Ein Dorf rockt ab

Christina Große, Knizka, Jaenicke, Kuhlmann, Haase. Heavy sind nur die Klischees

Foto: ZDF / Conny Klein
Foto Tilmann P. Gangloff

Wacken hat womöglich auch mal so angefangen: Um ihren hochverschuldeten Hof zu retten, vermietet in der ZDF-Komödie „Ein Dorf rockt ab“ eine Landwirtin eine Wiese an den Manager eines Heavy-Metal-Festivals. Allerdings ahnt sie nicht, worauf sie sich da einlässt, denn als eine Horde Rocker in die Provinzidylle einbricht, hat sie fast das ganze Dorf gegen sich; inklusive des eigenen Ehemanns. Leider übertreiben es Buch & Regie mit den Kontrasten zwischen Musikfans & Landlust. Gerade die „Metalheads“ sind wandelnde Klischeefiguren, und die wenigen wirklich guten Gags wurden mit dem Vorschlaghammer inszeniert.

Auf den ersten Blick verspricht „Ein Dorf rockt ab“ eine originelle Geschichte, aber dann entpuppt sich die Komödie doch wieder bloß als Beziehungskiste: Betriebswirt Paul Leonard (Roman Knižka) leidet schon geraume Zeit darunter, dass Gattin Caro (Christina Große) seine Vorschläge, wie man den hoch verschuldeten Besitz aus den roten Zahlen holen könnte, nicht ernst nimmt; außerdem trifft sie sämtliche Entscheidungen ständig über seinen Kopf hinweg. Das gilt auch für einen Deal, den sie mit dem Musikmanager Mike (Hannes Jaenicke) geschlossen hat: Der Mann sucht händeringend einen Veranstaltungsort für sein Heavy-Metal-Festival und wäre bereit, für die Pacht einer passenden Wiese 35.000 Euro zu zahlen.

Christina Große und Roman Knižka passen gut zusammen und überzeugen als Paar sowohl im Streit wie auch in der Versöhnung. Dass in der Ehe was nicht stimmt, verdeutlicht der Film mit Hilfe der Kinder: Der achtjährige Mo (Knižkas Sohn Leo) verbringt mehr Zeit mit einem unsichtbaren Gefährten als mit Gleichaltrigen, und die pubertierende Antonia (Amelie Herres), die stets düstere Metal-Musik hört, hat erhebliche Probleme in der Schule. Ärgerlich sind allerdings nahezu alle Szenen mit den „Metalheads“, weil Regisseur Holger Haase die üblichen Rockerklischees verwurstet. Auch die Darstellerführung ist nicht immer gelungen. Hannes Jaenicke ist einer der letzten echten Kerle unter den deutschen Schauspielern; dass er seinen Mike besonders kernig anlegt, wirkt aber nicht selbstironisch, sondern bloß übertrieben, erst recht, wenn er auch noch peinliche Dialogsätze wie „Sehe ich aus wie fucking Siegfried und Roy?!“ von sich geben muss. Der Film ist nach „… und dann kam Wanda“ (ARD) sowie „Bodycheck“ (Sat 1) bereits Haases dritte Zusammenarbeit mit Jaenicke als Hauptdarsteller, dessen Darbietungen jedoch von Mal zu Mal undifferenzierter wurden. Deutlich plakativer sind allerdings die Auftritte von Daniel Zillmann (als Mikes rechte Hand), der seit Jahren auf den Dicken vom Dienst festgelegt ist und aus praktisch jeder Rolle eine Karikatur macht.

Ein Dorf rockt abFoto: ZDF / Conny Klein
Landwirt Paul (Roman Knizka) will um den Hof kämpfen und überzeugt den Rest seiner Familie: Mo (Leo Knizka), Caro (Christina Große) & Antonia (Amelie Herres).

Natürlich soll der Reiz der Komödie nicht zuletzt in der Konfrontation zwischen den vermeintlichen Barbaren und den braven Einheimischen liegen; bis sich am Ende herausstellt, dass die martialischen Metal-Fans harmlose Zeitgenossen sind, die einmal im Jahr die Sau rauslassen. Den Beweis dafür bleibt das Drehbuch (Stefan Kuhlmann, nach einer Idee von Katharina Eyssen) jedoch schuldig, weil sich der Film viel zu sehr an den Extremen erfreut. Anstatt die beiden Seiten glaubwürdig miteinander zu versöhnen, treibt die Geschichte einen weiteren Keil zwischen das Ehepaar. Die attraktive Bäckerin Laura (Judith Hoersch) hat offenbar ein Auge auf den nicht minder schmucken Paul geworfen, und ausgerechnet nach einer Nacht, in der sich das Ehepaar endlich mal wieder in jeder Hinsicht richtig nahe gekommen ist, findet Caro heraus, dass es nicht bei dem Auge geblieben ist. Was nun folgt, ist typisch für den wenig homogenen Gesamteindruck des Films. Während die Ehekrise glaubhaft eingeführt ist und durch die harmonische Stimmung zuvor eine noch größere Fallhöhe erreicht, schießt Haase anschließend wieder weit übers Ziel hinaus, indem er Caro ganz verrückte Sachen machen lässt: Sie trinkt schon frühmorgens Dosenbier, reagiert auf Pauls Verwirrung mit einem Rülpser, ist nach einem Zug am Joint völlig enthemmt, schlittert bäuchlings durch den Matsch und küsst Mike vor den Augen ihrer schockierten Tochter.

Soundtrack: Husky („Drunk“), Killswitch Engage („Hate by Design“), Metallica (“Sad But True”), AC/DC (“Thunderstruck”, “Highway To Hell”), Alice Cooper (“Poison”), Shinedown (“Sin With A Grin”), Black Sabbath (“Paranoid”), Stone Temple Pilots (“Creep”), Motörhead (“Ace Of Spades”), Andrew W.K. (“Party Hard”)

Momente wie diese sorgen dafür, dass die Komödie immer wieder zur Klamotte wird. Gleiches gilt für die Figuren: Bei Familie Leonard bemüht sich Haase erfolgreich um Zwischentöne; seine Arbeit mit den beiden Jungdarstellern ist ausgezeichnet. Ansonsten aber hat offenbar auch er mal die Sau rauslassen wollen. Der Bürgermeister (Johannes Zirner) zum Beispiel ist ein konservativer Knochen, der sich schon dadurch disqualifiziert, dass er auf ein Reh schießen will; später warnt er seine Mitbürger vor dem „satanischen Treiben“ der Festivalbesucher. Weil die Fronten zwischen Caro und den Dorfbewohnern völlig verhärtet sind, ist der Stimmungsumschwung gegen Ende prompt unglaubwürdig.

Ein Dorf rockt abFoto: ZDF / Conny Klein
Wacken lässt grüßen! Headbanging und Matsche gehören offenbar zum richtigen Heavy-Metal-Feeling, dramaturgisch & inszenatorisch hätte es auch etwas subtiler sein dürfen!

Wie es um das Gag-Niveau bestellt ist, zeigen zwei Szenen, in denen die Motorräder durchs Dorf rollen: Angesichts der Auspuffgase bekommt der Bürgermeister einen Hustenanfall, und gleich zweimal gibt es Gegenschnitte von den Maschinen auf eine kleine Schar Gartenzwerge. Kaum origineller ist die Idee, Caro im Kirchenchor singen zu lassen, um einen möglichst großen Gegensatz zur Heavy-Metal-Musik herzustellen. Diese Methode, Kontrapunkte mit dem Vorschlaghammer zu setzen, zieht sich durch den ganzen Film: Antonia tritt metalmäßig ständig ganz in schwarz und stark geschminkt auf, aber als der Musiker (Jeremy Mockridge), den sie anhimmelt, mit einer Anderen anreist, liegt sie anschließend abgeschminkt und in hellen bunten Klamotten heulend auf ihrem Bett. Das Pendeln zwischen den Extremen spiegelt sich auch in der Musik wieder: Zu Beginn signalisiert die Filmmusik von Andy Groll das übliche Wohlgefühl vieler ZDF-Komödien, später wird sie rockiger. Groll hat auch die Lieder der Band geschrieben, eingespielt und gesungen, die zu Beginn und am Schluss auftritt. Das ist zwar eher sanfter Hard Rock als Heavy Metal, weshalb es etwas seltsam anmutet, dass die Konzertbesucher trotzdem unverzagt ihr „Headbanging“ betreiben, aber die Musik muss natürlich salonfähig sein. Das gilt auch für die vielfach eingestreuten Rock-Songs, die eine Freude für jeden Hard-Rock-Fan sind. Die Aufnahmen vom Bühnenaufbau sind übrigens dokumentarisch, sie sind bei einem echten Metal-Konzert gedreht worden.

Angesichts des vergleichsweise großen erzählerischen und optischen Aufwands ist die überwiegend unsubtile Erzählweise ist vor allem deshalb schade, weil Haase schon viele Komödien gedreht hat, die vielleicht nicht preisverdächtig, aber stets kurzweilig waren, etwa „Robin Hood und ich“, „Bollywood lässt Alpen glühen“ und allen voran sein Debüt „Das Leben der Philosophen“ (2005). Seine Qualitäten als Regisseur auch ernstzunehmender Stoffe hat er spätestens mit dem gewalttätigen Ehedrama „Die Ungehorsame“ bewiesen; von dieser Klasse ist „Ein Dorf rockt ab“ weit entfernt. (Text-Stand: 14.4.2017)

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Fernsehfilm

ZDF

Mit Christina Große, Roman Knizka, Hannes Jaenicke, Amelie Herres, Leo Knizka, Daniel Zillmann, Johannes Zirner, Lara Mandoki, Jeremy Mockridge

Kamera: Uwe Schäfer

Szenenbild: Susanne Abel

Kostüm: Isabella Mirja Hirt

Schnitt: Marco Baumhof

Musik: Andy Groll

Produktionsfirma: Amalia Film

Drehbuch: Stefan Kuhlmann – Idee: Katharina Eyssen

Regie: Holger Haase

Quote: 3,83 Mio. Zuschauer (13,4% MA)

EA: 18.05.2017 20:15 Uhr | ZDF

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