Fluss des Lebens – Geliebte Loire

Anna Fischer, Beatrice Meier, Franziska Meyer Price. „Herzkino“ mit Klasse

Foto: ZDF / Philipp Timme
Foto Tilmann P. Gangloff

Mit „Geliebte Loire“ wird die ZDF-Reihe „Fluss des Lebens“ erneut ihrem guten Ruf gerecht. Das Melodram mit nur kleinen Schönheitsfehlern ist ein Road-Movie über eine alte Frau (Lisa Kreuzer), die sich mit Hilfe einer vorbestraften jungen Altenpflegerin (Anna Fischer) auf die Suche nach ihrer französischen Jugendliebe macht. Die Darsteller sind vorzüglich, die Schauplätze erlesen, die Bildgestaltung ist vortrefflich. Der Anspruch der Geschichte zeigt sich nicht zuletzt in der Erkenntnis, die Autorin Beatrice Meier Jean Paul entlehnt hat: „Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können.“

Eine einfache Geschichte von großer Empathie: Seit Jahrzehnten trauert eine Frau ihrer Jugendliebe Henri nach; sie hat den Franzosen einst in den 60er Jahren bei einer Studienfahrt an die Loire kennen gelernt hat. Nun ist Johanna (Lisa Kreuzer) alt geworden, und weil sie nicht mehr lange zu leben hat, engagiert sie die gerade aus dem Gefängnis entlassene junge Altenpflegerin Romy (Anna Fischer) als Begleitperson bei ihrer Reise in die Vergangenheit. „Geliebte Loire“ ist ein Film aus der noch vergleichsweise jungen ZDF-Sonntagsreihe „Fluss des Lebens“ und erweist sich ebenso wie zuletzt „Geboren am Ganges“ als Melodram, das im Unterschied zu vielen anderen „Herzkino“-Werken auch gehobene Erwartungen erfüllt. Der Film ist nicht zuletzt dank der ständig wechselnden und vortrefflich fotografierten Schauplätze mit sichtbar viel Aufwand entstanden, er handelt die Konflikte auch nicht mit der für diesen Sendeplatz allzu oft üblichen Oberflächlichkeit ab. Dafür ist das Beziehungsgeflecht ohnehin viel zu kompliziert, denn was auf den ersten Blick wie eine schlichte Geschichte wirkt, entwickelt sich zu einer ziemlich komplexen emotionalen Gemengelage.

Fluss des Lebens – Geliebte LoireFoto: ZDF / Philipp Timme
Macht beim Zusehen Laune. Der Fluss, Reflexionen über das Leben, die Liebe. Lisa Kreuzer und Mathieu Delarive

Das Buch stammt von Beatrice Meier, die mit „Alleine war gestern“ und „Eine Sommerliebe zu dritt“ zwei sehenswerte ARD-Freitagsfilme mit Tiefgang geschrieben hat. Wie in „Sommerliebe“ sorgt sie mit einer weiteren Hauptfigur dafür, dass aus der Zweckgemeinschaft der beiden Frauen eine kratzbürstige Freundschaft entsteht: In Frankreich möchte Johanna die Reise zu Wasser fortsetzen. Sie entscheidet sich für Pierre (Mathieu Delarive) und seinen etwas heruntergekommenen Frachtkahn. In der Enge des Schiffes kommt sich das Trio zwangsläufig näher. Nach und nach zeigt sich, dass alle drei unter Liebeswunden leiden: Nach elf Monaten Knast musste Romy feststellen, dass ihr Freund mit einer anderen eine Familie gegründet hat. Aussteiger Pierre, bis vor kurzem in der Werbebranche erfolgreich, hat über den zeitraubenden Beruf seine Frau vernachlässigt; beide glauben nicht mehr „an das Konzept der Liebe“. Auch Johannas Erfahrungen bieten wenig Grund zur Zuversicht: Als sie sich vor über fünfzig Jahren in Henri verliebte, war sie frisch verheiratet. Da die Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg bei den Franzosen damals noch sehr präsent waren, musste sie sich als „Boche“ anfeinden lassen. Trotzdem reiste sie jeden Sommer an die Loire; bis sie eines Tages einen Brief mit Henris Todesanzeige erhielt.

Natürlich hätte sich die gefühlvolle Geschichte auch im Rahmen der Sonntagsformate „Inga Lindström“, „Katie Fforde“ oder „Rosamunde Pilcher“ erzählen lassen, zumal auch diese Reihen hin und wieder durchaus sehenswerte Filme hervorbringen. „Fluss des Lebens“ aber ist eine Klasse für sich. Dafür stehen in „Geliebte Loire“ nicht zuletzt die Untertitel: Die Franzosen dürfen französisch sprechen; Pierre kann deutsch, weil er einen Teil seiner Kindheit in Freiburg verbracht hat. Die Qualität des Films zeigt sich auch in der Bildgestaltung (Philipp Timme), die die Sehenswürdigkeiten zwar angemessen in Szene setzt, dabei aber nie dem Selbstzweck der anderen „Herzkino“-Reihen folgt, weil die Ausflüge schlüssiger Teil der Handlung sind. Die Idee, die Kulturlandschaft längs der Loire aus der Flussperspektive zu erschließen, erweist sich ohnehin als ausgezeichnet. Allerdings endet der Kanal irgendwann, und die Frauen müssen ins Auto umsteigen; Pierre fährt sie, weil Ex-Frau Flavie (Marion Creusvaux) ihn zur Taufe ihres Kindes eingeladen hat. Offenbar hätte sie nichts dagegen, die Beziehung wieder aufzunehmen, und der Franzose muss sich nun entscheiden, denn er hat sich längst in die rebellische Romy verliebt, weil sie sich, wie die Loire, nicht verbiegen lässt.

Fluss des Lebens – Geliebte LoireFoto: ZDF / Maxime Tschanturia
Ist das Leben nicht schön? Romy (Anna Fischer) schafft es endlich, sich die Lebensart von Pierre /Mathieu Delarive) einzulassen.

Für Anna Fischer ist die kesse Berliner Göre längst so etwas wie eine Paraderolle geworden. Natürlich ist Romy eher unglücklich im Gefängnis gelandet, und selbstredend ist ihr burschikoses Auftreten bloß ein Schutz für ihre verletzliche Seele; all das ist klischeehaft, keine Frage, aber Fischer, trotz ihrer beachtlichen Filmografie zum Zeitpunkt der Dreharbeiten immer noch nicht mal dreißig, versieht die Rolle mit viel Herz. Trotzdem gibt es Szenen, in denen Buch und/oder Regie (Franziska Meyer Price) die Figur verraten, indem sie sie dümmer machen, als nötig wäre (Johanna: „Sie sind komplexer, als ich dachte.“ – Romy: „Ich hab’ keine Komplexe.“). Johanna offenbart dafür Abgründe, die ebenfalls nicht zu ihrem Rollenbild passen, als sie beispielsweise Romy anstiftet, einen reizenden alten Hotelier zu bestehlen, um die Übernachtung zu bezahlen. Überflüssig ist auch die Rückblenden-Konstruktion: Der Auftakt zeigt einen neckischen Moment zwischen Romy und Pierre und hüpft dann eine Woche zurück. Bei einem Thriller mag das Spannung schüren und Neugier wecken, hier wirkt es deplatziert, zumal derzeit jeder zweite Film so beginnt. Das Lichtkonzept ist zwar ähnlich unoriginell, aber immerhin effizient: Als Romy nach der Entlassung ihre Freiheit genießt, scheint die Sonne; nachdem sie ihren Freund mit Frau und Kind gesehen hat, macht sich Nebel breit. Gegen Ende des Films wiederholt sich das Muster: Die Bilder aus Frankreich sind von Sonne durchflutet, aber damit ist’s vorbei, als Johanna eine schockierende Nachricht erhält, die der Geschichte eine Wende gibt. Dass ihre wehmütigen Erinnerungen an die verliebten Sechziger in verklärend schönen goldfarbenem Licht erscheinen, entspricht indes dem Band, das sie im Sinne Jean Pauls auch über den Tod hinaus mit Henri verbindet: „Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können.“

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Reihe

ZDF

Mit Anna Fischer, Lisa Kreuzer, Mathieu Delarive, Marion Creusvaux, Eike Weinreich

Kamera: Philipp Timme

Szenenbild: Jörg Baumgarten

Kostüm: Bettina Weiß

Schnitt: Ulrike Leipold, Till Ufer

Musik: Moritz Denis, Eike Hosenfeld

Produktionsfirma: Schiwago Film

Drehbuch: Beatrice Meier

Regie: Franziska Meyer Price

Quote: 4,05 Mio. Zuschauer (13,6% MA)

EA: 28.05.2017 20:15 Uhr | ZDF

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