Sommer, Sonne, Seeblick – die Sonntags sollten eigentlich ihrem Namen alle Ehre machen. Doch richtig gut geht es keinem der Fünf, egal ob Mitte 20 oder Ende 60. Väterchen Franz, frisch pensioniert, trauert noch immer seinem Autohaus nach. Mama Bärbel will unbedingt nach Mallorca umziehen oder sich zumindest ein Stück weit selbst verwirklichen. Robert, der Erstgeborene, ist als Architekt gescheitert, weil er auf einem übersteigerten Kunstanspruch beharrt, und Moni, die Jüngste, hat es trotz Studiums nur an die Kasse eines Supermarkts geschafft. Bleibt die Aufgabe, die Ehre der Sonntag-Kinder zu retten, allein Karo vorbehalten. Doch auch die Managerin muss passen: die indischen Investoren feuern sie. Alle Kinder befinden sich seelisch im Sinkflug – und ziehen wieder bei den Eltern ein. So hat das Familienoberhaupt endlich wieder eine Aufgabe: Krisenmanagement heißt die Mission!
Foto: ZDF / Hagen Keller
„Familie Sonntag auf Abwegen“ erzählt vom Ur-Prinzip Familie: Eltern bleiben ein Leben lang Eltern, Kinder ein Leben lang Kinder. Erwachsene Sprösslinge, die wieder zurück kommen ins Hotel Mama, dort abhängen wie in Teenagerzeiten: diese Ausgangssituation besitzt bei aller Tragik der Einzelschicksale ein hohes Komik-Potenzial. Drehbuchautorin Kirsten Peters füllt dieses dramaturgische Gerüst, diese Struktur mit Hang zum Lächerlichen, mit köstlichen Situationen und ironischen Dialogwechseln, mit viel Familienpsychologie und deshalb großem Wiedererkennungswert. Die Vernunft & der Pragmatismus der Macher-Generation von einst, die heute gut reden hat, perlt ab an den Depressionen der jammernden „Verlierer“-Kinder. „Das Beste, wenn du jetzt ganz schnell etwas Neues findest“, weiß der Vater. „Hast du schon Pläne?“ Die Ex-Managerin, Papas Liebling, hat Pläne: „Ich rauche die Zigarette zu Ende, ich schau auf den See und dann rauche ich noch eine.“ Und zwischendurch gehen dann auch Joints rum. Besonders, als sich die Eltern mit den Worten „Wenn wir uns bis dahin nicht umbringen, sind wir am Sonntag wieder da“ in Richtung Mallorca verabschieden, gewinnen Sex & Drugs & Rock’n Roll die Oberhand am Ammersee. Die sturmfreie Bude nutzen die Geschwister auch dafür, sich mal so richtig über die beiden anderen auszukotzen. Der Älteste, der ein Mädchen werden sollte, die Sandwich-Tochter, die von Papa zur Karriere angeleitet wurde, das Küken, das einfach nur so mitlief – im Drogenrausch stoßen die drei zu den unausgesprochenen Wahrheiten ihrer Beziehungen vor und leben ihr „Nietendasein“ aus.
Foto: ZDF / Hagen Keller
Um es vorwegzunehmen: Die Eltern landen nicht auf Mallorca, sondern in einer psychotherapeutischen Praxis. So tragikomisch kann Familie, so tonlagenstark und abwechslungsreich kann Komödie sein! „Familie Sonntag auf Abwegen“ ist intelligent und es macht großen Spaß, sich mit an den Konstellationen und Konflikten – bekannterweise! – abzuarbeiten. Das Identifikationspotenzial ist hoch. Das liegt am guten Drehbuch und an einem wunderbaren Ensemble: Gisela Schneeberger ist unnachahmlich, Christiane Paul, ob im Business-Kostüm oder im Hartz-IV-Freizeit-Look, ist ideal besetzt, Sebastian Bezzel hat dieses Sich-selbst-im-Weg-stehen in anderen Filmen schon oft geübt, Anna Maria Sturm ist eine der pfundigsten Jungschauspielerinnen hierzulande und selbst an TV-Dauergast Friedrich von Thun kann man sich in dieser Form nicht satt sehen. Das Chaos hat System in dieser Komödie über die Erwartungen und Rollenbilder, die Familie immer auch mit sich bringt.
Dieser Film, auch ein Loblied auf die kreative Planlosigkeit der menschlichen Existenz, vergreift sich nur ein Mal im Ton. Dummerweise gleich zu Beginn: Christiane Pauls Erzählerstimme kündet vom Großen und Ganzen, vom Werden und Sein („entweder man rettet sich oder man geht unter mit seinen Lebenslügen“), die Bilder zeigen dagegen ein konfuses, für den Zuschauer unverständliches Treiben. Dieser komische Kontrast funktioniert nicht. Stattdessen wirkt das Intro wie eine ernsthaft ironische Anleitung für die Rezeption. Schublade auf: „Hier geht’s um was!“ Schublade zu: Tragikomödie mit Ansage. Schade, dass das ZDF einem nicht zutraut, Sinn und Tonlage des Films selbst zu erkennen. Denn zu erkennen gibt es eine ganze Menge im Chaos-Haus am Ammersee. (Text-Stand: 29. März 2013)
Foto: ZDF / Hagen Keller