Die Beziehung von Kasimir und Karoline hat schon bessere Zeiten gesehen. Er würde sich am liebsten in seinen vier Wänden verkriechen. Er schämt sich, weil er arbeitslos ist, er fühlt sich nutzlos und mit dem Sex klappt es auch nicht mehr. Karoline dagegen will mal wieder raus aus dem Alltag. Die Sonne lacht – und so schmeißt sie sich ins Dirndl, er in den Janker und aufi geht’s aufs Oktoberfest. Dort will bald jeder der beiden etwas anderes machen – und so verlieren sie sich aus den Augen. Treibt „Karo“ anfangs die Lust auf Neues in für sie aufregende Begegnungen mit einem großkopferten Musikproduzenten, der allerdings später unangenehm zudringlich wird, und einem introvertierten Studenten, der reich ist und auf Eltern und Gesellschaft schimpft, so wird „Kasi“ von Anfang an vom Frust geleitet. Überdies lässt er sich anstecken von der destruktiven Art & kriminellen Energie seines Kumpels Merkl.
Zitat aus der Vorlage = Schlusssatz im Film:
„Man hat halt oft so eine Sehnsucht in sich – aber dann kehrt man zurück mit gebrochenen Flügeln und das Leben geht weiter, als wäre man nie dabei gewesen.“
„Kasimir & Karoline“ ist entstanden nach dem Bühnenstück von Ödön von Horváth, einer Kleine-Leute-Ballade um eine Kleine-Leute-Liebe, die in Zeiten der Wirtschaftskrise zum Scheitern verurteilt ist. Das Stück hatte 1931 seine Uraufführung. Die derzeitige Krise macht das Stück thematisch wieder aktuell. Da sich die Macher, Autor Michael Klette und Regisseur Ben von Grafenstein, weitgehend für zeitgemäße Dialoge und einen filmisch höchst reizvollen Look entschieden haben, ist dieser so genannte Theaterfilm die bislang ansprechendste Produktion einer Reihe, in der Filme wie „Baal“, „Lulu“, „Peer Gynt“ oder „Frühlings Erwachen“ entstanden sind. Diese Arte-ZDF-Theater-Adaption ist unangestrengt und völlig unanstrengend, dabei folgt sie doch sehr genau dem Stoff und den Motiven ihrer Vorlage.
Ödön von Horváth über „Kasimir und Karoline“:
„Es ist die Ballade vom arbeitslosen Chauffeur Kasimir und seiner Braut, eine Ballade von stiller Trauer, gemildert durch Humor, das heißt durch die alltägliche Erkenntnis ‚Sterben müssen wir alle!’“
Dieses Sozialdrama von der Wiesn, ein wunderbar gespielter, kleiner Ensemblefilm mit bekannten und unbekannten Gesichtern, ist mit einem Mini-Equipment (der digitalen Variante einer Spiegelreflexkamera) undercover auf dem Oktoberfest 2010 entstanden und besitzt doch in seinen besten Momenten die emotionale Bildkraft des Kinos. Knallig bunt das Kirmeslicht, gigantisch blau der Münchner September-Himmel. Das Oktoberfest ein einziges Tollhaus. Melancholie schleicht sich mit der aufkommenden Nacht zunehmend in die Bilder. Die graue Realität sucht sich eine traumhaft irreal anmutende Gegenwelt. Von Grafenstein präsentiert Träume vom kleinen Glück in Bonbonfarben und mit dem steigenden Alkoholpegel gerät auch die Kamera zunehmend in attraktive Schräglage. Irgendwann schleicht sich die Ernüchterung in diesen episodischen Reigen – und am Ende schlägt die Angst in offene Gewalt um.