Der Titel ist natürlich pure Rhetorik, schließlich ist die „Entscheidung für die Liebe“ beim Sonntagsfilm im „Zweiten“ Teil der Sendeplatzgarantie. Deshalb ist auch bereits beim ersten Auftritt sonnenklar, welches Schicksal den Geliebten der Heldin ereilen wird. Steile Falten, unrasiert, deutlich älter: Das wird nichts, zumal er ihr bei dem Treffen gesteht, dass er verheiratet ist und einen Sohn hat. Natürlich fällt Helen (Nathalie Thiede) aus allen Wolken und beendet die Beziehung umgehend. Ersatz ist rasch gefunden; und jetzt beginnt die anfangs nicht viel Gutes verheißende Geschichte interessant zu werden. Das gilt schon für die erste Begegnung des neuen Liebespaars: Die betrübte Helen ist Kunsthistorikerin, arbeitet für einen Stockholmer Antiquar und wird von ihrem Chef aufs Land geschickt, um dort einen Hausstand aufzulösen und so auf andere Gedanken zu kommen. Als sie nach kurzer Rast weiterfährt, ertönt von der Rückbank plötzlich eine Beschwerde über die Musik: Die junge Tessa (Ayana Ledl) hat Helens Wagen mit dem ihres Vaters verwechselt; beides sind Fahrzeuge eines bekannten schwedischen Herstellers, der auch brav im Abspann als Lieferant der entsprechenden Produktbeistellung genannt wird. Robert (Christian Wunderlich) hat eine kleine Brauerei in der Provinz übernommen und daher das gleiche Ziel wie die Antiquarin, aber das können die zwei noch nicht ahnen, als sie sich bei der Rückführung des Mädchens zu seinem Erzeuger erst mal ein bisschen angiften. Der früheren Brauereibesitzerin, Greta (Gaby Dohm), gehört auch der imposante Landsitz mit dem kostbaren Mobiliar, das Helen schätzen soll. Sie kann überhaupt nicht verstehen, dass der Käufer, ohne Zweifel ein Barbar, das herrliche Inventar nicht übernehmen will; und wer noch nie einen „Herzkino“-Film gesehen hat, wird tatsächlich etwas überrascht sein, um wen es sich dabei handelt.
Soundtrack: The Clash („Shout I Stay Or Should I Go“), Scott Bradlee & Postmodern Jukebox („Thrift Shop”)
Foto: ZDF / Britta Krehl
Obwohl das zur Abwechslung wieder mal von der „echten“ Inga Lindström (Christiane Sadlo) stammende Drehbuch nicht gerade unvorhersehbar ist, wird der Film der Zielgruppe mindestens so viel Spaß machen wie die meisten anderen „Herzkino“-Geschichten. Dass „Entscheidung für die Liebe“ trotzdem nur „Lindström“-Durchschnitt ist, liegt nicht zuletzt an der Umsetzung durch Tom Zenker, dem es nicht gelingt, die erwartbaren Wendungen der Handlung wenigstens ein bisschen als Überraschung zu verpacken. Das gilt im Kleinen wie im Großen. Helen fährt Fahrrad, im Gegenschnitt ist ein Auto zu sehen: Selbstredend wird es gleich einen Unfall geben. Und wenn aus heiterem Himmel Jürgen Heinrich auftaucht, ist völlig klar, dass es zwischen dem von ihm gespielten Auswanderer James und Gaby Dohms Greta eine Verbindung geben muss. James heißt eigentlich Jakob, ist ihr Schwager und galt dreißig Jahre lang als verschollen. Der Film legt nahe, dass die beiden bis zu seiner Flucht eine große Jugendliebe verbunden hat, was rechnerisch ein bisschen befremdlich ist, schließlich sind Dohm und Heinrich über 70. Viel wichtiger ist natürlich, dass sich der Grund für Jakobs überstürzte Abreise als Missverständnis herausstellt, damit das Paar wieder zueinander findet.
Interessanter ist allerdings die Idee, Helens Situation in der damaligen Beziehung von Greta & Jakob zu spiegeln. Zu jeder Liebesgeschichte gehört schließlich das scheinbar unüberwindbare Hindernis, das sich vor Beginn des letzten Akts auftut. Bei Helen hat es sich schon angedeutet, auch wenn das entsprechende Klischee (Übelkeit = schwanger) an Einfallslosigkeit kaum zu überbieten ist. Dabei haben sie und Robert gerade erst festgestellt, dass sich liebt, was sich neckt. Auch bei dem alten Paar war damals eine Schwangerschaft der Auslöser für Jakobs Flucht; Greta hat dann seinen mittlerweile verstorbenen Bruder geheiratet. Während der Heim gekehrte Exilant also keinen Nebenbuhler mehr zu fürchten braucht, holt Helen ihren kürzlich abgelegten Geliebten zurück ins Spiel, aber Kindsvater Tomas (Waasner) kommt aus seiner Antagonistenschublade nicht mehr raus; außerdem fährt er nicht mal ein schwedisches Auto.
Neben den größeren Holprigkeiten gibt es auch noch ein paar kleine Ungereimtheiten: Nach ihrem Fahrradsturz hat Helen diverse Verletzungen im Gesicht, die aber kurz drauf wie durch Zauberhand verschwunden sind. Und obwohl sie nur kurz Gretas Hausstand aufnehmen wollte und auch bloß einen kleinen Rollkoffer dabei hat, trägt sie jeden Tag neue Kleidung. Dass „Entscheidung für die Liebe“ trotzdem Spaß macht, liegt in erster Linie an den vier Hauptdarstellern, selbst wenn die beiden alten Hasen Dohm und Heinrich ihre Figuren nicht großartig anders als viele vergleichbare frühere Rollen interpretieren: sie mit viel Mütterlichkeit und entsprechender Lebensweisheit („Es gibt keine Garantie für das Glück“), er mit sympathischer Bärbeißigkeit. Im Unterschied zum Pilcher-Film „Lizenz zum Seitensprung“ (2016) entwickelt Christian Wunderlich (1999 bis 2001 Titelfigur der ZDF-Serie „Nesthocker“) genug Format, um Helens Verliebtheit nachvollziehen zu lassen. Gleiches gilt andersrum für Nathalie Thiede. Die Szenen mit dem Liebespaar sind Zenker auch dank der munteren Dialoge richtig gut gelungen; wie Helen und Robert mehrfach eigentlich um den heißen Brei herumreden wollen und dann doch mit der Tür ins Haus fallen, ist von Sadlo schön ausgedacht und von Wunderlich und Thiede entsprechend gespielt. Unter den Nebendarstellern tun sich vor allem Ayana Ledl als Roberts schnippische Tochter Tessa und Vanessa Eckart als patente Assistentin hervor, die überraschenderweise nicht heimlich ihren Chef anschmachtet. Trotz der guten darstellerischen Leistungen fehlt dem Film jedoch das gewisse Etwas, um ihn über den Durchschnitt der Reihe zu heben. (Text-Stand: 8.12.2017)