Pädophilie ist seit Jahren eines der Lieblingsthemen in den einschlägigen Medien. Es ist ein Thema, das zur Stimmungsmache einlädt. „Diese Leute wegsperren und den Schlüssel weit wegwerfen“ – das gehört zu den harmloseren Haltungen gegenüber dieser sexuellen Orientierung, die nicht therapierbar ist. „Guter Junge“ wagt sich an eines der letzten Aufreger-Themen. „Es gibt eine große Scheu vor dem Thema“, musste Regisseur Torsten C. Fischer feststellen. „Schon der Versuch, das Verhalten dieser Menschen begreifbar zu machen, ist mit Tabus belegt“, so der Autor Karl-Heinz Käfer, dem es wichtig war, „die Geschichte aus der Perspektive des Täters und seiner Angehörigen zu erzählen“.
Für den Film holte sich der WDR einen seiner Identifikationsfiguren mit ins Boot: Klaus J. Behrendt spielt einen Vater, dem mit Ende 40 quasi ein 17-jähriger Sohn geschenkt wird. Nach dem Unfalltod der Mutter nimmt er, der wenig weiß von seinem Sohn, den Jungen zu sich in seine Junggesellenbude. Er will ein guter Vater sein, will zeigen, dass er Verantwortung übernehmen kann. Nur schwer kommen sich die beiden näher. Als das Eis gebrochen scheint, kommt der Schock: Der Junge hält sich am liebsten an Kinderspielplätzen auf, schaut Jungs hinterher und gibt einem Elfjährigen Nachhilfe (nicht nur in Mathematik). Er hat Schuldgefühle, aber er kann nicht anders. Es ist wie eine Sucht. Der Vater indes glaubt, mit Reizentzug, Internet- und Spielplatzverbot, könne der Sohn umgepolt werden, und er hofft, dass sich „die blöde Sache“ mit dem richtigen Mädchen beheben lässt. Nur, warum schenkt er ihm dann ausgerechnet eine DigiCam zum 18. Geburtstag?
„Der Vater ist absolut hilflos, er kann mit dem Thema nicht umgehen“, umschreibt Behrendt seine Rolle. Für ihn selbst wäre ein pädophiler Sohn, „das Schlimmste, was einem passieren kann“. Vielleicht ist es diese Nähe zur Haltung seiner Figur, die Behrendt eine Glanzleistung hinlegen lässt. Leise, sanft mit gelegentlichen Aussetzern, die seine Ohnmacht spiegeln, verkörpert er jenen Vater, dessen Persönlichkeit sichtlich wächst an den Konflikten mit seinem Sohn. In nichts nach steht ihm Sebastian Urzendowsky (22), der bereits 2000 im Grimme-Preis-gekrönten „Paul is dead“ sein Debüt gab. Offenbar hat ihn seine Darstellung des Kindermörders Jürgen Bartsch in „Ein Leben lang kurze Hosen tragen“ für die Rolle des Pädophilen prädestiniert. Obwohl sein „guter Junge“ ein ganz anderer Charakter ist, er zeigt Gefühle des Verliebtseins, Zärtlichkeit. Urzendowsky: „Ich glaube, Pädophile sind sehr einsam, weil sie mit niemandem über ihre Neigung sprechen können, sie quälen sich, fühlen sich oft dreckig und nichtswürdig, weil sie immer nur hören, wie eklig und pervers sie sind.“
1 Prozent aller Männer zwischen 18 und 70 Jahren sollen in Deutschland pädophil sein. Das sind rund 200.000 Personen. Laut Polizeistatistik werden 20.000 Kinder pro Jahr Opfer von sexuellen Übergriffen; die Dunkelziffer ist um ein Vielfaches höher. Das sind die Zahlen. Der Film kann keine gültige Antwort finden für das soziale Problem Pädophilie. Die Haltung der Macher ist dennoch deutlich. Käfer: „Die Täter können zwar nichts dafür, dass sie so sind, wie sie sind, aber sie sind gleichwohl verantwortlich für ihr Tun.“ (Text-Stand: 9.4.2008)