Erzgebirgskrimi – Die letzte Note

Scheve, Weißbach, Beyer, Kirchhoff, Kirchner, Trageser. Bei Politik hört der Spaß auf

19.04.2025 10:00 ZDF-Mediathek Mediathek-Premiere
26.04.2025 20:15 ZDF TV-Premiere
Foto: ZDF / Hardy Spitz
Foto Tilmann P. Gangloff

Erstmals macht ein „Erzgebirgskrimi“ dem Reihentitel keine Ehre: Der zwölfte Film spielt ausschließlich in Chemnitz; dafür kann sich das gut besetzte Krimi-Drama in anderer Hinsicht sehen lassen… Nach der Ermordung einer Musikschullehrerin führt die Spur wieder mal zurück in die DDR: Marianne Bach hat einst Gleichgesinnte um sich geschart und neben wilden Partys auch politische Diskussionen organisiert; bis sie denunziert wurde. „Die letzte Note“ (ZDF / NFP) ist die sehenswerte erste Arbeit von Grimme-Preisträger Thomas Kirchner für die Reihe. Die Umsetzung ist zwar nicht so raffiniert wie bei seinen „Spreewaldkrimis“, aber Rückblenden spielen auch hier eine wichtige Rolle.

Bislang machten die „Erzgebirgskrimis“ ihrem Titel alle Ehre: Die Geschichten aus der sächsischen Provinz waren stets eng mit zum Teil uralten Bräuchen, Sagen und Legenden verknüpft. Die zwölfte Episode fällt nicht nur in dieser Hinsicht komplett aus dem Rahmen: Die Handlung trägt sich ausschließlich in Chemnitz zu. Sie beginnt mit dem Tod einer Musikschullehrerin: Marianne Bach (Corinna Kirchhoff) hat einen unerwarteten Besuch nicht überlebt. Den wichtigeren Teil der Erzählung hat Thomas Kirchner jedoch in Karl-Marx-Stadt angesiedelt, wie Chemnitz bis 1990 hieß. Dort ist vor langer Zeit eine Saat gesät worden, die nun, fast vierzig Jahre später, tödliche Früchte trägt.

Erzgebirgskrimi – Die letzte NoteFoto: ZDF / Hardy Spitz
Die gute Geschichte des zwöften „Erzgebirgskrimis“ wird veredelt durch die gute Besetzung. Orchesterleiterin Marianne Bach (Corinna Kirchhoff) zeigt dem Dirigenten Florian Messerschmidt (Alexander Beyer) die neuen Nachwuchstalente ihres Orchesters.

„Die letzte Note“ ist die erste Arbeit des Grimme-Preisträgers („Der Turm“, 2013) für die Reihe. Kirchner ist unter anderem Schöpfer der 2006 gestarteten „Spreewaldkrimis“ (ebenfalls ZDF); seine dreizehn Drehbücher zeichneten sich durch eine zumeist kongenial umgesetzte Verschachtelung der zeitlichen Erzählebenen aus. Eine entsprechende Raffinesse lässt Tim Tragesers Inszenierung jedoch vermissen. Der Film beginnt zwar mit einer cleveren Montagesequenz, die die wichtigsten Beteiligten musikalisch einführt, einige sinnvoll eingesetzte Drohnenbilder sorgen außerdem für interessante Perspektiven, aber davon abgesehen entspricht die handwerkliche Ebene einem guten Fernsehfilmniveau. Der Komposition von Andreas Weidinger würde diese Einschätzung hingegen nicht gerecht werden; besonders gelungen ist die Integrierung von Robert Schumanns „Kinderszenen“ in die Filmmusik.

Neben dem ungewohnten Schauplatz gibt es einen weiteren Unterschied zu den Rahmenbedingungen der Reihe: Robert Winkler (Kai Scheve) muss diesmal ohne seine Kollegin Szabo auskommen, doch da ist ja noch Försterin Saskia (Teresa Weißbach). Die Hobbykriminalistin bietet sich gern als „Sparringspartnerin“ für den gemeinsamen Gedankenaustausch an. Dass ihr Freund nach wie vor nicht nur strikt zwischen Arbeit und Liebe trennt, sondern auch ein Beziehungsbekenntnis schuldig bleibt, macht ihr allerdings mindestens ebenso sehr zu schaffen wie die Folgen jener beherzten Tat, mit der sie dem Polizisten in der letzten Episode („Wintermord“) das Leben gerettet hat.

Erzgebirgskrimi – Die letzte NoteFoto: ZDF / Hardy Spitz
Winkler (Kai Scheve) befragt Gerichtsmedizinerin Kulikova (Masha Tokareva) nach ihrem Verhältnis zu Dirigent Messerschmidt.

Mit Hilfe eines kleinen Tricks sorgt Kirchner dafür, dass die Försterin ausnahmsweise ihr Revier verlässt: Die Musikschule plant anlässlich der Ernennung von Chemnitz zur Kulturhauptstadt Europas eine orchestrierte Aufführung der „Kinderszenen“ mit jugendlichen und erwachsenen Mitwirkenden. Saskia ist als Hornistin dabei, Rechtsmedizinerin Kulikova (Masha Tokareva) als Cellistin. Ausgerechnet sie gerät jedoch auf die Liste der Mordverdächtigen, nachdem sie Opfer einer Intrige geworden ist: Eine junge Ukrainerin hat dafür gesorgt, dass die gebürtige Russin das Orchester verlassen muss, deshalb kam es zum Streit mit Marianne Bach. Zur Zeit des von Kulikova selbst ermittelten Todes hatte sie jedoch Sex mit dem Dirigenten, Florian Messerschmidt (Alexander Beyer). Sollte die Rechtsmedizinerin einen falschen Todespunkt angegeben haben, stünden beide ganz oben auf der Liste.

Die Gegenwarthandlung entspricht weitgehend den üblichen Krimigegebenheiten. Ihren Reiz verdankt die Geschichte den Rückblenden, die Kirchner und Trageser immer wieder einstreuen: Geigerin Marianne hat bereits in jungen Jahren an der von ihrer Mutter gegründeten Musikschule Talente gefördert und Mitte der Achtzigerjahre in ihrem „Musikkabinett“ eine Gruppe Gleichgesinnter um sich geschart. Die jungen Leute feierten nicht nur wilde Partys: In einer Szene liest jemand aus „1984“ vor; George Orwells dystopischer Klassiker über den perfekten Überwachungsstaat war in der DDR aus naheliegenden Gründen („staatsfeindliche Hetze“) verboten. Zur Musikschulklasse gehörte auch der damals von Marianne als ihr „Rohdiamant“ gepriesene minderjährige Florian; die beiden verband allerdings mehr als bloß die Leidenschaft für die Musik. Als die Lehrerin anonym denunziert wurde, war dies auch das Ende der Gruppe; bei Politik – wird sie von einem Funktionär belehrt – hört der Spaß auf.

Erzgebirgskrimi – Die letzte NoteFoto: ZDF / Hardy Spitz
Rückblenden sind in dieser ersten Arbeit von Thomas Kirchner für den „Erzgebirgskrimi“ zentrales Element. Die junge Marianne Bach (Nele Kiper) und der junge Florian Messerschmidt (Christian Ohngemach) hatten zu DDR-Zeiten ein unerlaubtes Verhältnis.

Kirchner erzählt einige solcher kleinen Begebenheiten, die auf ihre Weise allesamt mit dem Todesfall zu tun haben. Eine weitere Ebene variiert die Geschichte von Romeo und Julia: Faris, ein junger Syrer, erster Geiger im Orchester und Mariannes aktueller „Rohdiamant“, ist schwer in die Jüdin Rahel verliebt, was die jeweiligen Elternpaare um keinen Preis erfahren dürfen. Am Ende findet sich die Lösung jedoch wenig überraschend in einer der „alten DDR-Kamellen“; und ausgerechnet Saskia liefert den entscheidenden Hinweis zur Lösung.

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Reihe

ZDF

Mit Kai Scheve, Teresa Weißbach, Masha Tokareva, Alexander Beyer, Corinna Kirchhoff, Christina Große, Lovena Börschmann Ziegler, Mido Kotaini, Jörg Witte, Thomas Thieme, Anastasiia Nikitenko

Kamera: Eckhard Jansen

Szenenbild: Jost Brand-Hübner

Kostüm: Anne-Gret Oehme

Schnitt: Andreas Althoff

Musik: Andreas Weidinger

Redaktion: Pit Rampelt

Produktionsfirma: NFP

Produktion: Rainer Jahreis, Clemens Schäffer

Drehbuch: Thomas Kirchner

Regie: Tim Trageser

EA: 19.04.2025 10:00 Uhr | ZDF-Mediathek

weitere EA: 26.04.2025 20:15 Uhr | ZDF

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