„Kaffeekochen und Tippen – machen Sie das mal den ganzen Tag; dann würden Sie sich auch langweilen.“ Siggi Thieme will mehr. Ihr soll der Beruf Spaß machen. Wir schreiben das Jahr 1974. Also entschuldigt sie sich ob ihrer etwas vorlauten Bemerkung vor den Herrschaften, die zu entscheiden haben, ob „das liebe Fräulein“ die Laufbahn der Kriminalpolizistin einschlagen kann oder nicht. Sie wird zugelassen. Ihre Familie weiß lange nichts davon. Das hat gute Gründe. Ihr Verlobter Jürgen ist nicht begeistert, akzeptiert aber zähneknirschend ihren beruflichen Ehrgeiz. Komplizierter wird es mit ihrem Vater. Der, selbst Polizist, kommt mit dem Todschlagargument jener Jahre, „solange du deine Füße unter meinen Tisch stellst…“, und lässt damit seiner Tochter keine Wahl: Siggi zieht aus – nicht zu Jürgen, das wäre ja nicht „anständig“, wie Mutter sagt, sondern in die Altstadt-WG zu ihrer Freundin Jutta. Beruflich geht es bei ihr bald richtig zur Sache: Siggi kommt zur Kriminalbereitschaft. Mit „Serpico“, ihrem Chef, versteht sie sich gut – vielleicht fast etwas zu gut. Ganz besonders auf dem Kieker dagegen hat sie den Big Boss in ihrem Kiez, der die junge Ramona auf den Strich schickt. Diesem „King“ das Handwerk zu legen, ist ihr größter Ehrgeiz.
Foto: ZDF / Julia von Vietinghoff
Bremen, Mitte der 70er Jahre. Damals war Siggi Holschen dort eine der ersten Frauen, die bei der Kripo arbeiteten, nachdem die Brandt-Regierung auch diese Kommissariate für Frauen öffnete. Der Fernsehfilm „Eine wie diese“ ist angelehnt an die beruflichen Erfahrungen dieser norddeutschen Polizistin. In Bremen, immer schon sozialdemokratisch und ausgesprochen fortschrittlich regiert, gab es weniger Probleme als anderswo mit der Akzeptanz der weiblichen Kollegen. Eine geeignete Stadt also, um für das ZDF-„Herzkino“ diese individuelle, aber durchaus auch repräsentative Emanzipationsgeschichte zu erzählen. Es ist kein Drama um Vorurteile, Missgunst und Diskriminierung, sondern ein Spielfilm über das sich Freischwimmen mit Anfang 20 in einer Zeit, in der es noch keine Selbstverständlichkeit für eine Frau war, im Beruf ihrer Wahl zu arbeiten. Es ist die Geschichte einer Heldin des Alltags, von der man annimmt, dass sie ihr Leben, so wie sie es führen will, meistern wird. Aufbruch und Zuversicht sind die spürbaren Triebkräfte der Handlung. Der Zuschauer begleitet Siggi Thieme bei ihren alltäglichen beruflichen sowie privaten Prüfungen; die Weltordnung im Großen und Ganzen will sie nicht auf den Kopf stellen. Die angehende Polizistin will Gerechtigkeit – auch für sich. Sie ist Einzelkämpferin, keine für die Gleichberechtigung kämpfende „Emanze“ – auch das macht diese Heldin noch ein bisschen mehr tauglich für den ZDF-Sonntag. Nichtsdestotrotz ist dieses überaus gelungene Sittenbild der frühen 70er Jahre – nicht nur für diesen gefühlslastigen Sendeplatz – eine außergewöhnliche Produktion.
Soundtrack: Gilbert O’Sullivan („A Woma’s Place“), Jimi Hendrix („Hey Joe“), Eric Clapton („I Shot The Sheriff“), James Brown („I Feel Good“), Doors („People Are Strange“), Rolling Stones („Honky Tonk Women“), Earth Wind & Fire („Mighty, Mighty“), Santana („Black Magic Woman“), Burt Bacharach („Hasbrook Heights“), Bert Kaempfert („Tea & Trumpets“ / „Magic Moments“)
Foto: ZDF / Julia von Vietinghoff
„Eine wie diese“ ist eine klassische Entwicklungsgeschichte auf dem Hintergrund des Zeitgeists der 70er Jahre. Autorin Meriko Gehrmann ist sichtlich darum bemüht, viele Themen des Jahrzehnts in ihre Geschichte einfließen zu lassen, ohne sie mit allzu vielen Sprechblasen der Zeit oder mit Erklärsätzen zu belasten. Dass ausgerechnet der vorgestrige Papa mit seinem Kollegen „Willys“ Bafög-Gesetz diskutiert, wirkt wenig glaubhaft. Nimmt man es als Zeichen dafür, dass der Alte bereit ist, sich geistig zu „bewegen“, bleibt das eine wenig geglückte (da mit Ausrufezeichen versehene) Szene. Grenzwertig sind auch die Anspielungen bei Tisch auf die Benzinschleuder des selbstgefälligen Prokuristenschwagers oder auch die überdeutliche Schicht-spezifische Polarisierung innerhalb der Familie (Malocher vs. „was Besseres“). Man kann sich auch fragen, ob man den viel zitierten Satz „Wer zwei Mal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment“ unbedingt auch noch unterbringen musste. Wo ein solches Zeitgeist-Signal angemessen und wo dagegen ausgestellt erscheint, das liegt letztendlich aber im Auge des Betrachters. Insgesamt gelingt es Gehrmann und Regisseurin Franziska Buch ausgezeichnet, die Konflikte als Zeitkonflikte darzustellen, sie auch dem, der in dieser Zeit nicht gelebt hat, verständlich zu machen und dabei grobe Klischees zu vermeiden. Die beiden WG-Mitbewohner der Heldin sind beispielsweise sehr gut getroffen. Karoline Teska und Tino Mewes gelingt es sehr stimmig die Einflüsse deutlich zu machen, denen sich junge, kritische Leute damals ausgesetzt sahen: der Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Theorie und Praxis schlägt dabei immer wieder durch; genauso wie der Wechsel der Parolen und der Partner. Auch wenn die WG-Szenen mitunter durchaus launig und sehr treffend sind („bin ich eigentlich die einzige, die mal einkauft?!“) – die Haltung des Films bleibt dabei eine durchweg ernsthafte – was (beispielsweise im Vergleich mit dem etwas später ebenfalls in der Bremer Studentengegend spielenden „Neue Vahr Süd“ nach Sven Regener) Ironie weitgehend ausschließt. „Eine wie diese“ kreiert eine „heimliche Heldin“, versucht damit aber auch eine bestimmte Frauengeneration zu charakterisieren, die eben nicht nur aus Alice Schwarzers bestand, sondern auch aus Frauen wie jener Siggi Thieme, die den Wandel im gesellschaftlichen Bewusstsein nicht vordachten, sondern vorlebten. Und so schwimmt sich diese junge Polizistin frei, stößt aber immer wieder an Grenzen ihrer Erziehung und ihrer Herkunft. Sie taugt nicht zur wilden Kommunardin. Sie sucht eher das kleine private Glück.
Foto: ZDF / Julia von Vietinghoff
Cornelia Gröschel spielt jene ihren Lebensweg suchende Heldin, die mit den verschiedensten Rollenbildern konfrontiert wird und sich zwischen Kriegsgeneration („ist eben nichts für Mädchen“) und Post-68ern („wechsle die Seiten“), zwischen Chauvis, Casanovas und Softies, zwischen Flintenweibern, braven Hausfrauen und verrückten Hühnern behaupten und positionieren muss. Wie zuletzt in der sehr heutigen Zeitgeistkomödie „Nele in Berlin“ spielt das Jungtalent (Jahrgang 1987) diese ungleich schwierigere Rolle der zwischen den Stühlen Sitzenden mit einer Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit, die viel zur angenehmen Unaufgeregtheit und Glaubwürdigkeit des Films beiträgt. Die Widersprüche und Gegensätze, die sie aushalten muss, sind eindrücklich in ihre Körpersprache eingeschrieben. Die ZDF-Redakteurin Beate Bramstedt bringt es wunderbar auf den Punkt: „Zwar senkt sie demütig den Kopf, aber gleichzeitig blitzen die Augen, wenn ihre Lippen stumm bei gerecktem Kinn ‚und trotzdem’ formulieren.“ Die Besetzung insgesamt ist vorzüglich; allenfalls Max von Thun, der als einziger verkleidet wirkt, mag man seine Rolle als Kiez-König nicht recht abnehmen. Ihm heftet sich die Heldin am Ende – wohl auch aus Frust über ihren etwas selbstgefälligen Chef, der sich dementsprechend nicht ganz uneitel „Serpico“ nennt – an die Fersen. Der Film mutiert dadurch aber keinesfalls zum Krimi, sondern bleibt ein sehr sehenswertes zeitgeschichtliches Porträt einer jungen Frau.