Ein starkes Team – Prager Frühling

Maranow, Martens, Vester, Rohde, Tarrach. Hochhaussiedlung am Rande der Stadt

Foto: ZDF / Katrin Knoke
Foto Thomas Gehringer

Hinter dem gewaltsamen Tod eines arbeitslosen Lkw-Fahrers verbirgt sich ein ungewöhnliches Thema: Der Handel mit Führerscheinen. Kulisse ist eine triste Hochhaussiedlung, die Familien haben Angst vor dem Absturz. „Prager Frühling“ aus der ZDF-Reihe „Ein starkes Team“ erzählt unaufgeregt vom Überlebenskampf am Rande Berlins. Ein Whodunit-Krimi mit einem wenig überzeugenden Nebenstrang um Ottos Führerschein-Verlust, aber mit starken „Gästen“ (Vester, Rohde, Tarrach) und überraschendem Ende.

Zwei Männer fahren auf einen Waldparkplatz, steigen aus, streiten lautstark. Dann verschwinden sie im Gebüsch, man hört zwei Schüsse, einer der beiden kehrt zurück und flüchtet mit dem Auto. Das Opfer ist ein arbeitsloser Lkw-Fahrer. Er hatte einen Unfall verursacht, bei dem zwei Jungen starben. Der Vater der toten Jungen hatte ihn mehrfach bedroht, außerdem beweisen Reifenspuren, dass er ebenfalls am Tatort gewesen sein muss.

Die Kulisse für diesen klassischen Whodunit-Krimi bildet eine Hochhaussiedlung am Rande Berlins. In der Nähe hat Sputnik mal wieder ein neues Geschäft eröffnet: eine Kartbahn, auf der sich nur wenige Kinder tummeln. Auch das nicht gerade ein optimistisch wirkender Ort. Wie zumeist steht Sputniks Neugründung in Verbindung mit einem wichtigen Motiv des Films. Hier ist es die Fortbewegung. Autos sind hier jedoch mehr als das Lieblingsspielzeug der Deutschen, es geht um Führerscheine als Existenzgrundlage und um den Handel mit illegal ausgestellten Papieren. Ein interessantes, ungewöhnliches Thema, bei dem auch Behördenwillkür, Korruption und organisierte Kriminalität eine Rolle spielen.

Allerdings bleibt manches Routine. Otto zum Beispiel ist mal wieder der Trottel, der von seiner Kollegin Verena herausgepaukt werden muss. Er setzt seinen Wagen gegen einen Stein und trinkt erst einmal in Ruhe bei Sputnik ein Gläschen Sekt, statt auf die Kollegen von der Streife zu warten. Damit handelt er sich auch noch die Vorwürfe Unfallflucht und Alkohol am Steuer ein. Wie zuvor der getötete Lkw-Fahrer gerät der Kommissar ohne Führerschein an einen „Sesselfurzer“ (Otto) im Straßenverkehrsamt, der ein einträgliches Nebengeschäft mit der Vermittlung von Kunden an teure Gutachter betreibt. Matthias Matschke spielt diesen Fiesling aalglatt und akkurat gescheitelt, Otto ist unentwegt empört – so richtig zünden will dieser Nebenstrang nicht. Zu durchschaubar das Ganze, zu bieder die Dialoge.

Ein starkes Team – Prager FrühlingFoto: ZDF / Katrin Knoke
Strampeln sich vergebens ab: das Ehepaar Nax. Saskia Vester und Jürgen Tarrach in „Ein starkes Team – Prager Frühling“

Auch der eigentliche und etwas umständlich konstruierte Fall entwickelt nicht gerade atemlose Spannung, bietet aber ein starkes, überraschendes Ende. Die Qualität des Films liegt vor allem in der unaufgeregten Darstellung der sozialen Verhältnisse, es ist ein Lehrstück ohne aufdringliche moralische Ansprachen. Die Angst vor Arbeitslosigkeit und finanziellem Absturz ist nachvollziehbar und nicht nur in der trostlosen Siedlung zu finden, etwa in der Verzweiflung der jungen Witwe des Lkw-Fahrers. Auch der Kleinunternehmer Klaus Nax strampelt vergeblich. Er lebt mit seiner Frau in einem kleinen Haus am Rande der Siedlung, das neben den Wohnklötzen regelrecht surreal wirkt – ein tolles Bild für eine Gesellschaftsschicht, die irgendwo dazwischen feststeckt.

Natürlich spielt Jürgen Tarrach diesen Loser Nax, eine Art Anti-Sputnik, der immer neue Geschäftsideen in den Sand setzt. Die Besetzung ist ohnehin überdurchschnittlich. Armin Rohde gibt mal wieder den Proll, einen Polier in Unterhemd, mit langer Mähne, Bart und jeder Menge Wut im Bauch auf den Lkw-Fahrer, der die Schuld am Tod seiner Kinder trägt. Wie ein aufgescheuchtes Ungeheuer irrt er durch die Straßen. Das glaubt man schon tausend Mal gesehen zu haben, aber wie sich bei Rohde unterdrückte Gewaltbereitschaft und Zärtlichkeit verbinden, das ist doch immer wieder bemerkenswert und berührend. Herausragend außerdem: Saskia Vester als Nax‘ Ehefrau Marion, die sich bemüht, das Scheitern ihres Mannes mit Fassung zu ertragen. (Text-Stand: 1.2.2013)

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Reihe

ZDF

Mit Maja Maranow, Florian Martens, Arnfried Lerche, Kai Lentrodt, Jaecki Schwarz, Saskia Vester, Jürgen Tarrach, Armin Rohde, Antje Schmidt

Kamera: Volker Tittel

Schnitt: Simone Klier

Musik: Christine Aufderhaar

Produktionsfirma: Ufa Fernsehproduktion

Produktion: Michaela Nix

Drehbuch: Mike Bäumi, Peter Zingler

Regie: Walter Weber

Quote: 6,21 Mio. Zuschauer (20,2% MA)

EA: 27.02.2013 20:15 Uhr | ZDFneo

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Kontoinhaber: Rainer Tittelbach