Gestüt Hochstetten

Julia Franz Richter, Luser, Rupp, Schmidbauer. Sechs Filmstunden sind drei zu viel

Foto: ARD / Martin Hörmandinger
Foto Rainer Tittelbach

Gerade noch musste sie sich in der Backstube herumkommandieren lassen, jetzt ist die Heldin des Vierteilers „Gestüt Hochstetten“ plötzlich Herrin eines wunderschönen Anwesens. Gerade glaubte sie noch, ein armes Waisenkind zu sein – und nun hat sie eine Familie. Identitätssuche in den Niederungen des Trivialen bietet diese österreichische Produktion von Servus-TV, die die ARD als Free-TV-Premiere ausstrahlt. Diese anspruchslose, anfangs aber recht charmante Pferde(flüsterer)revue mit Familienanbindung hätte als Vorabendserie oder als Vierteiler im Spätnachmittagsprogramm an Sonn- und Feiertagen durchaus eine Chance, auch hierzulande ein Publikum zu finden; in der Primetime aber dürfte sich diese redundante Ösi-Saga – ohne ein einziges deutsches Zugpferd – wohl eher als eine Fehlprogrammierung erweisen.

„Ich hab’ noch nie a Pferd aus der Näh’ g’sehen“, gibt Alexandra Winkler (Julia Franz Richter) unumwunden zu. Komisch ist das schon. Ausgerechnet die 23jährige Wienerin, angestellt in einer Brotfabrik, ist Alleinerbin des traditionsreichen Trakehnergestüts Hochstetten – und hat von heut auf morgen drei Halbgeschwister: den leichtlebigen Hallodri Leander (Laurence Rupp), die exzentrische Malerin Silvia (Patricia Aulitzky) und den Gestütsbesitzer in spe, den ehrgeizigen Maximilian (Christoph Luser), der ein Leben lang im Schatten seines Vaters stand und der außer sich ist über dessen Testament. Denn er und seine 15 Jahre ältere Geliebte Maggie Loss (Jeanette Hain) haben große Pläne mit dem Gestüt: Sie wollen ein umstrittenes internationales Reitturnier langfristig in Hochstetten ausrichten. Keiner aus der Familie weiß bislang davon, nicht einmal die werte Frau Mama (Michou Frisz). Damit das Großprojekt, dem der verpachtete Nachbarhof von Raphael Horvath (Aaron Karl), dem besten Freund von Leander Hochstetten, weichen muss, nicht in Gefahr gerät, will Maximilian seine unbedarfte Halbschwester mit lächerlichen 200.000 € abspeisen. Alexandra ist unsicher, sie scheint in den Handel einwilligen zu wollen, denn diese „feine“ Gesellschaft ist ihr nicht sonderlich geheuer. Andererseits möchte sie schon gern wissen, weshalb ausgerechnet sie, das Ergebnis einer angeblich ganz gewöhnlichen Affäre, das Gestüt erben soll.

Gestüt HochstettenFoto: ARD / Martin Hörmandinger
Nach und nach bekommt der Zuschauer die „Jugendsünden“ der Hochstetten-Sippe präsentiert. Explosives (erotisches) Dreieck: Silvia (Patricia Aulitzky), Margarethe Loss (Jeanette Hain als Intrigantin vom Dienst) und Maximilian (Christoph Luser)

Gerade noch musste sie sich in der Backstube herumkommandieren lassen, jetzt ist die Heldin des Vierteilers „Gestüt Hochstetten“ plötzlich Herrin eines wunderschönen Anwesens. Gerade glaubte sie noch, ein armes Waisenkind zu sein – und nun hat sie eine Familie. Identitätssuche in den Niederungen des Trivialen bietet diese österreichische Produktion von Servus-TV, die die ARD als Free-TV-Premiere ausstrahlt. Die SamFilm, Experte für Jugend- und Kinderfilme („Die wilden Kerle“), setzt nach den drei erfolgreichen „Ostwind“-Kinofilmen nun im TV-Hauptabendprogramm auf ihre Pferdefilm-Kompetenz, maßgeblich getragen von Lea Schmidbauer („Mein Sohn, der Klugscheißer“), die sowohl die „Ostwind“-Romane als auch die Drehbücher zu den Verfilmungen schrieb. Sechs Stunden Liebe und Lügen, Machtspiele und Intrigen, sechs Stunden „Trakehnerblut“, wie die Produktion in Österreich heißt, kombiniert mit den Sehnsüchten einer jungen Frau, die ihren Platz im Leben noch nicht gefunden hat. Sich die Fragen nach ihrer Herkunft zu stellen, hat die Hauptfigur bisher tunlichst vermieden. Jetzt will sie es wissen: Julia Franz Richter („Tatort – Wehrlos“) spielt jenes Backstubenmäderl aus dem Wiener Arbeiterviertel lieb & nett, zurückhaltend & verunsichert und gelegentlich auch ein bisschen tough & sexy. Ein Girlie mit Herz. Von Pferden hat Alex zwar keine Ahnung, aber zwischen der unehelichen Halbschwester und Dezember, dem auf dem Gestüt allenfalls gelittenen „Halbblut“-Hengst, besteht bei ihrer ersten Begegnung sogleich eine magische Anziehung. Das Nichtstandesgemäße verbindet die beiden: Zähmen, bändigen und vom Hochstetten-Clan missionieren lassen – nein danke!

Unmissverständlich ist so gut wie alles in „Gestüt Hochstetten“. Nach einer übersichtlichen Exposition, die dank kluger Ellipsen filmisch angenehm flüssig daherkommt, ist man als Zuschauer rasch im Bilde, welche Konflikte hier in den nächsten vier Mal 90 Minuten ausgetragen werden: Zucht und Ordnung werden mit Coolness und Laisse-faire konfrontiert und umgekehrt. Sympathie- und Antipathie-Charaktere schälen sich schnell heraus: Die grundentspannten Youngsters – die etwas naive Heldin, ihr Partylöwen-Halbbruder, dessen ernsthafter, integrer Freund Raphael und Alex’ ständig gut gelaunte Freundin Paula – sind das Gegenprogramm zum Intrigantenstadel von Maximilian Hochstetten und seiner falschen Schlange (typisch Jeanette Hain!). Der unverkennbare Hang zur Jugend tut dem Genre gut, das stofflich dem am nächsten kommt, was das ZDF in seinen Sonntagsfilmen präsentiert. Die im Gegensatz zum „Herzkino“ modernere, frischere Inszenierung, der österreichische Schmäh und eine insgesamt sehr stimmige Besetzung ohne die abgehalfterten deutschen Unterhaltungsknautschgesichter scheinen diese serielle Familiensaga zu veredeln. Als anspruchsloser Zeitvertreib vermag dieser Mehrteiler also anfangs durchaus eine gewisse Sogwirkung zu entwickeln. Jedenfalls die ersten zwei Teile. Dann wiederholen sich die Situationen und dramaturgischen Muster: Auf Dauer wird’s fad, dieses ständige Auf & Ab, Hin & Her, Ja & dann wieder Nein. Und weil in der Handlung immer wieder dasselbe erzählt wird und sich die Hauptfiguren kaum verändern, wird einem auch das immergleiche Mienenspiel der Schauspieler (Hauptdarstellerin Julia Franz Richter kommt mit zwei Gesichtsausdrücken aus) irgendwann zu viel. Das allerdings sagt selbstredend mehr über das Drehbuch und die Eindimensionalität der Figuren aus als über die Qualität der Schauspieler.

Gestüt HochstettenFoto: ARD / Martin Hörmandinger
Die Jungen machen den Unterschied. Zum Beispiel Julia Franz Richter und Aaron Karl (unverkennbar der Sohn von Fritz Karl). Anfangs besser als das übliche „Herzkino“, doch auf Dauer wird „Gestüt Hochstetten“ ziemlich fad.

Die Hauptkritik zielt ohnehin in Richtung ARD. In Österreich nämlich hatte die Produktion nicht nur einen anderen Titel, „Trakehnerblut“, sondern auch ein anderes Format. Was das Erste als Vierteiler sendet, wurde als Serie konzipiert und entsprechend auch auf Servus-TV achtteilig ausgestrahlt. Für das serielle Format und den trivialen Stoff ist die lineare, wenig raffinierte Erzählweise noch einigermaßen goutierbar für jene Zuschauer, die sich mit gediegener Serienkultur in der Tradition von „Das Erbe der Guldenburgs“ und „Das Glück dieser Erde“ zufrieden geben. Für einen Mehrteiler indes ist die Geschichte dürftig, die Narration dünn. Die Handlung gaukelt anfangs eine gewisse Komplexität vor, da die auf Anhieb durchschaubaren psychologischen Motive der Figuren mit den genreüblichen Geheimnissen der Vergangenheit aufgeladen werden. Doch es dauert nicht lange, da entpuppt sich das Ganze als ein Musterbeispiel für eine sogenannte „Gratifikationsdramaturgie“: Die Erwartungen, die man an den simplen Plot stellt, werden vollauf bestätigt, wodurch sich ein gewisses Wohlbefinden beim Zuschauer einstellt. Da kommt sich der Dümmste plötzlich richtig klug vor. Und weil das ein so tolles Gefühl ist, bleibt man zunächst weiter dran. Doch im Falle dieses verkappten Mehrteilers dürften die positiven Kicks irgendwann ausgereizt sein. Die Redundanz des Erzählten ist zu offensichtlich. Selbst die Seifenopernfreunde dürften sich langweilen, spätestens wenn im dritten Neunzigminüter, „Die Enthüllung“, die Handlung gehörig lahmt und nur das enthüllt wird, was man ohnehin schon längst erahnt hat.

Trotzdem hätte diese charmant triviale Pferde(flüsterer)revue mit Familienanbindung als Vorabendserie oder als Vierteiler im Spätnachmittagsprogramm an Sonn- und Feiertagen, ausgestrahlt innerhalb weniger Tage, durchaus Möglichkeiten, auch den deutschen Zuschauer zu erreichen; in der Primetime aber dürfte sich diese Ösi-Saga – ohne ein einziges deutsches Zugpferd – wohl als Fehlprogrammierung erweisen. Besonders übel: Die Ausstrahlung im Mehrteiler-Modus weckt beim Zuschauer die Erwartung, dass die Geschichten nach sechs Stunden abgeschlossen sind. Dem ist aber (in guter – vor allem neuer – Serien-Tradition, bei der Lust auf eine weitere Staffel gemacht werden soll) mitnichten so. Fazit: sechs Filmstunden sind schon drei Stunden zu viel – und dann noch ein unbefriedigendes Ende!

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Servus TV

Mit Julia Franz Richter, Christoph Luser, Laurence Rupp, Patricia Aulitzky, Jeanette Hain, Michou Friesz, Aaron Karl, Mariam Hage, Brigitte Kren, Andreas Kiendl, Martin Leutgeb, Stipe Erceg

Kamera: Thomas Kürzl

Szenenbild: Conrad Moritz Reinhardt

Schnitt: Gerald Slovak (1+2), Alexandra Löwy (3+4)

Musik: Wolfram de Marco

Kostüm: Mika Braun, Silke Schmelzer

Produktionsfirma: Sam Film

Drehbuch: Lea Schmidbauer

Regie: Andreas Herzog, Christopher Schier

Quote: 1. Teil: 4,71 Mio. Zuschauer (15,1% MA); 2. Teil: 3,91 Mio. (12,5% MA); 3. Teil: 3,64 Mio. (11,3% MA); 4. Teil: 4,07 Mio. (12,5% MA)

EA: 20.01.2018 20:15 Uhr | ARD

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