Ihren Eltern sagt sie, sie schläft bei einer Freundin, doch in Wahrheit geht Jette (Franziska Brandmeier) feiern. Auf der Party im Freien kauft die 16-Jährige Drogen bei einem Dealer, kurz darauf taucht die Polizei auf: Razzia. Nur gut, dass Kommissarin Judith Mohn (Christina Hecke) das Mädchen kennt, sie ist die Tochter guter Freunde. So hilft sie ihr der Personal-Feststellung durch die Polizei zu entgehen und schickt sie nach Hause. Da kommt Jette nie an. Tags darauf liegt sie tot im Kofferraum eines Unfallwagens, der von dem belgischen Drogendealer gefahren wurde, der auf der Party war. Geplagt von Schuldgefühlen nimmt Judith die Ermittlungen auf. Hätte sie das Mädchen doch nicht gehen lassen? Gemeinsam mit ihrem Kollegen Freddy Zerner (Robin Sondermann) durchleuchtet Judith Jettes Freundeskreis und die Familie – Vater (Hary Prinz), Mutter (Sophie von Kessel) und die Schwester Sarah (Emilie Neumeister) sowie Onkel (Cornelius Obonya) und Tante (Maja Beckmann). Bald muss die Kommissarin feststellen, dass Sarah mehr weiß, als sie sagt. Sie chattet im Internet mit einem Mann, der sich hinter dem Avatar „Leo“ verbirgt, wird von einem ominösen Stalker bedroht und als der sie verfolgt, von einem Auto angefahren. Aber auch die Eltern umgibt ein dunkles Geheimnis, das Stück für Stück an die Oberfläche kommt.
Foto: ZDF / Manuela Meyer
„Jette ist tot“ ist der zweite Film der Krimireihe „In Wahrheit“, die im Saarland spielt. Christina Hecke und Robin Sondermann geben die Ermittler, Rudolf Kowalski ist erneut als Ex-Kommissar zu sehen, der sich jetzt um gefallene Jugendliche kümmert („Früher hab ich sie hereingebracht, jetzt kümmere ich mich darum, dass sie draußen bleiben“) und der Kommissarin mit Rat und Tat zur Seite steht. Die Konstellation ist durchdacht, lässt Außen- und Innenansichten zu. Judith Mohn gibt die Einzelkämpferin, Freddy Zerner kommt schwer an sie heran. Drehbuchautor Mathias Schnelting (hat schon einige „Helen Dorn“-Krimis fürs ZDF geschrieben) nutzt das Motiv, dass die Ermittlerin durch private Bekanntschaft zu der betroffenen Familie emotional stark mit dem Fall verbunden ist. Ein Motiv, das man schon allzu häufig in Krimis gesehen hat. Die hohe Emotionalität drückt sich in Sätzen aus wie „Du wirst mit mir reden, glaube mir das, mein Freund“. Und auch die phasenweise dominante Musik trägt viel zur Emotionalisierung bei. Der Krimi kommt schnell zur Sache. Doch das Drehbuch, vollgepackt mit Themen, will deutlich zu viel: Drogenhandel, Cybergrooming, Ehe- und Familienprobleme – auch bei der Kommissarin, die mit ihrem Mann (Jürgen Mauer) ein schwieriges Liebesverhältnis hat – und dunkle Geheimnisse aus der Vergangenheit. Die Prämisse der Reihe ist es, dass sich das Buch an echte Fälle anlehnt, daher auch der Titel „In Wahrheit“. Doch es scheint, hier wollte man mehr reinpacken als die Wirklichkeit hergibt.
Der Krimi ist nicht nur klassisch gedacht, sondern auch ebenso inszeniert. Regisseur Matthias Tiefenbacher, seit Jahrzehnten Krimi-versiert („Balko“, „Der Fahnder“, „Tatort“, „Das Duo“, „Polizeiruf 110“ und „Der Tel Aviv Krimi“), bezieht das Saarland mit seinen Hügeln und Wäldern stimmungsvoll mit ein, arbeitet viel mit der Handkamera, was die Inszenierung sehr lebendig und schwungvoll macht. Sophie von Kessel als gebrochene Mutter, die um ihr Kind trauert, Hary Prinz als ihr Mann, Cornelius Obonya als Jettes als Jugenzentrumsleiter locker wirkender Onkel und die junge Emelie Neumeister als Sarah – die Rollen sind durchweg gut besetzt, Tiefenbacher führt das Ensemble behutsam. Die Dialoge sind eher handelsüblich, zuweilen auch nervend. Wenn die Kommissare auf einen Verdächtigen stoßen, sie ihre Jacke anzieht und zu ihrem Kollegen sagt: „Freddy, wir fahren jetzt direkt in seine Wohnung“, dann fühlt man sich als Zuschauer nicht ernst genommen. Was man sieht, muss man nicht noch erklärt bekommen. Solche Beispiele gibt es einige. Aber sie passen zu diesem Krimi, der wenig wagt, eher linear und überdeutlich erzählt und dramaturgisch ohne sonderlich große Überraschungen auskommt. „Jette ist tot“ ist – wie schon der Debütfilm „Mord am Engelsgraben“ – konventionelles Krimifernsehen. Aber eines, das anzukommen scheint, den ersten Fall sahen bei Arte 2,5 Millionen, im ZDF dann über 6 Millionen Zuschauer. Keine Experimente, dieser CDU-Spruch aus der Adenauer-Zeit passt in puncto Krimi in die heutige Zeit: Es gibt ein breites Publikum für ganz klassisch erzählte, unterhaltsame und spannende Krimis. Der dritte Fall der Reihe ist bereits abgedreht. (Text-Stand: 26.8.2018)
Foto: ZDF / Manuela Meyer