Schlecht gelaunt geht Klaus Roth an diesem Morgen zur Arbeit. In seiner Schreinerei ist es still, aufgeräumt und sauber, weder Angestellte noch Aufträge scheinen auf den Besitzer zu warten. Und Roth hat auch andere Pläne: Wenig später steigt er zu zwei Männern, die in einem Auto vor einer Bank-Filiale in der Kleinstadt Ladenburg warten. „Das gibt’s doch nicht. Unser Schreiner überfällt die Bank“, wird die Bankangestellte Gisela Rilling später sagen. Doch eigentlich will Roth jetzt abbrechen. Sein Komplize Achim Buchert hat einen neuen Fahrer mitgebracht, einen Mann, den Roth nicht kennt. Nun geht alles fürchterlich schief. Aus dem geplanten Überfall auf einen Geldtransporter und der unerkannten Flucht wird eine Geiselnahme, und obwohl Roth und Buchert ihre Gesichter hinter Masken verbergen, wird ihre Identität bekannt, denn der dritte Mann wird schnell gefasst.
Im Gegensatz zu den Bankräubern sind in dem Thriller „Ein todsicherer Plan“ Profis am Werk: Regisseur Roland Suso Richter und Autor Holger Karsten Schmidt, der in diesem Jahr für „Mord in Eberswalde“ seinen zweiten Grimme-Preis gewann (nach „Mörder auf Amrum“ 2010). Beide haben bereits mehrfach zusammengearbeitet, etwa bei „14 Tage lebenslänglich“ oder dem SWR-„Tatort: Spiel auf Zeit“ von 2013 mit Richy Müller als Stuttgarter Kommissar Lannert. Müller spielt auch hier die Hauptrolle des Schreiners Roth. Er ist das emotionale Zentrum des Films, der in den klaren Genre-Grenzen geschickt an die jüngsten Banken-Skandale anknüpft und auf einen spannenden, harten Geiselnahme-Thriller in einer baden-württembergischen Kleinstadt „herunterbricht“. Müller spielt diesen unfreiwilligen Bankräuber eindrucksvoll als „ehrbaren“ und dennoch entschlossenen „Learning by doing“-Täter.
Einem Handwerker im Musterländle und seiner Familie wird durch Banken-Spekulationen der Boden unter den Füßen weggezogen: Roth will es irgendwann im Verlauf der Geiselnahme wissen, wie das genau abgelaufen ist. Eine starke Szene, in der der Bankräuber die drei Angestellten und ihren Chef „verhört“, in der sich das Täter/Opfer-Schema umkehrt und die Banker – offenbar zum ersten Mal überhaupt – miteinander über die Folgen ihres Handelns sprechen. Und: Man lernt tatsächlich etwas über das Bankgeschäft. Autor Schmidt hat hier jedoch keinen pathetischen Dialog geschrieben, sondern behält immer auch die Figuren und den gruppendynamischen Prozess im Blick. Der verheiratete Filialleiter Huttenlocher, der eine Affäre mit der hübschen Angestellten Miriam Nohe hat. Die nun aber dem eher steifen, ungeschickten Kollegen Sascha Schmidt schöne Augen macht. Und dazu die ältere, erfahrene Angestellte Gisela Rilling, die sich auch mal traut, ein offenes Wort zu sagen. Vier starke, gut besetzte Nebenrollen (Michaela Caspar, Frederick Lau, Claudia Eisinger, Christian Beermann).
Auf Polizei-Seite wird eine weibliche Figur zur Gegenspielerin: eine taffe LKA-Einsatzleiterin, von Julia Brendler gespielt, nimmt der örtlichen Polizei das Heft aus der Hand. Und überrascht mit Entscheidungen, die vielleicht keinem Realitätscheck standhalten, aber wirkungsvoll die Spannung hoch halten. Das SEK erst wegzuschicken, um es dann doch wieder zu ordern, wirkt allerdings auch im Film seltsam. Aufdringliche Schaulustige und Journalisten reihen sich in das Chaos ein. Dass eine solche Inszenierung von der Wirklichkeit mühelos überholt werden kann, weiß man jedoch spätestens seit dem Geiseldrama von Gladbeck.
Das Kleinstadt-Szenario erhält mit dem Eintreffen des LKA jedenfalls eine beschleunigte Dynamik. Was als verunglückter, stümperhafter Überfall beginnt, dessen Folgen sich mit etwas Vernunft eindämmen ließen, steigert sich immer mehr zu einem knallharten Thriller. Zur „Beglaubigung“ dient auch die Vergangenheit von Roths Komplize Buchert, der als Sprengstoff-Experte der Bundeswehr in Afghanistan stationiert war – und als einziger seiner Einheit überlebte, ohne traumatisiert zu sein. Das wirkt etwas konstruiert und dick aufgetragen, aber die von Buchert installierte Sprengstoff-Falle tut ihren Dienst im Sinne der Geschichte. Großartig die Idee, am Ende mit einer zweiten weiblichen Figur das Drama auf die Spitze zu treiben. Sehr schön wird in diesem Film die Erwartung unterlaufen, dass Polizistinnen immer besonders einfühlsam und menschlich handeln müssten.
Schmidt und Regisseur Richter erzählen hier außerordentlich spannend und bewegend, wie die Welt aus den Fugen gerät, wie einzelne Menschen in ihrem verzweifelt und naiv geführten Existenzkampf einen unaufhaltsamen Mechanismus in Gang setzen. „Ich bin nur hier, um etwas wieder ins Lot zu bringen“, sagt Schreiner Roth, als er zu Verhandlungen mit dem ihm persönlich bekannten Ladenburger Polizei-Chef vor die Bank tritt. Die Schaulustigen applaudieren, als Roth die Bank anklagt. „Hundstage“ in Ladenburg. Der Sidney-Lumet-Klassiker von 1975 bekommt eine zeitgemäße, mehr als respektable Fernseh-Variation.