Die Liebe ist ein seltsames Spiel. Doch im Zeitalter der Lebensabschnittspartnerschaften scheint sich die amouröse Unlogik geradezu ins Absurde auszuwachsen. Film und Fernsehen haben immer schon gerne den Beziehungs-Zeitgeist aufs Korn genommen. Neuestes Beispiel: „Dr. Schwarz und Dr. Martin“, das ungleiche bayerische „Ärzte“-Paar, das die ARD mit neuen Episoden ins Quotenrennen schickt.
Anything goes im postmodernen Liebeskarussell. Da verliebt sich ein schwuler Teenager in ein Mädchen, die Älteren pflegen Bratkartoffelverhältnisse, praktische Zweckgemeinschaften ohne größere Verpflichtungen. Und wer sich „eine Beziehung mit allem Drum und Dran“ erträumt, durchläuft entweder stille Depressionen oder weint sich aus bei einem guten Freund – und landet auch schon mal mit ihm im Bett. Alles ganz normal. Vor allem, was Dr. Martin durchmacht. Sie und ihr Affären-erfahrener Ehemann lassen sich scheiden; er lebt mit dem Sohn in den Staaten, sie mit der Tochter in der bayerischen Provinz. Und ihr beruflicher Kompagnon Schwarz, mit dem sie desöfteren aneinandergerät, ist ein Fall aus dem Lehrbuch: ein Mann, der es laufen lässt und privaten Entscheidungen aus dem Weg geht.
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Unterhaltsame Varianten von Nähe und Distanz liefern auch die vier neuen Episoden, die der Bayerische Rundfunk zur ARD-Reihe „Ärzte“ beisteuert. Es ist der weitgehend gelungene Versuch, das Trivialgenre auf Fernsehspiel-Niveau zu heben. So sieht es auch Senta Berger: „Die medizinischen Fälle stehen nicht so sehr im Vordergrund.“ Für sie ist „Dr. Schwarz und Dr. Martin“ eine moderne Fortführung der Screwball-Comedies mit Spencer Tracey und Katherine Hepburn. „Eine Komödie für Erwachsene, über zwei Menschen, die sich finden müssen.“ Partner ist Friedrich von Thun. Weitere Schauspieler bei der Selbstfindungskomödie sind Daniela Ziegler und ein von der Sucht gezeichneter Konstantin Wecker.
Doch auch das Drama kommt in der heutigen Folge „Trennungen“ nicht zu kurz. Zunächst pivater Abschiedsschmerz. Dann betroffene Blicke in der Klinik: die Eltern eines Neugeborenen mit Down-Syndrom drehen durch, wollen ihr Kind nicht annehmen. Die Waage zu halten zwischen komischen und tragischen Momenten ist eine große Kunst. Drehbuchautorin Gabriela Sperl und Bernd Fischerauer, ein erfahrener Theater-Regissuer, gelingt das ohne allzu unangenehme Stimmungsbrüche. (Text-Stand: 1996)
KRITIK: „Ärzte – Dr. Schwarz und Dr. Martin – Trennungen“
Frauen, die zu sehr lieben, Männer, die sich aus der Verantwortung stehlen, dazu eine geschiedene Ehe und technobegeisterte Kids, die die Liebe entdecken – Autorin Gabriela Sperl hat sich umgesehen im Beziehungsalltag der 90er Jahre. Natürlich wird da viel diskutiert; die 68er sind in die Jahre gekommen. Ihre Liebesdinge kriegen sie zwar noch immer nicht geregelt, aber drüber reden – das geht immer. Und sie talken im Stile der Zeit: gepflegt beim Glas Wein, schweißtreibend beim Körper-Stretching, beim Tanzen oder gestresst zwischen Tür und Angel. Da lässt es sich gut zuhören, ob der guten Schauspieler und einer passablen Inszenierung auch gut zuschauen. Gediegene TV-Unterhaltung für die ganze Familie. Hier kann sich jede Generation wiederfinden – und viele Zuschauer können ihre eigenen Erfahrungen vergleichend mit ins Spiel bringen. Aber da solche Beziehungsgeschichten nicht jeden 90 Minuten vor den Bildschirm bannen und die Helden immerhin Ärzte sind, durfte ein medizinischer Fall nicht fehlen: ein Kind mit Down-Syndrom, Eltern unter Schock, ratlose Ärzte und Psychologen. Am Ende siegte das Herz, die Tränen kullerten und das oft uneinige Ärzte-Paar konnte sich wieder anderen Herzensangelegenheiten zuwenden. Ein Verbund aus zwei Hauptfiguren und sechs bis acht tragenden Nebenrollen, das muss heute wohl so sein, um jedem Zuschauer etwas zu bieten. Da lässt die Seifenoper-Dramaturgie unterhaltsam grüßen. Vor allem der Unfall am Ende, dieser ungelenke Cliffhanger, war dann doch des Effektvollen zu viel. tit.