Der Organhandel-Thriller „Fleisch“ war 1979 ein echter Fernseh-Aufreger. Mildred Scheel, Gattin des Bundespräsidenten, versuchte damals, die Fernseh- und Kinoausstrahlung des Films von Rainer Erler zu verhindern mit der Begründung: „er würde eine Utopie darstellen, die niemals Realität werden darf“. Das ZDF zeigte den Film dennoch, die Mehrzahl der Zuschauer war geschockt und es hagelte Proteste der Ärzteschaft. Nach der TV-Premiere kam „Fleisch“ nicht nur in die bundesdeutschen Lichtspielhäuser, sondern lief weltweit in den Kinos – in über 120 Ländern. Gedreht wurde an Originalschauplätzen in New York, New Mexico und Texas. Für Rainer Erler war der Film sein größter internationaler Erfolg.
Ein frisch verheiratetes deutsch-amerikanisches Paar gerät während seiner Flitterwochen in den USA in einen Alptraum. Der Horrortrip beginnt in einer heruntergekommenen Pension in New Mexico. Der Ehemann Mike wird in einen Krankenwagen gezerrt und entführt; seine Frau Monica kann in letzter Sekunde den Häschern entkommen. Da ihr die Polizei keinen Glauben schenkt, macht sie sich selbst auf die Suche nach ihrem Liebsten. Der einzige, der ihr hilft, ist ein Trucker. Gemeinsam kommen sie einem weit verzweigten Syndikat auf die Spur, das mit Organhandel Millionen verdient. Gegen so einen Gegner wird es schwer…
Foto: ZDF
„Rainer Erler ist bei der Wahl seiner Motive immer in die Vollen gegangen, hat Fernsehen wörtlich genommen. Postkarten aus fernen Ländern schickte er dem Zuschauer, versehen nicht nur mit netten Grüßen, sondern mit Warnungen vor dem Kollaps unserer Wohlstandswelt.“ (Andreas Wolf in TV-Spielfilm)
„Was ist der Mensch wert in Dollar und Cent?“ In „Fleisch“ gibt Rainer Erler Antworten, der Film ist Science Fiction, verpackt als klassischer Spannungsthriller im David-gegen-Goliath-Gewand. Die Story um für Organbanken ausgeschlachtete Menschen, die 1979 noch eine provokante Horrorvision war, wurde bald von der Realität eingeholt. „Sozusagen spielerisch können Zuschauer hier Situationen antizipieren, Entscheidungen simulieren, die ihnen die Wirklichkeit später einmal abverlangen mag“, schrieb die FAZ zur TV-Premiere. Was Story und Plot angeht, war Rainer Erler, ein Visionär, auch als Pionier des sozialkritischen Fernsehfilms hatte der Autor und Regisseur, der am 26. August 2013 seinen 80. Geburtstag feiert, seine Verdienste. Dramaturgisch und ästhetisch bewegte sich Erler indes zumeist auf allzu mainstreamig ausgetretenen Pfaden. Das arg heldenhafte Szenario, zwei Aufrechte gegen das Böse, und eine wenig dynamische Inszenierung orientierten sich noch zu stark an Genre-Kintopp-Klischees aus der Reinecker-Ära. „Konsalik plus Simmel plus Wissenschaft gleich Erler“, schrieb TV-Spielfilm, „so trivial und unrealistisch die Rahmenhandlungen seiner Filme mitunter sind, seine Krisenszenarien trafen häufig ins Schwarze.“ Krass und knallig gerieten ihm einige seiner sogenannten „Science Thriller“. Da war es nur folgerichtig, dass Pro Sieben 2007 ein Remake von Rainer Erlers Kultklassiker spekulativ auf TV-Movie-Kurs trimmte.