tülin (Yasemin Cetinkaya) und dem arbeitslosen Karl (Stephan Grossmann) hat sie drei Mitstreiter, die sich alsbald von der gestandenen alleinerziehenden Installateurin Rosi (Marlene Morreis), einem echten Heimwerkerprofi, mehr oder weniger bereitwillig sagen lassen, wo es langgeht. Nach einer „Ladies Night“ im Baumarkt heißt es „ranklotzen, loslegen, ackern“. Die Zeit ist ausgesprochen knapp, und deutlich limitiert sind auch die handwerklichen Fertigkeiten dieser Notgemeinschaft. Doch nach und nach raufen sich die Hobbyheimwerker*innen zusammen.
Foto: ZDF / Hendrik Heiden
In der ZDF-Komödie „Kinder und andere Baustellen“ ist einmal mehr der Weg das Ziel. Schön, wenn die Kita irgendwann fertig ist. Dass es das muntere Quintett rechtzeitig schaffen wird, davon ist bei der Tonlage des Films von Jens Urban (Buch) und Christina Schiewe (Regie) von vornherein auszugehen. Marlene & Co sind dem Genre das Happy End einfach schuldig; auch wenn dafür ein Deus ex machina aus dem Hut gezaubert werden muss. Interessant und besonders unterhaltsam ist also vor allem, wie die vier Dilettanten plus Expertin trotz überraschender Widrigkeiten die rechtzeitige Abnahme des Kindergartens schaffen – und was sonst noch so passiert auf dem Weg dorthin. Dass aus Fremden Freunde werden, sich die unterschiedlichsten Mentalitäten und Fähigkeiten kreativ ergänzen – das ist zwar nicht minder vorhersehbar, verleiht diesem Fernsehfilm aber einen sehr hohen Wohlfühlfaktor. Denn aus dem chaotischen Haufen entwickelt sich eine liebenswerte Gruppe. Aus der Not und einer sinnvollen Arbeit wächst eine Gemeinschaft, aus der gemeinsamen Erfahrung ergeben sich Freundschaften. Erfolg einmal jenseits des Berufs. Der schnöde Mammon kommt nur ins Spiel, wenn der Gatte sein Gehalt gegen das der Frau aufrechnet. Ansonsten sieht man Figuren, die sich aneinander abarbeiten, für eine gute Sache engagieren und die einem immer sympathischer werden. Und wer etwas Sinnvolles tut, der braucht wenig Luxus und Konsum. Die Bodenständigkeit der Charaktere fällt angenehm ins Auge. Normale Verhältnisse, keine Großstadtlofts, Baumarkt und Kita-Alltag statt Szenekneipe.
Die Geschichte, die noch um die angespannte Ehesituation der Heldin ergänzt wird, könnte auf die Zuschauer, die nicht zur öffentlich-rechtlichen Zielgruppe von Fernsehfilmen zählen möchten, allzu harmonisch und in ihrer Art und Weise, wie sie das Familienkomödien-Abc durchbuchstabiert, wenig überraschend wirken. Zum Nachdenken darüber kommt man allerdings so richtig erst am Ende der 90 Minuten. Denn je mehr die Fünf ihre Eigenarten zugunsten der gemeinsamen Sache ablegen, umso näher kommen sie einem als Zuschauer. Ihnen dabei zuzuschauen, macht gerade auch ohne weltbewegende Handlung und vor allem ohne künstlich dramatisierte Probleme Spaß. Während zu Beginn die betonten Gegensätze der Charaktere noch in unterschiedlichen Spielarten von Komödie ausagiert werden, gleicht sich der Stil mit der zunehmenden Nähe innerhalb der Protagonisten an. Valerie Niehaus, immer ein Volltreffer in Komödien, braucht wegen Renates anfänglichen Schreckschrauben-Habitus‘ einige Szenen, bis man auch sie gernhaben kann. Spätestens als sie ihr Faible für Frauen deutlich macht, wird der Schalter umgelegt. Julia-Maria Köhler, deren Marlene den realistischen Part in der Geschichte übernimmt, eine Frau, die nach vier Jahren Kindererziehung mal wieder das Gefühl hat, irgendwo dazuzugehören, spielt entsprechend eher Dramedy. Ähnliches gilt für Yasemin Cetinkayas Tülin, anfangs eher Bedenkenträgerin, die gestraft ist mit einer schrecklichen Schwiegermutter und deshalb eher weniger komisches Potenzial besitzt. Ganz anders Stephan Grossmann: Mit seinem Karl, verknallt in Marlene, darf der Schauspieler hier mal wieder die gutmütige Seite seines großen Komiktalents (in ernsten Filmen über die DDR zeigt er gelegentlich eine andere Seite) zum Besten geben. Irgendwo dazwischen liegt die Performance von Marlene Morreis. Die Vollblutkomödiantin gibt ihre Baumarkt-Domina nicht mit überzogenem Witz, sondern entwickelt eine echte Komödienfigur mit Charakter, die mit ihren Tattoos, der Haarverlängerung und dem Amy-Winehouse-Lidstrich auch optisch und maskentechnisch ein echter Knaller ist.
Foto: ZDF / Hendrik Heiden
Wo so viel Frauenpower am Start ist, haben die Männer nicht viel zu bestellen, sind allerdings auch selbst schuld daran. Alle Mannsbilder müssen am Ende – fast märchenhaft – in den Chor der tatkräftigen Weiblichkeit einstimmen. Papa Brandner (Martin Feifel) muss eingestehen, dass seine Rosi mittlerweile mehr vom Installationshandwerk versteht als er, Marlenes Ehemann – gerade noch auf Karriere-Tripp – zeigt sich einsichtig, und auch der besagte Deus ex machina ist ein Mann. In diesem flott getakteten, frisch & schwungvoll inszenierten Ensemblefilm mit vier Hauptdarstellerinnen, die durch ein besonderes Strahlen auffallen, strahlen am Ende alle und alles: die Räume der Kita, die Fünf, die dabei geholfen haben, die Kinder, die mit ihrem authentischen Nicht-Spiel bereits zuvor gute Stimmung und Lebensfreude vermittelt haben, der Ehemann – und endlich strahlt auch der gläserne Kronleuchter, der bislang Zeichen war für das darniederliegende Familienleben der Heldin.