Eine faszinierende Vorstellung: Man lässt sich ein Mittel spritzen, und im Nu stehen verflogene, verschollene oder bloß vergessene Erinnerungen wieder zur Verfügung. Das ist die eine der beiden reizvollen Seiten dieser faszinierenden Geschichte von Peter Petersen und Rainer Butt, und leider (oder zum Glück) pure Fantasie. Die andere klingt ebenso weit hergeholt, ist aber ungleich realistischer: dass jemand durch den Verlust des Gedächtnisses ein anderer Mensch wird. Die Filmgeschichte hat dieses Motiv gern genutzt und immer wieder Helden mit einer Vergangenheit konfrontiert, die ihnen gar nicht gefiel. Der Pharma-Unternehmer Wach in „Ein anderer Mann“ aus der Reihe „K3 – Kripo Hamburg“ muss sich zum Beispiel die unangenehme Frage stellen, ob er womöglich der Mörder seiner Frau ist.
Der Film beginnt damit, dass die Hauptfigur (Axel Milberg) mit dem grimmig ironischen Namen aus dem Koma erwacht. Der erste Gedanke des Unternehmers gilt seiner Frau, einen zweiten kann er kaum fassen: Die letzten Wochen sind aus seinem Gedächtnis radiert. Er ist überzeugt, seine Frau sei ermordet worden, und eine Obduktion gibt ihm recht: Die Wissenschaftlerin starb an Gift. Und auch der Unfall von Wach entpuppt sich als Mordanschlag. Spontan verdächtig ist Wachs Mitarbeiter Kamp (Bernhard Schütz), ein Wissenschaftler, der in jeder Hinsicht vom Tod seiner Kollegin profitiert: Er könnte Elisabeth Wachs Forschungen nach einem Gedächtnisserum als seine eigenen verkaufen. Außerdem hat er Ambitionen auf die Institutsleitung; das Büro der toten Chefin hat er ohnehin schon übernommen. Außerdem hat Kamp den Totenschein ausgestellt. Doch dann bricht die vermeintlich todsichere Rekonstruktion des Ermittlerquartetts vom Hamburger „K3“ in sich zusammen, als Wach das Serum erhält – und vor seinem geistigen Auge sieht, wie er selbst die eigene Frau ermordet. Eine wenig rühmliche Rolle spielt auch seine angeblich schwangere Assistentin, die allerdings kurz drauf ebenfalls nur knapp einen Mordversuch überlebt.
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Petersens Geschichte fesselt also auf mehreren Ebenen: hier die Arbeit der vier Polizisten, dort das Komplott innerhalb des Instituts; und schließlich die philosophische Ebene, die unter anderem in der Frage gipfelt, ob man sich nach einem Gedächtnisverlust charakterlich grundlegend wandeln kann und ob man nach diesem Wandel für frühere Taten verurteilt werden kann. Eine ungewöhnlich facettenreiche Geschichte, von „Großstadtrevier“-Regisseur Marcus Weiler bei seinem Langfilmdebüt hervorragend inszeniert und von Kameramann Sten Mende in fahlen, blaustichigen Farben gefilmt. (Text-Stand: 16.7.2006)