Bedrohlich hängt der Gletscher über Gremms. Diese tickende Zeitbombe ist das einzige Kapital, das dem Tiroler Bergdorf bleibt. Während der Bürgermeister deshalb den Ausbau zu einem ganzjährlichen Skigebiet vorantreibt, legt sich die Stirn des zuständigen Glaziologen in tiefe Sorgenfalten. Der befürchtet im Inneren des Gletschers eine riesige Wassertasche, die sich explosionsartig entladen könnte. Erstes Opfer der Naturgewalten wird sein Vater. Alles wäre einfacher, wenn der Eisforscher nicht mit der (dominanten) Tochter des Bürgermeisters verheiratet wäre. So muss eine alte Liebe auftauchen, um die Katastrophe zu verhindern.
Reichlich grob geschnitzt ist dieses Alpen- und Familiendrama. Dem Genre mag die dramaturgisch derbe Gangart entsprechen, doch dann fragt man sich, was Lisa Martinek in diesem Gebirgspanorama verloren hat. Immer wenn’s dramatisch wird, vergisst sie ihren alpenländischen Dialekt. Auch Tim Bergmann, der mit dem Klischee „Die Tiroler sind lustig“ kräftig aufräumt, wirkt ein wenig deplatziert neben Sympath Thomas Unger und den überzeugenden Urgesteinen Mitterrutzner und Halmer. „Gletscherblut“ ist eine banale Berg- und Talfahrt, bei der wohl allein deshalb Arte mit im Boot saß, um die aufwändigen Unterwasseraufnahmen zu finanzieren. Nach 60 Minuten wünscht man sich fast schon die Katastrophe, damit es wenigstens irgendetwas Überraschendes gibt.
Die Katastrophe bleibt am Ende aber aus. Eine Überraschung gibt es dennoch: Regisseur Thomas Kronthaler, der bislang nur mit Routine-Arbeiten wie „Die Rosenheim-Cops“ oder „Plötzlich Opa“ betraut wurde, findet zwar keine homogene, dafür aber eine sehr abwechslungsreiche Ästhetik, die effektvoll mit den Bildgrößen spielt. Wird es dramatisch oder besonders banal, dann lässt er sich etwas Besonderes einfallen: mal nimmt er den Ton raus, mal stellt er die Schauspieler in extremes Gegenlicht oder er füllt den ganzen Bildschirm mit nur einer Augenpartie. Stark sind auch die Eingangsbilder: Pulsierendes Wasser unter Eis, es tröpfelt, es staut sich, es bricht sich Bahn. In einer Minute wird das mögliche Schreckensszenario der folgenden 85 Minuten zusammengefasst. Schade, dass der Film sein visuelles Eingangsversprechen dramaturgisch nicht hält. (Text-Stand: 25.9.2009)