Konstanz, 1414. Marie Schärer, Tochter eines wohlhabenden Händlers, den es in Adelskreise drängt, soll zwangsverheiratet werden mit Ruppertus, dem unehelichen Sohn Graf Heinrichs von Keilburg. Die Hochzeit würde ihn zum anerkannten Prinzen und Marie zur Prinzessin machen. Doch sie liebt den Schankwirtssohn Michel. „Du wirst keine Freude an mir haben“, schleudert sie dem vom Vater Auserwählten ins Gesicht. Der Vater unterschreibt den Ehevertrag mit der Klausel: die Tochter müsse als Jungfrau in die Ehe gehen. Wenig später wird Marie brutal vergewaltigt, der Hurerei angeklagt und verurteilt: 20 Peitschenhiebe am Schandpfahl von Konstanz und die Verbannung aus der Stadt. Vater Schärer wird getötet, sein Hab und Gut wird den von Keilburgs überschrieben und Marie geht im Fluss unter und wird für tot erklärt. Doch sie lebt und sie will Rache. Um die verlorene Ehre zurück zu bekommen, muss sie sich an die Männer verkaufen. Sie schläft sich hoch – bis zum König.
Foto: Sat 1 / Roth
„Ich warte und wenn es zwei Ewigkeiten dauert“, verspricht der Geliebte gleich zu Beginn. Zwischenzeitlich sieht es nicht danach aus, als ob das Versprechen wahr werden würde. Wie soll man als Rechtlose zu seinem Recht kommen? Wie soll eine Geschändete wieder „normal“ fühlen, wie eine Prostituierte wieder lieben können? Das tiefe Mittelalter gibt dem Film auch dramaturgisch die Richtung vor. „Die Wanderhure“ reduziert Psychologie auf simple Reiz-Reaktionsmuster, Kommunikation auf Geben und Nehmen. Das ist nicht nur konsequent, sondern auch wirkungsvoll. Dass die Inszenierung nur in einigen Massenszenen, oder wenn die besonders einfach gestrickten Männer den Ton angeben, etwas hölzern wirkt, ist keine schlechte Basis für einen unterhaltsamen Film, bei dem man sich schon mit den Manierismen des Genres anfreunden sollte, wenn man ihn mit „guten Gefühlen“ überstehen möchte.
Foto: Sat 1 / Roth
Garant für gute Gefühle ist einmal mehr Alexandra Neldel. Ob unschuldig verliebt oder unschuldig verstoßen, ob im luftigen Sommerkleid oder im schweren Büßergewand – es sind allein ihre Blicke, die zahllosen Tränen, die sie in den 120 Minuten vergießt, die natürliche Anmut ihrer Erscheinung, die einem einen reuelosen Ausflug durch das Klischee-Mittelalter ermöglichen. Ein sehr passendes Gesicht ist auch Nadja Becker als Wanderhure Hiltrud. Die Männer dagegen holpern und stolpern etwas zu trieb- und giergesteuert durch die weitgehend beeindruckende Szenerie. Eine echte Fehlbesetzung ist auch dabei: Theatermann Tischendorf als Michel, der Heldin große Liebe, ist in den emotionalen Szenen maßlos überfordert. Im Gegensatz zu Neldel liefert er allenfalls Gesichtsausdrücke wie aus einer Kika-Ritterromanze.
Elena Uhligs Mechthild von Arnstein, die ihrem Gatten für die Zeit ihrer Schwangerschaft eine Hure ins Bett legt, bringt es auf den Punkt: „Es gibt Vieles, was uns Damen nicht zusteht, aber was wir dennoch nicht der Dummheit der Männer überlassen können.“ Hansjörg Thurns „Die Wanderhure“ ist ein frauenaffiner Film aus einer Zeit, in dem die Frauen nichts zu sagen hatten. Auch wenn das TV-Movie nach dem Roman von Iny Lorentz die Oberfläche absucht nach Verwertbarem für einen quotenträchtigen Fernsehfilm – so ist doch der Urstoff dieser Geschichte bedenkenswerter als manches Event-Schlachtengetümmel der letzten Jahre.