„Die Welt in der Nussschale des Kuhdorfs Nesselbühl, die Verkleinerung des Unfassbaren hin zum Anfassbaren“, so umschreibt Oliver Storz die Motivation zu seinem Fernsehfilm „Drei Tage im April“ zum 50. Jahrestag des Kriegsendes. Kein monumentales Fresko à la „Schindlers Liste“ konnten und wollten er und seine Geldgeber SDR (heute SWR), Arte und ORF auf die Beine stellen. „Ich konnte nur versuchen, den Widerschein des Infernos gewissermaßen in einem Dorfweiher zu zeigen“, sagt der renommierte Drehbuchautor und Regisseur.
Die Geschichte spielt in den letzten Kriegstagen. Die Amerikaner sind nicht mehr weit. Zwischen Hoffen und Bangen gehen die meisten Bewohner der kleinen schwäbischen Ortschaft ihren Alltagsgeschäften nach. Im Wirtshaus hockt derweil das Schwemmgut des Krieges, versprengte Landser, die Überlebenden eines Fronttheaters. Man singt Feindmusik, lässt sich treiben – bald ist der ganze Spuk sowieso vorbei. Doch dann holt die Menschen die Realität des Dritten Reichs noch einmal auf grauenvollste Weise ein: Ein Viehwaggon mit hunderten Häftlingen, die in ein vor den Alliierten sicheres Konzentrationslager verlegt werden sollen, wird auf dem Bahnhof des Dorfes abgestellt. Nun hat also auch Nesselbühl sein KZ. Die Menschen sind fassungslos, diskutieren über Zuständigkeiten, wollen, dass wieder Ruhe und Ordnung einzieht. Für andere bricht ein Weltbild zusammen.
„Eine sorgfältig inszenierte Parabel mit teils hervorragenden schauspielerischen Leistungen, aber auch strukturellen Schwächen. Überzeugend und eindrucksvoll ist sie immer dann, wenn sie aufmerksam den Empfindungen der Menschen nachspürt.“ (Lexikon des Internationalen Films)
„Regisseur Oliver Storz entwirft in diesem Fernsehfilm das erschütternde Bild einer nach zwölf Jahren Nazizeit durch Passivität, vorauseilenden Gehorsam und Verblendung geprägten Generation.“ (Cinema)
Dem Film liegt eine tatsächliche Begebenheit zugrunde. Ein damals 17Jähriger, den die Bilder vom grausigen KZ auf Schienen sein Leben lang nicht losgelassen haben, ist Storz‘ Gewährsmann. „Die meisten anderen sind tot, und die paar noch Lebenden wollen sich nicht mehr erinnern“, so der 65jährige Filmemacher und Literat. Als Vorlage seines Fernsehspiels diente ihm sein eigenes Theaterstück „Die barmherzigen Leut‘ von Martinsried“. Für jene Barmherzigkeit hat Storz eine ganz spezielle Interpretation: Die Motivation sei die Angst davor, dass das Vertraute fremd werde. So handle die Hauptfigur, die einstige BDM-Führerin Anna, vor allem deshalb menschlich – „weil sie ahnt, dass sie sich an einem Ort, wo so etwas Schreckliches geschieht, nie mehr zuhause fühlen wird. Sie kämpft um ihre Kindheit, ihre Heimat, die sie nicht verlieren will“, interpretiert der Autor-Regisseur die Psychologie.
Dennoch liegt Storz Selbstgerechtigkeit fern. „Man weiß nicht, was man selbst damals getan hätte!“ war eine seiner Faustregeln beim Schreiben und Inszenieren. Und er wendet sich sehr direkt an die heute Lebenden: „Angenommen, wir beobachten, wie aus dem Nachbarhaus ein kurdischer Asylbewerber in Handschellen abgeführt wird zwecks Abschiebung in Bedrängnis und Tod. Gehen wir dazwischen, fasten wir oder schauen wir uns nicht doch am Abend gebannt das Europacup-Finale im Fernsehen an!?“