Hangover in High Heels

Jennifer Ulrich, Susanna Simon, Sven Bohse. Schulterschluss der Mädels & der Genres

Foto: Sat 1 / Oliver Roth
Foto Rainer Tittelbach

Die Sat-1-Komödie wird erwachsen. Das TV-Movie „Hangover in High Heels“ von Sven Bohse kombiniert gelungen das Justiz-Milieu mit der Komödien-Kernkompetenz des Bällchen-Senders. Jennifer Ulrich und Susanna Simon geben unter dem Motto Die Süße und das Biest den Ton an in dem an Projektionsflächen reichen Film, der für die Verhältnisse des Senders dramaturgisch geradezu subtil ist. Dafür fehlt es ein bisschen an Witz & Tempo.

Junganwältin Amelie und ihre Chefin Pia haben die Kontrolle verloren – ein steifer Empfang gipfelt in einer wilden Party mit Filmriss. Für zwei Strafverteidigerinnen der legendären Kanzlei Brehmer & Moss eigentlich untragbar. Doch damit nicht genug: Eine streng vertrauliche Akte eines Mandanten ist in dieser Nacht abhanden gekommen. Hat vielleicht der ehrgeizige Kollege aus der Wirtschaftsabteilung seine Hand im Spiel? Oder was ist mit dem Caterer, der Pia aus einem früheren Leben kennt, in der sie nicht die eiskalte Karrierefrau war? Und weshalb findet sich die völlig verkaterte Amelie am morgen danach in ihrem Hochzeitskleid wieder? Gar nicht komisch finden das ihr Bräutigam und ihre Schwester, die befürchten müssen, sie seien der aufstrebenden Juristin nicht mehr gut genug. Dabei könnte der nächtliche Fauxpas für Amelie schwerwiegende Konsequenzen haben: ihr Aus bei Brehmer & Moss scheint nur eine Frage der Zeit. Einzig positiver Nebeneffekt des Champagnervollrauschs über den Dächern von Wien: die biestige Chefin zeigt sich langsam als Mensch. Nur gemeinsam können es die beiden Blondinen schaffen gegen die Macho-Haie in ihrem Gewerbe – ausgerechnet als Verteidigerinnen in einem Vergewaltigungsfall.

Nachdem Sat 1 mit den beiden Anwaltsdramen „Im Alleingang – Die Stunde der Krähen“ (2012) und „Im Alleingang – Elemente des Zweifels“ (2013) etwas für sein Renommé tun konnte und auch die Einschaltquoten passabel waren, kombiniert nun „Hangover in High Heels“ das Justiz-Milieu mit der komödiantischen Kernkompetenz des Bällchen-Senders. Anstatt zum Duell zwischen aufrechter Rollstuhlfahrerin und strammem Alphamännchen  kommt es in der deutsch-österreichischen Ko-Produktion vornehmlich zum Schulterschluss der Mädels, bei dem die Männer (aber auch das Genre Gerichtsdrama) auffallend an die Ränder gedrängt werden – und das sowohl im juristischen als auch im amourösen Strang der Geschichte. Dass Heikko Deutschmann und Dietrich Hollinderbäumer nur zwei Kurzauftritte haben und der Mann an der Seite der Heldin rollen- & besetzungstechnisch (David Miesmer) ziemlich unauffällig bleibt, sind Belege für diesen durch und durch Weibs-Bilder dominierten Film. Das wirkungsvolle Intro, hoch oben in einer piekfeinen Pool-Lounge eines Hotels, die beiden Blondinen sexy zerzaust und mit dem Horror-Makeup nach einer durchzechten Nacht, bringt es auf den Punkt: Jennifer Ulrich und Susanna Simon geben 90 Minuten lang den Ton an. Ulrich als die Kleine, die Beschützerinstinkte weckt (obwohl die Figur das gar nicht nötig hat), und Simon als das Biest, das ein As vor Gericht, aber ein Aas als Mensch ist.

Hangover in High HeelsFoto: Sat 1 / Oliver Roth
Mit dem Empfang fing alles an, dann nahm das Unheil seinen Lauf. Das Biest (Susanna Simon) und ihre Gehilfin (Jennifer Ulrich)

Soundtrack:
Grandmaster Flash („The Message„), Lady Sovereign („9 to 5“), Nigel Kennedy („Four Seasons“), Fet Chaker („No Diggity„), Bob Dylan & Johnny Cash („Girl From The North Country“), Jungle („The Heat“), Gonzales („Armellodie„), Miles Davis („Freddy Freeloader“), Damian Marley & Nas („As We Enter„), Shindy („Pancakes“), The Staple Singers („I’ll Take You There“), Davis McCallum („The Edge„), Disclosure feat. Jessie Ware („Confess To Me“), Vitalic („Stamina„), Eros Ramazotti & Tina Turner („Cose Della Vita„), Eros Ramazotti („Se Bastasse Una Canzone“), Leon Haywood („I Want A Do Something Freaky To You„), Lucius („Until we get there“), M.I.A. („Bad Girls„), Zehra Bilir („Helvaci„)

Die Sat-1-Komödie wird offenbar erwachsen – und die Frauen in ihr ein bisschen unabhängiger. Unabhängiger nicht nur von den Traumprinzen, denen sie noch in den 00er Jahren hinterher schmachteten, sondern auch von den Schablonen des Genres, die meist nur „das sich Kriegen“ mehr oder weniger amüsant auf Spielfilmlänge dehnten. Und so wird in „Hangover in High Heels“ die Moral nicht mehr ganz so deutlich zum Treibmittel der Dramaturgie. Dabei gibt es reichlich Projektionsflächen im Spiel: Da kann sich die junge in der älteren Anwältin und umgekehrt wiedererkennen (so war ich mal vs. so könnte ich werden). Auch die Fremdbilder, die man des Erfolges wegen unhinterfragt übernimmt, kommen im Film ausgiebig zum Tragen. „Der Anwalt ist das Schwert seines Mandanten; je makelloser die Klinge, desto größer der Respekt“, zitiert Star-Anwältin Pia ehrfurchtsvoll ihren Mentor Moss zu Beginn. Der Respekt ihm gegenüber wird bröckeln und die Frische Amelies wird der Haudegen-Anwältin („Sie sind kein Schwert, Sie sind ein Taschenmesser“) guttun.

Hangover in High HeelsFoto: Sat 1 / Oliver Roth
Amelies Schwester fühlt sich vernachlässigt. Jennifer Ulrich und Lore Richter (Max Ophüls Preis 2015 als beste Nachwuchsdarstellerin für den Kurzfilm „In uns das Universum“), die sich für höhere Aufgaben empfiehlt.

Diese Verwandlungen sind zu erwarten, keine Frage, aber die Art und Weise, wie diese kleinen Mutationen vermittelt werden, das wirkt nie aufdringlich. Die Familie muss nicht mehr nur als wärmendes Gegenbild zur ach so kalten Anwaltswelt herhalten, Familie kann auch mal nerven. Und so verachtenswert die Methoden und menschlichen Umgangsformen in der Kanzlei auch sein mögen – in dieser Sat-1-Komödie zieht man deshalb nicht den Schwanz ein. Auch auf die Gefahr hin, dass man zwischendurch mal zu vergessen scheint, wer man eigentlich ist: Die Frauen geben sich eher kämpferisch! Das Leben ist hier kein Wunsch-Konzert mehr wie in den Sophie-Schütt-Komödien der 00er Jahre: individuelle Wünsche und Job-Realitäten werden möglichst sozial und emotional verträglich synchronisiert.

Was die dramaturgischen Zwischentöne angeht, zeichnet „Hangover in High Heels“ seine Konflikte weniger schwarzweiß, ja ist der Film für Sat-1-Verhältnisse geradezu subtil. Dafür fehlt es dieser Komödie insgesamt an Witz, ein bisschen an Tempo und bei aller Sympathie hält sich auch die Empathie für die Heldin in Grenzen. Letzteres mag nun auch die Folge davon sein, dass Lena Stahl (Buch) und Sven Bohse (Ko-Autor/Regie) nicht künstlich an der Konfliktschraube gedreht haben, könnte aber auch damit zu tun haben, dass ein Scheitern der Heldin nur den Nebeneffekt hätte, das Haifischbecken Anwaltskanzlei verlassen zu müssen (was ja nicht unbedingt eine Strafe wäre, da man als Zuschauer spürt, diese Amelie Klein könnte überall groß rauskommen). Diese Business-Komödie brilliert also nicht durch Rasanz, Pointenreichtum und Fallhöhe, womit andere Sat-1-Geschlechterkomödien wie „16 über Nacht“, „Großer Mann ganz klein“ oder „Mein Lover, sein Vater und ich“ punkten konnten. Dafür kommt in dieser Anwaltskomödie, die eigentlich eine Dramödie ist, auf der Zielgeraden dann noch etwas Wie-Spannung auf – und das Plädoyer der herzallerliebsten Heldin wird – soviel darf verraten werden – für wohlige Entlastung sorgen. (Text-Stand: 13.2.2015)

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Fernsehfilm

Sat 1

Mit Jennifer Ulrich, Susanna Simon, David Miesmer, Lore Richter, Matthi Faust, Ingrid Mülleder, Heikko Deutschmann, Hubert Kramar, Dietrich Hollinderbäumer

Kamera: Henner Besuch

Szenenbild: Gerhard Dohr, Katrin Huber

Schnitt: Olivia Retzer

Musik: Tobias Hang

Produktionsfirma: X Filme Creative Pool

Drehbuch: Lena Stahl, Sven Bohse

Regie: Sven Bohse

EA: 10.03.2015 20:15 Uhr | Sat 1

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