Ein totes Reh im Wald, eine launige Taufe oder ein Seitensprung mit der Nachbarin – sehr viel mehr passiert nicht in jenem Dorf in der Nähe von Gorleben. Erst als Lotte Feininger mit ihrem roten Sportwagen angeflitzt kommt, ist Gefahr in Verzug. Der Dorfquerulant flippt aus – und bald gibt es zwei Dorfbewohner weniger. „Ein Unfall, was sonst!“, belehrt der Bürgermeister den Dorfpolizisten. Aber bald wird es auch ihm zu bunt mit dieser jungen Frau, die er als Fotografin ins Wendland geholt hat, damit sie den Tourismus ankurbelt.
Zwar knipst die junge Frau wild in der Landschaft herum, aber Interesse hat sie nur an alten Geschichten – und alten Männern. Einer ist Martin Selig, ein Schriftsteller, der sich von der attraktiven Frau mehr erhofft als das Ende seiner Schreibblockade. Doch diese Frau gibt ihm nicht nur im Guten Rätsel auf. Was hat es mit dieser alten Fotografie zu tun, auf der sie Männerköpfe einkreist, bevor sie sie durchstreicht? Warum ist Lotte Feininger so sehr fasziniert von der Geschichte um die sogenannte „Freie Republik Wendland“, jene gewaltfreien Widerständler gegen das AKW Gorleben? Ist sie wirklich die besagte Fotografin?
„Ein Dorf sieht Mord“ ist ein Film jener TV-Gattung, die sich in den letzten zehn Jahren vor allem im ZDF erfolgreich etabliert hat: der Dorf-Krimi. Ein Genre, das einige Glanzlichter hervorbrachte, nicht zuletzt, weil sich der Provinzkrimi größere Freiheiten herausnehmen kann als der ritualisierte Großstadtkrimi. Der glänzend besetzte und angenehm luftig fotografierte Film von Walter Weber allerdings hält leider nicht, was er verspricht: allzu schnell werden die ausgebreiteten Rätsel vom Klischee der geheimnisvollen Frau aufgesogen und das Motiv des in die Jahre gekommenen Schriftstellers, der sich von der sexuellen auch eine geistige Frischzellen-Kur erhofft, ist so alt wie abgeschmackt.
Auch die Gorleben-Geschichte hinter der Krimi-Geschichte wirkt einigermaßen bemüht. Dass dieses dramaturgische Stückwerk frei nach Motiven eines Romans von Maarten ’t Hart dennoch – während des Sehens – gefangen nimmt, liegt an der starken Präsenz der Schauspieler. Das spannungsreiche Spiel der Blicke zwischen Lavinia Wilson und August Zirner macht Laune, genauso wie die Art, mit der die Fotografin den Schriftsteller im Wechsel anzieht und auflaufen lässt. Ein großer Reiz steckt auch in den vielen kleinen Geschichten dieses Allerweltsdorfs, hinter denen sich so viel vermuten lässt. Inspirierend wirkt auch das ländliche Ambiente. Aber gerade, weil die Phantasie so sehr angeregt wird, ist die Enttäuschung über die banale Auflösung am Ende umso größer. (Text-Stand: 30.11.2009)