Emma Stöckel ist perplex. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite sieht sie eine elegant gekleidete Frau, die ihr wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Ehe sie sich versieht, sitzt Emma in einer edlen Limousine – neben ihr Wolter von Auenstein, der Gatte jener feinen Dame, der die Glasereibesitzerin mit der eigenen Frau verwechselt. Das burschikose Outfit erklärt er sich offenbar als Strategie seiner in Geschäftsangelegenheiten knallharten Gattin. Die beiden sind auf dem Weg zu einer Pressekonferenz, auf der Hedwig von Auenstedt ein umstrittenes Bauprojekt vorstellen soll. Statt ihrer tritt nun Emma ans Mikrophon – und erklärt: „Wir werden das Wiesen-Viertel nicht abreißen, sondern sanieren.“ Der Jubel der Bewohner und der Bürgerinitiativen ist groß, die Wut der echten Bauunternehmerin umso größer. Diese will Emma mit Rufmordklagen überziehen. Derweil verspürt Wolter von Auenstedt mehr als nur stille Sympathie für die couragierte Glasereimeisterin und er beginnt, über sein Leben nachzudenken. Auch für Emma fühlt sich die Zuneigung zu diesem noblen Herrn seltsam an.
„Ich weiß gar nicht, wer da neben mir liegt“, sagt die sympathische Heldin in der ARD-Komödie „Doppelgängerin“ – und hält kurz inne in ihrem Glücksgefühl. Als Zuschauer weiß man umgekehrt auch gar nicht so recht, wo man bei diesem Film gelandet ist. Degeto-Romanze? Sozial-Märchen à la Sat 1? Oder nur ein Vehikel für Jutta Speidel, um zu zeigen, was sie alles drauf hat? Das ist keine Verunsicherung, die einen nachhaltig irritiert, nein, dieser Film von Nikolai Müllerschön ist pures Vergnügen. Es ist eine Komödie, die mit den Jahrzehnte alten Ingredienzien des Genres arbeitet und zugleich eine ungemeine Frische und verhaltene Menschlichkeit an den Tag legt. Die Geschichte kreist um einen wunderbaren Charakter und der Film besitzt einen nicht weniger wunderbaren Flow, der im Detail „realistisch“ akzentuiert wird durch eine Ästhetik, eine Bildsprache, die den Menschen (und nicht die Inszenierungskonvention) in den Mittelpunkt rückt. Die Kamera von Klaus Merkel ist großartig, sie öffnet Räume und hindert die Darsteller nicht in ihren Bewegungsabläufen und gibt dem Gezeigten etwas Beiläufiges, etwas Alltägliches, manchmal auch etwas poetisch Entrücktes. Im Glaserei-Milieu wirkt das gleichsam „authentischer“ als in der Welt der metallbeschlagenen, gläsernen Funktionsbauten, in denen sich die Adelsfrau aufhält. Hier beherrschen statische Totalen das Bild. Der Film zeigt, dass der Wert einer Erzählung nicht nur vom Erzählten abhängt, sondern auch von der Erzählweise.