Der nach dem 11. September 2001 floskelhaft gebrauchte Satz „Nichts ist mehr so wie es war“ klang im politischen Zusammenhang immer schon sehr pathetisch. Für die Hauptfiguren in „Folgeschäden“ sind diese Worte bald mehr als eine vage Zustandsbeschreibung der Welt, sie werden für sie zur bitteren Wahrheit. „Es interessiert mich, die Auswirkungen von Politik und Zeitgeschehen auf ganz normale Menschen zu zeigen“, sagt der Regisseur Samir Nasr. Nach dem preisgekrönten Dokumentarfilm „Nachttanke“ und dem bemerkenswerten Langzeitprojekt „leben 16“ hat der Absolvent der Filmakademie Ludwigsburg jetzt seinen ersten Spielfilm vorgelegt. Ein Film über die Ängste, die aus einem politischen Klima entstehen können, und die Folgen, die das für eine deutsch-algerische Liebesbeziehung hat. „In einer Zeit, in der einige Medien und Politiker die Terrorangst bewusst schüren, reicht ja oft schon die kleinste Ungereimtheit, um einen Verdacht zu erzeugen“, betont Nasr.
Maya und Tariq führen eine multikulturelle Vorzeigeehe. Ihr Sohn Karim wird moslemisch erzogen. Die unterschiedlichen Religionen waren bislang nie ein Problem zwischen den Ehepartnern. Eines Tages tauchen zwei Beamte des BKA bei Maya auf. Sie zeigen ihr ein Foto von der Hochzeit eines Mannes, der Drahtzieher des New Yorker Anschlags war – im Hintergrund ist ihr Mann deutlich zu erkennen. Ein streng gläubiger Freund Tariqs quartiert sich vorübergehend bei ihnen ein und Maya spürt erstmals das Fremde an der Kultur ihres Mannes. Die Spannungen nehmen zu, als auch ihr Kind in der Schule unter den Mutmaßungen der Staatsanwaltschaft zu leiden hat. Außerdem verschwinden Ebola-Viren aus dem Labor, in dem Tariq arbeitet. Das Schlimmste für Maya ist das Schweigen ihres Mannes. So können in ihr die Zweifel wachsen, bis sie eines Tages die Gewissheit zu haben scheint: Nach einem Terroranschlag in Paris findet sie in den Unterlagen ihres Mannes ein Flugticket – nach Paris!
Neben der politischen Botschaft erzählt „Folgeschäden“ auch davon, wie zerbrechlich Vertrauen ist, sogar bei Menschen, die sich lieben. „Da kann ein fataler Mechanismus einsetzen, an dessen Ende man dem Partner alles zutraut“, sagt Samir Nasr. Maya hält es schließlich für möglich, dass ihre ganze Ehe nur ein Vorwand war, ihr Leben eine einzige Lüge. Diesen psychologischen Mechanismus entwickelt der Film plausibel und sehr anschaulich – nicht zuletzt, weil Maya das ideale Identifikationsobjekt für den Zuschauer abgibt. Silke Bodenbender, blond und hübsch, der klassische Hingucker, spielt jene Zweifelnde glaubhaft und mit einnehmendem Wesen. Weniger gelingt es Nasr, die Verbindung zwischen gesellschaftlicher Hysterie und persönlicher Zwickmühle sinnlich spürbar zu machen. Die Dramaturgie des Zweifels, die nicht ohne Handlungsklischees auskommt, dominiert. So hinterlässt „Folgeschäden“ den Zuschauer zwar nicht unberührt, aber gleichzeitig spürt er auch die Mittel zum guten Zweck. Der Film, dessen Buch von Florian Hanig mit dem renommierten Tankred-Dorst-Preis ausgezeichnet wurde, kann trotz der Beiläufigkeit des Spiels das Thesenfilmhafte nicht ganz abstreifen. (Text-Stand: 17.5.2005)