Die Episoden der Actionserie „Alarm für Cobra 11“ beginnen meist mit einem Knalleffekt. Ralph Polinski hat eine ganze Reihe dieser Autobahnabenteuer inszeniert, und so setzt er auch zum Auftakt von „Einsatz in den Alpen“ ein Ausrufezeichen: Die beiden Mountainbiker, die halsbrecherisch einen Berg runterrasen, haben mit der eigentlichen Handlung nichts zu tun, sorgen aber dank einer auf dem Rad montierten Kamera für Bilder, die jeden Adrenalin-Junkie mit Ehrfurcht erfüllen werden. Wie bei einer Serienfolge hält sich der Film nicht lange mit Vorgeschichten auf: Vor den Augen der Radfahrer wird eine Frau von einem Armbrustpfeil in den Hals getroffen und stürzt in die Tiefe. Ähnlich unmittelbar wird der Held eingeführt: Tom Falk (Jochen Matschke) arbeitet als verdeckter Ermittler in der Innsbrucker Drogenszene. Als er bei einem fingierten Deal erfährt, dass die Polizei zur gleichen Zeit in den Bergen den berüchtigten Armbrustkiller jagt, klaut er dem Gangster kurzerhand Motorrad und Maschinen-Pistole und braust ins Gebirge. Dort stellt er den Serienmörder tatsächlich, aber der Mann wird vor seinen Augen von einer Gerölllawine überrollt. Immerhin gelingt es Tom, sich selbst sowie die Pilotin eines Polizeihubschraubers, die kurz zuvor ein Einsatzkommando abgesetzt hatte, in Sicherheit zu bringen. Die Ouvertüre endet mit einer weiteren eindrucksvollen Aufnahme, als das Motorrad aus einer gigantischen Staubwolke herausschießt.
Diese ersten 15 Minuten bieten derart viel Spektakel, dass der Film nun erst mal zur Ruhe kommen muss. Außerdem möchte das Publikum natürlich gern wissen, was es mit dem Mörder auf sich hat und warum Tom so besessen von dem Killer ist. Auch in dieser Hinsicht bleibt Timo Berndt, dank dessen Drehbüchern die ZDF-Thriller-Reihe „Sarah Kohr“ regelmäßig mehr als sehenswert ist, seiner dramaturgischen Linie treu: Die wendungsreiche Geschichte beginnt, als sie im Grunde zu Ende ist, denn der Täter hat sein Werk nach einem halben Dutzend Morde vollendet. Psychologisch geschulte Genrefans wissen natürlich, dass Serienmörder nicht in Rente gehen, es muss also etwas anderes hinter den Taten stecken; und das ist der Krimiaspekt des Films. Toms Obsession resultiert aus seiner persönlichen Betroffenheit: Eines der Opfer war seine Freundin.
Wenn der Film sein Publikum findet, ist „Der Armbrustkiller“ der Auftakt einer Reihe, die den Arbeitstitel „Alpencops“ trug; zum Glück hat RTL ihn nicht übernommen. Das Potenzial für Fortsetzungen ist da, denn Berndt hat seinen Helden mit interessantem Personal umgeben: Als sich rausstellt, dass Tom seine Harakiri-Aktion unter Drogeneinfluss durchgeführt hat, weil er beim Koks-Deal der Glaubwürdigkeit halber eine Prise schnupfen musste, wird er suspendiert. Das gleiche Schicksal ereilt Pilotin Nina (Agnes Decker): Obwohl sie auf Anweisung gehandelt hat, wird ihr der Verlust des Helikopters angekreidet; als einzige Frau in der Flugpolizei hat sie ohnehin einen schweren Stand. Die faszinierendste Figur ist jedoch Polle (Hendrik Heutmann), ein ehemaliger Gebirgsjäger, der in seiner eigenen Welt lebt, aber über geniale Fähigkeiten verfügt und mit einem Blick die Ordnung im Chaos erkennt; außerdem ist er ein erstklassiger Scharfschütze. Gerade im Vergleich zum vielschichtigen Polle, der am liebsten nur mit seinem Esel redet, sind die weiteren Figuren etwas stereotyp ausgefallen: Sebastian Falk (Peter Fieseler), ein Anzug- und Bedenkenträger, ist das genaue Gegenteil seines jüngeren Bruders, aber als Leiter der Soko Armbrust weisungsbefugt. Komplettiert wird die familiäre Ebene durch die zuständige Staatsanwältin (Alissa Jung): Sie ist Sebastians Ex-Frau. Beide sind überzeugt, dass der Mörder tot und unter tausenden Tonnen Geröll begraben ist; der Fall ist zwar nicht gelöst, aber die Akte wird geschlossen. Einzig Tom und seine Getreuen ahnen, dass der bombastische Abgang ein inszeniertes Ablenkungsmanöver war.
Das Trio ist reizvoll besetzt, zumal Jochen Matschke zuletzt zweimal hintereinander als Hauptdarsteller der romantischen Komödien „Zum Glück gibt’s Schreiner“ (ARD) und „Alice im Weihnachtsland“ (ZDF, beide 2021) in ganz anderen Rollen zu sehen war. Agnes Decker und Henrik Heutmann, der seine gelegentlich heiteren Dialoge mit todernster Miene vorträgt, sind weit mehr als bloß Ergänzungen. Ebenfalls interessant ist die Rolle des Paten von Innsbruck: Rainer Wöss könnte auch den schurkischen Bürgermeister in einem Heimatdrama verkörpern, hat aber das nötige Format, um der Staatsanwältin mit einem scheinbar harmlosen Satz das Blut in den Adern gefrieren zu lassen. Zwischendurch gönnt sich der Film auch mal ein paar Ruhepausen, aber die donnernde Musik sorgt dafür, dass selbst harmlose Bergszenen wie Hochspannungsfernsehen wirken; Daniel Freundliebs Kompositionen sind die halbe Miete. Die gute Bildgestaltung ist dem Genre ebenfalls angemessen, zumal Polinski, der dank „Die Bergretter“ (ZDF) bereits Alpenerfahrung sammeln durfte, und der gleichfalls „Cobra 11“-geschulte Kameramann Christian Paschmann gern überraschende Blickwinkel einstreuen, etwa mit einer Einstellung aus der Perspektive der Lawine. Da Tom passionierter Kletterer ist, gibt es reichlich Anlass für eindrucksvolle Bergbilder. Die optischen Effekte sind zwar digital hergestellt, aber dennoch imposant. „Einsatz in den Alpen“ kann gern in Serie gehen.