Seit ihr Ehemann bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam, versucht sich Betty (Christina Große) mit Affären und wilden Partys von ihrer Trauer abzulenken. Dabei bleibt die 15jährige Elise (Jasna Fritzi Bauer) vollkommen auf der Strecke. Nicht nur, dass sie Lehrer und Verwandte in Bezug auf die häusliche Situation belügen muss, sie ist es auch, die regelmäßig die stark alkoholisierte Mutter umsorgt und tröstet. Alles soll sich ändern, als Betty Ludwig (Hendrik Duryn) kennenlernt, doch ihre Liebe zu dem bodenständigen Journalisten bleibt unerwidert. Stattdessen beginnt dieser, die vernachlässigte Elise zu umsorgen – eine Form der Zuneigung, die der unglückliche Teenager nur missverstehen kann.
Ersébet Rácz erzählt in ihrem Drehbuch eine knallharte Geschichte, die insbesondere durch ihre Lebensnähe bewegt. Leider gelingt es Regisseur Wolfgang Dinslage nur sehr bedingt, diesen Realismus angemessen in eine Bildsprache zu übersetzen. Verglichen mit dem thematisch ähnlich gelagerten Film „Fish Tank“ sind hier die Farben so strahlend und die Inszenierung so glatt, dass das Gezeigte geradezu verharmlost wird und die Inszenierung einen Großteil ihrer Kraft einbüßt. Auch die Untermalung mit klassischer Musik kann nur schwer Emotionen wecken. Für das Kino (2012) einst völlig ungeeignet, verleiht diese sentimentale Note „Für Elise“ nun immerhin die Aura eines gefühlsbetonten TV-Dramas.
Nachwuchstalent Jasna Fritzi Bauer („Einen Tick anders“) überzeugt in der Rolle der überforderten 15jährigen auf ganzer Linie und weiß die komplexen Gefühle von Wut, Schmerz und Sehnsucht gekonnt zu vermitteln. Auch Hendrik Duryns Darstellung des gebrochenen Familienvaters ist gelungen, so dass die außergewöhnliche Beziehung zwischen Ludwig und Elise sich glaubwürdig vermittelt. Doch ist Dinslage auch hier zu vorsichtig und schreckt in seiner Darstellung vor der letzten Konsequenz zurück, so dass der potentielle Tabubruch in einer entschärften Lolita-Geschichte stecken bleibt. So verhindert der Regisseur zwar einen voyeuristischen Blick des Zuschauers auf das junge Mädchen, entschärft aber auch das Szenario und raubt seiner Inszenierung damit potentielle Durchschlagkraft. Was letztlich so unschuldig nach Schema F konstruiert wirkt, kann die anvisierten Alarmglocken beim Zuschauer nicht anschlagen. Stereotyp ist auch die Alkoholiker-Mutter. Es liegt weniger am Spiel von Christina Große als an ihrem eindimensionalen Charakter, dass die Figur der Betty den Zuschauer nur schwer berühren oder für ihr Schicksal interessieren kann.
Wolfgang Dinslage kocht in „Für Elise“ eine harte Geschichte aus dem wahren Leben mit seiner Inszenierung weich, so dass das Ausmaß der dargestellten Dramatik nicht zum Publikum durchdringen kann. Offensichtlich soll hiermit der Zuschauer geschont werden, vermutlich um eine entsprechende Altersfreigabe und den damit verbundenen TV-Sendeplatz zu ermöglichen. Damit erreicht Dinslage zwar ein größeres Publikum, verschenkt aber einen Teil des Potenzials, das ihm Thema und Darsteller bieten.