Eine Frage des Vertrauens

Silke Bodenbender als falsche Ärztin, die unter ihrem Lügengebäude zusammenbricht

Foto: ZDF / Wehner
Foto Rainer Tittelbach

Marie Hansen ist eine Bilderbuch-Ärztin. Ihr Manko: sie hat keine Approbation, sie ist eine Betrügerin. Die Herausforderung, eine Figur zu zeigen, die etwas Verurteilenswertes tut, ohne dass sie der Zuschauer verurteilt, gelingt durch die Besetzung mit Silke Bodenbender. Ihr Porträt einer ehrgeizigen, ins Familiensystem verstrickten jungen Frau ist so überzeugend, dass man mitunter die allzu kräftigen Striche der Dramaturgie zu übersehen bereit ist.

Marie Hansen arbeitet als Assistenzärztin auf der Kinderstation einer Hamburger Klinik. Aufopferungsvoll kümmert sie sich um ihre kleinen Patienten. Ihr Spezialgebiet ist die lebensbedrohliche, unheilbare Stoffwechselkrankheit Mukoviszidose. Was keiner weiß: Hansen ist vor acht Jahren drei Mal durchs Examen gefallen. Ihre Stelle hat sie mit der gefälschten Kopie einer Approbationsurkunde angetreten. Doch jetzt meldet sich die Ärztekammer mit der Aufforderung, das Original vorzulegen. Probleme gibt es auch am Arbeitsplatz: Ihr Chef hat sie mit einer Medikamentenstudie betraut, bei der nach viel versprechendem Start Komplikationen auftreten. Das verkompliziert auch ihre Liebesbeziehung zu einem Vater eines ihrer Patienten. Als er erfährt, dass sie keine richtige Ärztin ist, verweigert er die Zusammenarbeit. Und Marie Hansen muss reagieren.

„Eine Frage des Vertrauens“ erzählt davon, wie eine Frau langsam unter ihrem Lügengebäude zusammenbricht. Nach außen ist sie eine Bilderbuch-Ärztin. „Sie handelt falsch – aus den richtigen Motiven“, so Regisseur Miguel Alexandre. Der Film zeigt auch, wie es dazu kommen konnte. Ein Blick in die Familie genügt: Marie Hansen ist Pfarrerstochter in einer dörflichen Gemeinde; ihrer leistungsorientierten Mutter geht der gute Ruf über alles. Maries Schwester Sara ist das schwarze Schaf der Familie, Simone, die älteste, ist gestorben, also musste Marie die Vorbildtochter geben, eine Tochter, die ihre Eltern nicht enttäuschen will.

Autorin Annette Hess machte aus ihrer falschen Ärztin keine Hochstaplerin mit krankhafter Profilneurose. Das wäre schlecht gegangen als Heldin, mit der der Zuschauer mitfühlen soll. „Ein brillant-dreister Hochstapler kann amüsant sein anzuschauen, aber er berührt mich nicht“, betont Hess. Als Hauptfigur musste sie Marie Hansen zum Opfer ihrer Umstände machen: eine Frau, die unter Druck versagt, die aber in der Praxis Hervorragendes leistet. „Eine normale Frau, die ein vielen von uns sehr bekanntes Problem hat – sie ist überfordert.“

Eine Frage des VertrauensFoto: ZDF / Wehner
Wie lange noch hält das Lügengebäude der dreimal durchs Examen gefallenen „Ärztin“? Silke Bodenbender & Möhring

Die Herausforderung, eine Figur zu zeigen, die etwas Verurteilenswertes tut, ohne dass sie der Zuschauer verurteilt, gelingt nicht zuletzt durch die Besetzung mit Silke Bodenbender (und Wotan Wilke Möhring in seiner leisen Art). Bodenbenders Porträt einer ehrgeizigen, ins Familiensystem verstrickten jungen Frau ist so überzeugend, dass man die mitunter allzu kräftigen Striche der Dramaturgie zu übersehen bereit ist. Diese Existenz unter Dauerdruck, der extrem schmale Grat zwischen Freude, Angst und tiefer Traurigkeit oder die latente Anspannung, die sich in einem Alkoholrausch im Haus der Eltern Luft macht – das sind die nachhaltigsten Momente im Film von Miguel Alexandre („Die Frau vom Checkpoint Charlie“).

Mit den Situationen, in die die Heldin geworfen wird, hätte Autorin Hess besser etwas sparsamer umgehen sollen: da wollte das ZDF offenbar mal wieder auf Nummer sicher gehen. Etwas weniger Küchenpsychologie, ein, zwei Konfliktherde weniger (da will auch noch der Mann von der Ärztekammer mit der falschen Ärztin ins Bett) wären mehr gewesen – und dann muss auch noch der Pfarrervater den Wahrheits- und Glaubens-Diskurs anstimmen. Fazit: „Eine Frage des Vertrauens“ erreicht den soliden ZDF-Themenfilm-Standard, ist vordergründig packend, bleibt aber dramaturgisch schematisch.

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Fernsehfilm

ZDF

Mit Silke Bodenbender, Wotan Wilke Möhring, Katharina Marie Schubert, Hermann Beyer, Michaela Rosen, Peter Kremer, Rudolf Kowalski

Kamera: Jörg Widmer

Szenenbild: Thomas Franz

Schnitt: Tobias Forth

Produktionsfirma: Network Movie

Drehbuch: Annette Hess

Regie: Miguel Alexandre

Quote: 5,02 Mio. Zuschauer (15% MA)

EA: 08.03.2010 20:15 Uhr | ZDF

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