Kinder und andere Baustellen

Köhler, Niehaus, Morreis, Grossmann, Urban, Schiewe. Wohlfühlen leicht gemacht

Foto: ZDF / Hendrik Heiden
Foto Rainer Tittelbach

In der ZDF-Komödie „Kinder und andere Baustellen“ (Hager Moss Film) ist einmal mehr der Weg das Ziel. Dass es den vier handwerklichen Dilettanten plus Heimwerker-Expertin gelingen wird, aus einer Bruchbude rechtzeitig eine wunderschöne, abnahmebereite Kita zu zaubern, davon ist bei der lockeren Tonlage des Films von Jens Urban (Buch) und Christina Schiewe (Regie) von vornherein auszugehen. Interessant und besonders unterhaltsam ist also vor allem, wie die Fünf dies – trotz überraschender Widrigkeiten – hinbekommen. Dass aus Fremden Freunde werden, sich die verschiedenen Mentalitäten und Fähigkeiten kreativ ergänzen – das ist nicht minder vorhersehbar, verleiht dem Film mit seinen sympathischen, bodenständigen Figuren aber einen hohen Wohlfühlfaktor. Während zu Beginn die Gegensätze der Charaktere noch in unterschiedlichen Spielarten von Komödie ausagiert werden, gleicht sich der Stil mit der zunehmenden Nähe innerhalb der Protagonisten an. Ein großes Plus ist auch das spielfreudige Ensemble, allen voran Marlene Morreis als Baumarkt-Domina.

Ihren Wiedereinstieg ins Berufsleben hat sich Marlene (Julia-Maria Köhler) anders vorgestellt. So glücklich die verheiratete Mutter auch darüber ist, dass sie an ihrem neuen Wohnort Dachau in eine Physiotherapiepraxis hat einsteigen können – es bleibt ihr wenig Zeit zur Freude: Denn der sicher geglaubte Kita-Platz ist wegen Asbest in weite Ferne gerückt, und ihr Mann Thorsten (Sebastian Ströbel), der bis zu seinem Antritt an der Münchner Uni sich um Tochter Kiki (Leslie Seidenberg) hätte kümmern können, wird dringend in seiner alten Firma in Hamburg gebraucht. Da es mit Tagesmüttern in der Gegend schlecht aussieht, kommt Marlene auf die Idee, einen eigenen Kindergarten aufzuziehen. Gleich nebenan findet sie die passenden Räumlichkeiten. Die Miete des ehemaligen Pfandleihhauses ist zwar niedrig, aber dafür stehen grundlegende Renovierungsarbeiten und etliche Schönheitsreparaturen an. Mit Lehrerin Renate (Valerie Niehaus), der Mittzwanzigerin Tülin (Yasemin Cetinkaya) und dem arbeitslosen Karl (Stephan Grossmann) hat sie drei Mitstreiter, die sich alsbald von der gestandenen alleinerziehenden Installateurin Rosi (Marlene Morreis), einem echten Heimwerkerprofi, mehr oder weniger bereitwillig sagen lassen, wo es langgeht. Nach einer „Ladies Night“ im Baumarkt heißt es „ranklotzen, loslegen, ackern“. Die Zeit ist ausgesprochen knapp, und deutlich limitiert sind auch die handwerklichen Fertigkeiten dieser Notgemeinschaft. Doch nach und nach raufen sich die Hobbyheimwerker*innen zusammen.

Kinder und andere BaustellenFoto: ZDF / Hendrik Heiden
Wird das wieder was mit dieser Ehe? Erst schindet Thorsten (Sebastian Ströbel) einen Tag Hamburg heraus, dann eine Woche und schließlich würde er seiner Karriere wegen in Dachau am liebsten die Zelte sofort wieder abbrechen. „Ist dir deine Arbeit etwa wichtiger als Kiki?“, fragt er Marlene (Julia-Maria Köhler). Das hat gesessen. Nun stellt sich Marlene so allerlei Fragen. Das gehört zum Genre. Auch die Antwort.

In der ZDF-Komödie „Kinder und andere Baustellen“ ist einmal mehr der Weg das Ziel. Schön, wenn die Kita irgendwann fertig ist. Dass es das muntere Quintett rechtzeitig schaffen wird, davon ist bei der Tonlage des Films von Jens Urban (Buch) und Christina Schiewe (Regie) von vornherein auszugehen. Marlene & Co sind dem Genre das Happy End einfach schuldig; auch wenn dafür ein Deus ex machina aus dem Hut gezaubert werden muss. Interessant und besonders unterhaltsam ist also vor allem, wie die vier Dilettanten plus Expertin trotz überraschender Widrigkeiten die rechtzeitige Abnahme des Kindergartens schaffen – und was sonst noch so passiert auf dem Weg dorthin. Dass aus Fremden Freunde werden, sich die unterschiedlichsten Mentalitäten und Fähigkeiten kreativ ergänzen – das ist zwar nicht minder vorhersehbar, verleiht diesem Fernsehfilm aber einen sehr hohen Wohlfühlfaktor. Denn aus dem chaotischen Haufen entwickelt sich eine liebenswerte Gruppe. Aus der Not und einer sinnvollen Arbeit wächst eine Gemeinschaft, aus der gemeinsamen Erfahrung ergeben sich Freundschaften. Erfolg einmal jenseits des Berufs. Der schnöde Mammon kommt nur ins Spiel, wenn der Gatte sein Gehalt gegen das der Frau aufrechnet. Ansonsten sieht man Figuren, die sich aneinander abarbeiten, für eine gute Sache engagieren und die einem immer sympathischer werden. Und wer etwas Sinnvolles tut, der braucht wenig Luxus und Konsum. Die Bodenständigkeit der Charaktere fällt angenehm ins Auge. Normale Verhältnisse, keine Großstadtlofts, Baumarkt und Kita-Alltag statt Szenekneipe.

Die Geschichte, die noch um die angespannte Ehesituation der Heldin ergänzt wird, könnte auf die Zuschauer, die nicht zur öffentlich-rechtlichen Zielgruppe von Fernsehfilmen zählen möchten, allzu harmonisch und in ihrer Art und Weise, wie sie das Familienkomödien-Abc durchbuchstabiert, wenig überraschend wirken. Zum Nachdenken darüber kommt man allerdings so richtig erst am Ende der 90 Minuten. Denn je mehr die Fünf ihre Eigenarten zugunsten der gemeinsamen Sache ablegen, umso näher kommen sie einem als Zuschauer. Ihnen dabei zuzuschauen, macht gerade auch ohne weltbewegende Handlung und vor allem ohne künstlich dramatisierte Probleme Spaß. Während zu Beginn die betonten Gegensätze der Charaktere noch in unterschiedlichen Spielarten von Komödie ausagiert werden, gleicht sich der Stil mit der zunehmenden Nähe innerhalb der Protagonisten an. Valerie Niehaus, immer ein Volltreffer in Komödien, braucht wegen Renates anfänglichen Schreckschrauben-Habitus‘ einige Szenen, bis man auch sie gernhaben kann. Spätestens als sie ihr Faible für Frauen deutlich macht, wird der Schalter umgelegt. Julia-Maria Köhler, deren Marlene den realistischen Part in der Geschichte übernimmt, eine Frau, die nach vier Jahren Kindererziehung mal wieder das Gefühl hat, irgendwo dazuzugehören, spielt entsprechend eher Dramedy. Ähnliches gilt für Yasemin Cetinkayas Tülin, anfangs eher Bedenkenträgerin, die gestraft ist mit einer schrecklichen Schwiegermutter und deshalb eher weniger komisches Potenzial besitzt. Ganz anders Stephan Grossmann: Mit seinem Karl, verknallt in Marlene, darf der Schauspieler hier mal wieder die gutmütige Seite seines großen Komiktalents (in ernsten Filmen über die DDR zeigt er gelegentlich eine andere Seite) zum Besten geben. Irgendwo dazwischen liegt die Performance von Marlene Morreis. Die Vollblutkomödiantin gibt ihre Baumarkt-Domina nicht mit überzogenem Witz, sondern entwickelt eine echte Komödienfigur mit Charakter, die mit ihren Tattoos, der Haarverlängerung und dem Amy-Winehouse-Lidstrich auch optisch und maskentechnisch ein echter Knaller ist.

Kinder und andere BaustellenFoto: ZDF / Hendrik Heiden
So ein Malheur! Das wird wohl nichts mit der Kita-Abnahme. Doch dem Genre sind Marlene & Co das Happy End schuldig. Marlene Morreis, Stephan Grossmann, Julia-Maria Köhler und Valerie Niehaus

Wo so viel Frauenpower am Start ist, haben die Männer nicht viel zu bestellen, sind allerdings auch selbst schuld daran. Alle Mannsbilder müssen am Ende – fast märchenhaft – in den Chor der tatkräftigen Weiblichkeit einstimmen. Papa Brandner (Martin Feifel) muss eingestehen, dass seine Rosi mittlerweile mehr vom Installationshandwerk versteht als er, Marlenes Ehemann – gerade noch auf Karriere-Tripp – zeigt sich einsichtig, und auch der besagte Deus ex machina ist ein Mann. In diesem flott getakteten, frisch & schwungvoll inszenierten Ensemblefilm mit vier Hauptdarstellerinnen, die durch ein besonderes Strahlen auffallen, strahlen am Ende alle und alles: die Räume der Kita, die Fünf, die dabei geholfen haben, die Kinder, die mit ihrem authentischen Nicht-Spiel bereits zuvor gute Stimmung und Lebensfreude vermittelt haben, der Ehemann – und endlich strahlt auch der gläserne Kronleuchter, der bislang Zeichen war für das darniederliegende Familienleben der Heldin.

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Fernsehfilm

ZDF

Mit Julia-Maria Köhler, Valerie Niehaus, Marlene Morreis, Yasemin Cetinkaya, Stephan Grossmann, Sebastian Ströbel, Martin Feifel, Michael Lerchenberg, Leslie Seidenberg

Kamera: Kay Gauditz

Szenenbild: Thorwald Kiefel

Kostüm: Brigitta Lohrer-Horres

Schnitt: Diana Matous

Musik: Martina Eisenreich

Soundtrack: Spice Girls („Wannabe“), Aretha Franklin („Respect“)

Redaktion: Beate Bramstedt

Produktionsfirma: Hager Moss Film

Produktion: Kirsten Hager, Anja Föringer

Drehbuch: Jens Urban

Regie: Christina Schiewe

Quote: 3,34 Mio. Zuschauer (10,3% MA)

EA: 05.11.2020 20:15 Uhr | ZDF

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach