Matze hat keine Mutter; er ist einfach vom Himmel gefallen. Und so steht er eines Tages vor der Tür von Mathilda. Mathilda entspricht bis zur Klischeehaftigkeit dem Typus der modernen Karrierefrau; Gefühle haben in ihrer High-Tech-Welt keinen Platz. Matze kommt zur Unzeit, denn in Mathildas Leben tun sich entscheidende Dinge: Ihr Software-Unternehmen steht vor dem Durchbruch, sie wird in den nächsten Tagen heiraten, und sie will ein Kind. Matze ist zwar ein Kind, aber ein sehr großes: Weil es bei seiner Geburt Komplikationen gab, ist Matze behindert. Und außerdem ist er Mathildas Bruder. „Familie und andere Glücksfälle“ ist ein Glücksfall. Sieht man davon ab, dass es eine Weile dauert, bis man die etwas verworrenen Familienverhältnisse durchschaut, stimmt in diesem klugen Unterhaltungsfilm nahezu alles. Die Figuren sind bestens besetzt, das Drehbuch von Silke Zertz verrät eine Menge Liebe zum Detail, die Inszenierung von Dror Zahavi ist mehr als bloß solide, und Kameramann Clemens Messow sorgt mit seiner Lichtsetzung für klare emotionale Verhältnisse.
Das Beste am Film aber sind Matthias und Mathilda, das ungleiche Geschwisterpaar. Auch wenn der dramaturgische Effekt nicht neu sein mag: Es ist in der Tat wunderschön anzuschauen, wie der behinderte Bruder die verschütteten guten Seiten seiner Schwester zum Vorschein holt (mehr als nur eine Hommage an „Rain Man“). Während Ann-Kathrin Kramer ihre Aufgabe mit gewohnter Hingabe löst, ist Arndt Schwering-Sohnrey die Entdeckung des Films, obschon dies alles andere als seine erste Rolle ist. Er spielt den jungen Matze ohne jede falsche Sentimentalität und verzichtet zudem auf die üblichen Behindertenklischees; man muss ihn also keineswegs sympathisch finden. Daher ist auch Mathildas Unlust, sich diesen Klotz an’s Bein zu binden, überaus nachvollziehbar. Dass der Schluss dennoch reichlich märchenhaft ausfällt, ist der einzige Tribut an die Behinderung. (Text-Stand: 30. Juni 2013)